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BGH - Entscheidung vom 28.09.2005

IV ZR 255/04

Normen:
AVB Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe

BGH, Urteil vom 28.09.2005 - Aktenzeichen IV ZR 255/04

DRsp Nr. 2005/20800

Bindung des Gerichts des Deckungsprozesses an die Erkenntnisses im Haftpflichtprozess

»Wird der Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung (hier: Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Rechtsanwälte) im Haftpflichtprozess zum Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung verurteilt, so ist das Gericht im Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer daran gebunden und kann seiner Entscheidung keinen anderen Haftungsgrund zugrunde legen.«

Normenkette:

AVB Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschafts- und steuerberatenden Berufe;

Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsanwältin. Sie fordert von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und von Angehörigen der wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (AVB-WB, V 90) der Beklagten zugrunde.

1. Mitte 1995 erwarb die spätere Mandantin der Klägerin, U. F., ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück. Bereits die Voreigentümer hatten der Sparkasse S. -R. (im Folgenden: Sparkasse) zur Sicherung von Krediten an dem Grundstück vier Aufbauhypotheken (Grundbuch Abt. III, Ränge 1-4) bestellt. Neben der Sparkasse hielten auch noch eine Reihe weiterer Gläubiger Grundpfandrechte an dem Grundstück. In der Nacht zum 25. Dezember 1995 brannte das Wohnhaus infolge von Brandstiftung vollständig aus.

Gebäudeversicherer des Anwesens war ebenfalls die Beklagte, bei der die Sparkasse im September 1996 ihre Aufbauhypotheken anmeldete.

Im August 1998 wurde die Klägerin von der Grundstückeigentümerin F. mit der Schadensabwicklung beauftragt. Dabei sollten vorrangig alle Grundpfandgläubiger aus den erwarteten Versicherungsleistungen befriedigt werden; restliche Beträge sollte die Mandantin erhalten. Auf deren Vorschlag schloss die Klägerin im Oktober/November 1998 eine Treuhandvereinbarung mit der Sparkasse. Danach sollte die Klägerin die auf die Aufbauhypotheken entfallenden Versicherungsleistungen vom Versicherer ausgezahlt erhalten. Ferner wurde ihr von der Sparkasse eine Löschungsbewilligung für die vier Aufbauhypotheken zur Verfügung gestellt, die Klägerin verpflichtete sich, hiervon erst nach Weiterleitung der im einzelnen aufgeschlüsselten, auf die vier Aufbauhypotheken entfallenden Beträge an die Sparkasse Gebrauch zu machen.

Fortan drängte die Mandantin bei der Beklagten als ihrem Gebäudeversicherer nachdrücklich darauf, die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Haus zu leisten und nach Vorabbefriedigung der Grundpfandgläubiger den verbleibenden Restbetrag auf ihr privates Konto zu überweisen. Die Beklagte sah demgegenüber die besonderen Voraussetzungen für den Ersatz des Neuwertschadens nicht als erfüllt an, veranlasste am 7. Dezember 1998 jedoch die Überweisung von 55.031,94 DM auf das Kanzleikonto der Klägerin. Begleitend übersandte sie der Klägerin ein Fax, aus dem hervorging, dass neben Zahlungen an weitere sieben "Realrechtsgläubiger" die Überweisung des genannten Betrages an die Klägerin veranlasst worden sei und sich dieser aus Beträgen von 9.177,08 DM, 22.500,68 DM, 7.784,56 DM und 15.439,62 DM für die vier Aufbauhypotheken und einer Treuhandgebühr von 130 DM für die Klägerin zusammensetze. Das Schreiben schloss damit, dass weitere Zahlungen - insbesondere direkt an die Mandantin - bis zur Vorlage noch fehlender Nachweise über weitere Restforderungen, Abtretungen und Pfändungen noch nicht erbracht werden könnten.

Am 8. Dezember 1998 wurde der genannte Betrag wie angekündigt dem Konto der Klägerin gutgeschrieben, die Überweisung trug den begleitenden Vermerk "Eheleute F. ". Am selben Tag teilte die Mandantin der Klägerin per Fax mit, sie habe inzwischen dem Versicherer alle noch fehlenden Nachweise sofort übersandt. Die Klägerin solle nunmehr den Versicherer endlich unter Druck setzen, den Restbetrag "vom Neuwertschaden" zu zahlen. Sollte die Klägerin 55.000 DM vom Versicherer erhalten haben, so möge sie diese per Blitzgiro sofort auf das private Konto der Mandantin überweisen. Das Geld werde dringend benötigt. Mit gleichem Ziel wurde die Klägerin in der Folgezeit auch mehrfach telefonisch bedrängt. Dabei behauptete die Mandantin unter anderem, sie habe inzwischen vom Versicherer telefonisch erfahren, dass das an die Klägerin überwiesene Geld ihr zustehe.

