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BGH - Entscheidung vom 25.10.2006

5 StR 370/06

Normen:
StGB § 63

BGH, Beschluß vom 25.10.2006 - Aktenzeichen 5 StR 370/06

DRsp Nr. 2006/28435

Ausführungen im Urteil zur Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten

Wegen der besonders schwerwiegenden Folgen einer Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB ist im Urteil eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens erforderlich.

Normenkette:

StGB § 63 ;

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, Bedrohung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, sowie wegen Beleidigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

Nach den Feststellungen des Landgerichts bedrohte und beleidigte die Angeklagte die Modeschöpferin S. sowie deren Lebensgefährtin im Zeitraum von Oktober 2004 bis März 2005 durch eine Vielzahl von Telefonanrufen. Zwei dieser mit Drohungen verknüpften Telefonate - einmal wendete sich die Angeklagte an eine Zeitungsredakteurin - hat das Landgericht zudem als versuchte Nötigungen gewertet. In Frau S. hatte sich die Angeklagte aus der Ferne in dem Wahn verliebt, diese sei an ihr sexuell interessiert.

In Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen hat das Landgericht bei der Angeklagten eine anhaltende wahnhafte Störung angenommen. Differentialdiagnostisch könne es sich auch um eine paranoide Schizophrenie handeln. Im Rahmen des Krankheitsbildes zeigten sich bei der Angeklagten ein Liebes-, Verfolgungs- und Beziehungswahn. Die Angeklagte leide an Störungen des formalen Gedankenganges und eventuell an akustischen Halluzinationen. Sie habe die Taten in einem Zustand der wachsenden inneren Angst und Bedrängnis gegenüber der von ihr erlebten Verfolgung sowie in einem Zustand zunehmender Aggressivität angesichts der Frustration nicht erwiderter Liebe begangen. "Ihr Denken sei ganz durch ihr Wahnsystem bestimmt worden und sie habe keine Handlungsalternativen mehr gesehen." Mit dem Sachverständigen hat die Kammer aufgrund dieser Diagnose eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung angenommen, eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedoch ohne nähere Begründung ausgeschlossen.

Angesichts dieser Diagnose und der von Wahnerleben geprägten Taten ist ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung nicht tragfähig begründet. Dies muss zur Aufhebung des Urteils führen.

Der neue Tatrichter wird - auch unter Beachtung der Ausführungen in der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft - bei erneuter Prüfung der Voraussetzungen des § 63 StGB naheliegend nicht nur die früheren therapeutischen Interventionen, sondern auch die jüngste Entwicklung der Verhältnisse der Angeklagten hinreichend zu beachten haben. Zudem ist wegen der besonders schwerwiegenden Folgen einer solchen Maßregel eine sorgfältige Auseinandersetzung mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 1992 - 5 StR 203/92).

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 09.05.2006