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BGH - Entscheidung vom 16.01.2007

VI ZR 166/06

Normen:
ZPO § 286

Fundstellen:
VersR 2007, 1008

BGH, Beschluß vom 16.01.2007 - Aktenzeichen VI ZR 166/06

DRsp Nr. 2007/4154

Beurteilung eines Sachverhalts aufgrund eigener Sachkunde des Gerichts

1. Die Würdigung eines einfachen Sachverhalts erfordert regelmäßig keine spezielle Sachkunde und wird durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die jeder im Laufe seines Lebens sammelt. Doch muss die eigene Sachkunde des Richters, die die Einholung eines Sachverständigengutachten entbehrlich macht, den Parteien bekannt und im Urteil im Einzelnen dargelegt werden (BGH - VI ZR 158/99 - 21.03.2000).2. Setzt die Würdigung des Sachverhalts eine physikalische Berechnung unter sachkundiger Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls voraus, so übersteigt dies das beim Berufungsgericht gemeinhin zu vermutende Laienwissen.

Normenkette:

ZPO § 286 ;

Gründe:

I. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG .

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft davon abgesehen hat, ein Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einzuholen, dass es unmöglich sei, 3 cm lange Blechschrauben aus der Dachluke in der Scheune des Beklagten auf das Silo des Klägers zu werfen, obwohl der Beklagte den entsprechenden Antrag im Schriftsatz vom 2. Mai 2006 in der Berufung und in der ersten Instanz vom 11. Juli 2005 gestellt hat. Das Berufungsgericht durfte nicht aufgrund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung zu Lasten des Beklagten die gegenteilige Feststellung treffen.

Zwar erfordert die Würdigung eines einfachen Sachverhalts regelmäßig keine spezielle Sachkunde und wird durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die jeder im Laufe seines Lebens sammelt. Doch muss die eigene Sachkunde des Richters, die die Einholung eines Sachverständigengutachtens entbehrlich macht, den Parteien bekannt und im Urteil im Einzelnen dargelegt werden (vgl. Senatsurteile vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984, 985 und vom 13. Oktober 1970 - VI ZR 34/69 - VersR 1971, 129, 130). Schon daran fehlt es im Streitfall. Das Berufungsgericht legt die zur Beurteilung des streitigen Sachverhalts erforderlichen Kenntnisse nicht im Einzelnen dar, sondern verweist ohne weitere Begründung lediglich auf die eigene Sachkunde und Lebenserfahrung. Die Würdigung des vom Kläger behaupteten Sachverhalts wird aber nicht schon durch die Kenntnis allgemeiner Erfahrungssätze ermöglicht, die sich die Richter im Laufe ihres Lebens angeeignet haben mögen. Sie setzt eine physikalische Berechnung unter sachkundiger Berücksichtigung der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls (Gewicht der Schrauben, Entfernung der Giebelluke vom Silo und Wurfmöglichkeiten aus der Luke) voraus. Darauf weist der Beklagte zu Recht hin. Eine solche Berechnung übersteigt das beim Berufungsgericht gemeinhin zu vermutende Laienwissen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Vorinstanz: OLG Nürnberg, vom 18.07.2006 - Vorinstanzaktenzeichen 9 U 165/06
Vorinstanz: LG Nürnberg-Fürth, vom 14.12.2005 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 4689/05
Fundstellen
VersR 2007, 1008