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BRAK äußert sich positiv zur Sorgerechtsreform

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hält den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Entwurf einer Sorgerechtsreform für einen tragbaren Kompromiss. Der Entwurf sieht die Übertragung der gemeinsamen Sorge auf Antrag in einem beschleunigten Verfahren vor, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern soll damit zur Regel werden.

Die Änderung betrifft vor allem die Rechte unverheirateter Väter und dient der Umsetzung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 03.12.2009 und des BVerfG vom 03.08.2010 zur Rechtswidrigkeit der aktuellen Sorgerechtsregelung. Bisher haben unverheiratete Väter keine Möglichkeit, gegen den Willen der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht durchzusetzen. Das soll sich nun ändern:

  • Mit Geburt hat die Mutter zunächst das alleinige Sorgerecht.
  • Wenn die Mutter mit der gemeinsamen Sorge nicht einverstanden ist, kann der Vater künftig wählen, ob er zunächst zum Jugendamt geht, um doch noch eine Einigung zu erreichen. Auch der Weg zum Familiengericht steht ihm jederzeit offen, egal ob der Gang zum Jugendamt erfolglos bleibt oder von vornherein unsinnig erscheint.
  • In dem beschleunigt und vorrangig durchzuführenden gerichtlichen Verfahren, erhält die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag des Vaters. Die Frist dafür endet frühestens 6 Wochen nach der Geburt des Kindes.
  • Das Familiengericht überträgt die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Schweigt der andere Elternteil oder trägt er keine potenziell kindeswohlrelevanten Gründe vor und sind solche Gründe dem Gericht auch sonst nicht bekannt geworden, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626a Abs. 2 BGB-Entwurf). Das Gericht entscheidet dann in einem vereinfachten Verfahren (schriftliches Verfahren ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern, § 155a Abs. 3 FamFG-Entwurf).
  • Weiter eröffnet der Entwurf dem Vater auch die Möglichkeit, die Alleinsorge auch gegen den Willen der Mutter zu erlangen. Der Entwurf sieht vor, dass der Vater auf Antrag das alleinige Sorgerecht erhält, wenn eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Die Bundesrechtsanwaltskammer stimmt dem Entwurf im Grundsatz zu. In ihrer Stellungnahme berücksichtigt sie durchaus den Umstand, dass eine Gesetzesänderung in Sorgerechtsstreitigkeiten eine sehr große Bandbreite von Fallgestaltungen berücksichtigen muss, angefangen von Vergewaltigung oder Vaterschaft aufgrund eines einmaligen Kontaktes bis hin zu der Begründung einer langfristig angelegten Partnerschaft in eheähnlicher Verbindung. Die Wahrung des Kindeswohls muss dabei ohne Frage den absoluten Vorrang haben.

Nach Ansicht der BRAK ist der Entwurf aber ein tragfähiger Kompromiss. Insbesondere dürften die Vermutung, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl entspricht, § 1626a Abs. 2 BGB-Entwurf, verbunden mit der verfahrensrechtlichen Beschleunigungsvorschrift des § 155a Abs. 3 FamFG-Entwurf eine gewisse Gewähr dafür bieten, dass aufwändige und strittige Verfahren nur in den Fällen geführt werden müssen, in denen zumindest plausible Gründe gegen das gemeinsame Sorgerecht unter dem Aspekt des Kindeswohles vorgetragen bzw. ersichtlich sind.
Bedenklich kurz erscheint nach Ansicht der BRAK die 6-Wochen-Frist in § 155a Abs. 2 FamFG-Entwurf für die Mutter zur Stellungnahme. Die Kammer schlägt hier eine Vereinheitlichung mit der Frist von mindestens 8 Wochen nach der Geburt für die Einwilligung in eine Adoption des Kindes nach § 1747 Abs. 2 BGB vor.

Weitere Informationen:

Referentenentwurf BMJ v. 28.03.2012 „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern“

Stellungnahme BRAK im Mai 2012

EGMR, Urt. v. 03.12.2009 – Nr. 22028/04

BVerfG, Beschl. v. 21.07.2010 – 1 BvR 420/09, Pressemitteilung

BVerfG, Beschl. v. 21.07.2010 – 1 BvR 420/09, Volltext