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BGH - Entscheidung vom 18.07.2007

IV ZR 254/03

Normen:
VVG § 172 Abs. 2
AVB § 5 § 14 Abs. 1

Fundstellen:
NJW-RR 2007, 1629

BGH, Urteil vom 18.07.2007 - Aktenzeichen IV ZR 254/03

DRsp Nr. 2007/14892

Wirksamkeit der Klauseln über den Stornoabzug und die Höhe des Rückkaufswerts in der Kapitallebensversicherung

1. Die Ersetzung der Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Kapitallebensversicherung über den Rückkaufswert bei Kündigung (§ 5 AVB) und die Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren (§ 14 Abs. 1 AVB) durch inhaltsgleiche Klauseln ist unwirksam (BGHZ 164, 297 ).2. Für die Klausel über den Stornoabzug ergibt sich dies aus § 306 Abs. 2 BGB , § 6 Abs. 2 AGBG i.V. mit §§ 174 Abs. 4 , 176 Abs. 4 VVG . Die Berechtigung zu einem Abzug setzt eine Vereinbarung voraus, an der es bei Unwirksamkeit der Klausel fehlt.3. Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klausel über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung sowie über die Verrechnung der Abschlusskosten, für die das Gesetz keine konkrete Ersatzregelung zur Verfügung stellt, ist unwirksam, weil sie die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach § 9 Abs. 1 AGBG , jetzt § 307 Abs. 1 BGB unterläuft und schon deshalb mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren ist.4. Im Anschluss an BGHZ 164, 297 folgt daraus, dass nach Kündigung ein Anspruch auf Zahlung eines Mindestrückkaufswertes besteht.

Normenkette:

VVG § 172 Abs. 2 ; AVB § 5 § 14 Abs. 1 ;

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt vom Beklagten, einem Lebensversicherungsunternehmen, im Wege der Stufenklage Auskunft über den Rückkaufswert einer kapitalbildenden Lebensversicherung ohne Verrechnung mit Abschlusskosten und Zahlung des sich daraus ergebenden Betrages.

Die Klägerin hatte beim Beklagten zum 1. Juni 1998 einen Vertrag über eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht und einer Beitragspflicht bis zum 1. Juni 2019 abgeschlossen. Die in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthielten Bestimmungen über den Rückkaufswert bei Kündigung (§ 5 AVB) und die Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren (§ 14 Abs. 1 AVB). Entsprechende gleichartige Klauseln anderer Lebensversicherer hat der Senat durch zwei Urteile vom 9. Mai 2001 wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt (BGHZ 147, 354 und 373). Die Klägerin kündigte den Vertrag zum 1. Juni 2001. Bis dahin hatte sie 3.751,32 DM (= 1.918,02 EUR) Beiträge eingezahlt. Das Abrechnungsschreiben des Beklagten weist ohne weitere Angaben einen Rückkaufswert von 2.103 DM (= 1.075,25 EUR) aus. Im Februar 2002 hat der Beklagte die unwirksamen Bestimmungen in §§ 5 und 14 Abs. 1 AVB im Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG durch inhaltsgleiche, seiner Meinung nach transparent formulierte Klauseln ersetzt.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe Anspruch auf einen Rückkaufswert ohne Verrechnung mit Abschlusskosten. Zumindest müssten diese wie bei der Riesterrente über einen längeren Zeitraum verteilt werden. Die inhaltsgleiche Klauselersetzung im Treuhänderverfahren sei unwirksam und könne auch nicht Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung sein.

Das Amtsgericht hat die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I. Das Berufungsgericht hält die Klauselersetzung nach § 172 Abs. 2 VVG im Gegensatz zum Amtsgericht für unwirksam, weil der Vertrag im Zeitpunkt der Durchführung des Treuhänderverfahrens bereits gekündigt war. Es gelangt aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu einer inhaltsgleichen Ersetzung der unwirksamen Klauseln und damit zur Zulässigkeit der Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren.

II. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Anwendung des § 172 Abs. 2 VVG sowie zur ergänzenden Vertragsauslegung und seine daraus abgeleiteten Folgen für den Auskunftsanspruch der Klägerin halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Senatsurteile vom 9. Mai 2001 (aaO.) haben dazu geführt, dass die davon betroffenen und andere Lebensversicherer, die gleichartige Klauseln verwendet hatten, diese im Treuhänderverfahren nach § 172 Abs. 2 VVG durch inhaltsgleiche, ihrer Meinung nach nunmehr transparent formulierte Bestimmungen ersetzt haben. Durch Urteil vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ) hat der Senat die im Zusammenhang damit aufgeworfenen und in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantworteten Rechtsfragen entschieden. Er hat im Einzelnen ausgeführt, dass § 172 Abs. 2 VVG auch auf die kapitalbildende Lebensversicherung anwendbar ist, welche Voraussetzungen für die Durchführung des Treuhänderverfahrens gegeben sein müssen und welchen Maßstäben die Klauselersetzung inhaltlich genügen muss.

Der Senat hat die von der dortigen Beklagten mit Zustimmung des Treuhänders vorgenommene Vertragsergänzung durch inhaltsgleiche Bestimmungen für unwirksam erklärt (aaO. S. 312 ff.). Für die Klausel über den Stornoabzug ergibt sich dies bereits nach § 306 Abs. 2 BGB , § 6 Abs. 2 AGBG i.V. mit §§ 174 Abs. 4 , 176 Abs. 4 VVG . Nach den letztgenannten gesetzlichen Vorschriften setzt die Berechtigung zu einem Abzug eine Vereinbarung voraus, an der es bei Unwirksamkeit der Klausel fehlt. Die inhaltsgleiche Ersetzung der unwirksamen Klauseln über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung sowie über die Verrechnung der Abschlusskosten, für die das Gesetz keine konkrete Ersatzregelung zur Verfügung stellt, hat der Senat für unwirksam gehalten, weil sie die gesetzliche Sanktion der Unwirksamkeit nach § 9 Abs. 1 AGBG , jetzt § 307 Abs. 1 BGB unterläuft und schon deshalb mit den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren ist. Insoweit hat der Senat die durch die Unwirksamkeit der ursprünglichen Klauseln entstandene Regelungslücke im Wege der richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen. Danach darf die Rückvergütung bei Kündigung einen Mindestbetrag nicht unterschreiten. Dieser wird bestimmt durch die Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals.

2. Daraus folgt, dass die Klägerin nach Maßgabe des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert hat. Ob - wie der Beklagte im Revisionsverfahren vorträgt - der ausgezahlte Rückkaufswert dem entspricht, wird das Landgericht zu prüfen haben.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 21.10.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 7 S 22/03
Vorinstanz: AG Berlin-Charlottenburg, vom 13.02.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 219 C 195/02
Fundstellen
NJW-RR 2007, 1629