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BGH - Entscheidung vom 17.09.2008

III ZR 326/07

Normen:
IfSG § 31 § 56 § 66 Abs. 1

Fundstellen:
BGHReport 2009, 87
MDR 2008, 1391
NJW-RR 2009, 165
VersR 2009, 787

BGH, Beschluß vom 17.09.2008 - Aktenzeichen III ZR 326/07

DRsp Nr. 2008/19223

Anspruchsgegner für eine Klage auf Verdienstausfall wegen eines beruflichen Tätigkeitsverbots nach dem IfSG

»Eine Klage auf Entschädigung des Verdienstausfalls wegen eines beruflichen Tätigkeitsverbots im Sinn des § 31 IfSG ist gegen das Land, in dem das Verbot erlassen wurde, zu richten (§ 66 Abs. 1 IfSG ); insoweit ist der Träger der zuständigen Behörde, die im Verwaltungsverfahren nach § 56 IfSG mit solchen Ansprüchen befasst ist, nicht passivlegitimiert.«

Normenkette:

IfSG § 31 § 56 § 66 Abs. 1 ;

Gründe:

I. Mit Bescheid vom 29. März 2005 untersagte die Stadt Norderney der Klägerin, einer Krankenschwester, wegen einer Erkrankung an Hepatitis C nach § 31 des Infektionsschutzgesetzes ( IfSG ) mit sofortiger Wirkung ihre Tätigkeit im OP-Bereich der Allergie- und Hautklinik ihres Arbeitgebers. Dieser kündigte daraufhin am 20. April 2005 das Arbeitsverhältnis. Im nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Verfahren kamen die Arbeitsvertragsparteien überein, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche krankheitsbedingte Kündigung mit dem 31. Mai 2005 sein Ende gefunden habe.

Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin mit ihrer im August 2005 eingegangenen Klage den beklagten Landkreis wegen des beruflichen Tätigkeitsverbots und des nach ihrer Auffassung hierauf beruhenden Verdienstausfalls auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Anspruch. Insoweit hat sie für den Zeitraum vom 1. Juni 2005 bis 28. Februar 2007 Zahlung von 24.729,72 EUR nebst Zinsen und für den anschließenden Zeitraum Feststellung einer Entschädigungspflicht in Höhe von 49,32 EUR kalendertäglich begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Verdienstausfall der Klägerin nicht auf dem Tätigkeitsverbot beruhe und weil sich ein möglicher Anspruch nicht gegen den beklagten Landkreis richte. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Klägerin Ansprüche zustehen können, und ebenfalls die Passivlegitimation des Landkreises verneint. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.

II. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

1. Die Beschwerde hält die Frage nach der Passivlegitimation für grundsätzlich. Sie ist der Auffassung, § 66 IfSG regele nur die interne Kostentragungspflicht des Landes im Verhältnis zum Landkreis als der zuständigen Behörde. Demgegenüber müsse der Entschädigungsberechtigte seine Ansprüche an den Landkreis richten, der - wie sich aus § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG ergebe - die Entschädigung als zuständige Behörde auf Antrag gewähre. Auch aus § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG folge, dass dem Arbeitgeber von ihm ausgezahlte Entschädigungsbeträge auf Antrag durch die zuständige Behörde erstattet würden.

2. Die aufgeworfenen Fragen sind in dieser Zuspitzung zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Angesichts der klaren Regelung in § 66 Abs. 1 IfSG , über deren Auslegung bisher keine Zweifel aufgekommen sind und der auch das Berufungsgericht gefolgt ist, besteht aber nicht die Notwendigkeit einer Klärung in einem Revisionsverfahren.

a) Nach § 66 Abs. 1 IfSG ist das Land, in dem das Verbot erlassen worden ist, zur Zahlung der Entschädigung nach § 56 IfSG verpflichtet. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass das Land den Vorteil davon hat, wenn eine Person als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Interesse der Allgemeinheit einem Tätigkeitsverbot unterworfen wird.

Wie dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften zu entnehmen ist, entspricht die Bestimmung des § 66 IfSG im Wesentlichen der Vorgängerregelung in § 59 BSeuchG (BR-Drucks. 566/99 S. 202). Zu dieser Bestimmung war der Senat mehrfach mit Klagen befasst, die sich sämtlich gegen das jeweils betroffene Bundesland richteten und bei denen die gesetzlich klar geregelte Zahlungspflicht des Landes keiner besonderen Erwähnung wert war (vgl. nur Senatsurteile BGHZ 73, 16; vom 31. Januar 1972 - III ZR 209/67 - NJW 1972, 632; vom 1. Februar 1979 - III ZR 88/77 - NJW 1979, 1460; vom 27. Januar 1983 - III ZR 113/81 - NJW 1983, 2029).

b) Dass die Bestimmung des § 56 IfSG , die im Wesentlichen dem früheren § 49 BSeuchG entspricht (vgl. Regierungsentwurf aaO. S. 199), in verschiedenen Zusammenhängen davon spricht, dass die zuständige Behörde auf Antrag Beträge erstattet oder die Entschädigung auf Antrag gewährt, beschreibt nur näher, dass die zuständige Behörde im Rahmen der verwaltungsmäßigen Abwicklung solche Anträge zu bearbeiten und - bei Vorliegen der Voraussetzungen - die entsprechenden Bescheide zu erteilen und auszuführen hat. Wird - wie hier - eine Leistung abgelehnt und ist das Verwaltungsverfahren damit beendet, muss die Klage, für die nach der besonderen Bestimmung des § 68 IfSG der ordentliche Rechtsweg gegeben ist, selbstverständlich gegen die zahlungspflichtige Körperschaft gerichtet werden. Zwar haben die Landesregierungen nach § 54 IfSG durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes zu bestimmen, soweit eine landesrechtliche Regelung nicht besteht. Insoweit sind nach § 2 Nr. 13 der Niedersächsischen Verordnung über Zuständigkeiten auf verschiedenen Gebieten der Gefahrenabwehr vom 18. Oktober 1994 (GVBl. S. 457) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 7. Dezember 2004 (GVBl. S. 576) die Landkreise und die kreisfreien Städte für die Aufgaben des Gesundheitsamts und der zuständigen Behörden nach dem Infektionsschutzgesetz zuständig. Eine - gesetzlich gar nicht mögliche - Übertragung der durch § 66 Abs. 1 IfSG bestimmten Zahlungspflicht des Landes ist hiermit jedoch nicht verbunden.

3. Der Streitwert ist hier, da die Sondervorschriften in § 42 Abs. 2 und 3 GKG nicht anwendbar sind, auf der Grundlage des § 9 ZPO nach § 3 ZPO zu bestimmen. Es kommt daher - neben den Rückständen für Juni und Juli 2005 - auf den 31/2-fachen Wert des einjährigen Bezugs der begehrten Leistung an. Für die Zeit bis zum 28. Februar 2007 hat die Klägerin ihre Ansprüche unter Einschluss der Rückstände mit 24.729,72 EUR beziffert. Der 31/2-jährige Bezug endet - beginnend von August 2005 - im Januar 2009; daher sind von März 2007 bis Januar 2009 noch 23 Monate zu berücksichtigen, in denen die Klägerin Feststellung eines kalendertäglichen Verdienstausfalls von 49,32 EUR begehrt. Daraus ergibt sich ein Wert von (49,32 x 30 x 23 =) 34.030,80 EUR und unter Berücksichtigung eines Abschlags für die Feststellungsklage von 20 % ein Wert von 27.224,64 EUR. Insgesamt beträgt der Wert daher 51.954,36 EUR. Der Senat macht insoweit von der Möglichkeit Gebrauch, die Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 GKG ).

Vorinstanz: OLG Oldenburg, vom 23.11.2007 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 121/07
Vorinstanz: LG Aurich - 3 O 881/05 (229) - 16.3.2007,
Fundstellen
BGHReport 2009, 87
MDR 2008, 1391
NJW-RR 2009, 165
VersR 2009, 787