Am 11. Dezember 1998 überwies die Klägerin 49.816,16 DM per Blitzgiro auf das private Konto der Mandantin, wobei sie den Rest der 55.031,94 DM auf eigene Honorarforderungen (5.177,78 DM) und die Blitzgiro-Überweisungsgebühr (von 38 DM) verrechnet hatte. Noch am selben Tag wurde der gesamte Betrag dort abgehoben. Seither ist über den Verbleib des Geldes nichts bekannt.

2. Die Sparkasse erfuhr im Frühjahr 1999 von der Fehlleitung der für sie bestimmten 55.031,94 DM. Mit Schreiben vom 27. Mai 1999 forderte sie Aufklärung von der Klägerin und erklärte, dass sie sich Regressansprüche vorbehalte. Daraufhin erstattete die Klägerin am 1. Juni 1999 eine Schadensmeldung an die Beklagte als ihrem Haftpflichtversicherer.

Am 28. September 1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die jetzige Klägerin auf Zahlung von 55.031,94 DM. Zwei Tage später übersandte diese der (jetzigen) Beklagten die Klagschrift des Haftpflichtprozesses.

In erster Instanz wurde die Klage der Sparkasse am 26. Januar 2000 abgewiesen. In zweiter Instanz trat die Beklagte als Gebäudeversicherer im Mai 2000 dem Rechtsstreit auf Seiten der Sparkasse bei. Mit Berufungsurteil vom 26. Oktober 2000 wurde die Klägerin vom Oberlandesgericht zur Zahlung von 54.901,94 DM nebst Zinsen verurteilt, weil in der Fehlleitung des Geldes eine positive Verletzung des Treuhandvertrages liege und die Klägerin bei der gebotenen Sachprüfung habe erkennen können und müssen, dass die Überweisung der 55.031,84 DM gemäß der begleitenden Aufschlüsselung des Versicherers allein für die Sparkasse bestimmt gewesen sei.

3. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin wegen der genannten Verurteilungssumme aus dem Haftpflichtprozess sowie Zinsen, Prozess- und Rechtsvertretungskosten Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 41.326,85 EUR (80.828,29 DM) von der Beklagten als ihrem Haftpflichtversicherer gefordert und daneben die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere noch nicht bezifferbare Schäden zu ersetzen.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei. Es liege schon kein Versicherungsfall vor, weil die Klägerin der Sparkasse die Weiterleitung des Geldes nicht als Schadensersatz, sondern aufgrund des Erfüllungsanspruchs aus dem Treuhandvertrag geschuldet habe. Gehe man dennoch von einem Schadensersatzanspruch der Sparkasse aus, folge die Leistungsfreiheit aus dem Risikoausschluss des § 4 Nr. 5 AVB-WB. Die abredewidrige Weiterleitung des Geldes an die Mandantin sei in wissentlicher Verletzung der Pflichten der Klägerin aus dem Treuhandvertrag geschehen. Schließlich habe die Klägerin gegen ihre Informations- und Schadensminderungsobliegenheiten aus § 5 II Ziff. 3 und 4 und III Ziff. 1 AVB-WB verstoßen, weil sie nach Klagerhebung im Haftpflichtprozess im September 1999 mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Leistungsklage im Übrigen zur Zahlung von 38.594,54 EUR verurteilt und festgestellt, dass sie verpflichtet sei, der Klägerin weitere, noch nicht bezifferbare Schäden aus dem Haftpflichtprozess zu bezahlen. Das Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der beschränkt eingelegten Revision erstrebt die Klägerin lediglich die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, soweit es dem Zahlungsantrag stattgegeben hatte.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt, es liege schon kein Versicherungsfall vor, weil die Zahlungspflicht der Klägerin gegenüber der Sparkasse nicht aus einem Schadensersatzanspruch, sondern aus einem originären Anspruch auf Erfüllung des Treuhandvertrages folge, der vom Versicherungsschutz nicht erfasst werde. Die Klägerin habe im Treuhandvertrag die Verpflichtung übernommen, vom Feuerversicherer wegen der Aufbauhypotheken an sie ausgezahlte Gelder an die Sparkasse weiterzuleiten. Diesen Anspruch habe sie nicht erfüllt. Erfüllungsansprüche fielen nur ausnahmsweise unter den Versicherungsschutz, wenn eine Fehlverfügung des Rechtsanwalts über ein Anderkonto zugrunde liege. Das sei hier aber nicht der Fall, die Klägerin habe das Geld von einem Geschäftskonto ihrer Kanzlei an die Mandantin überwiesen.

Darüber hinaus habe sie auch wissentlich gegen ihre Verpflichtungen aus dem Treuhandvertrag verstoßen. Insoweit greife der Haftungsausschluss nach § 4 Ziff. 5 AVB Vermögen/WB selbst bei Annahme eines Schadensersatzanspruches der Sparkasse gegen die Klägerin. Als Rechtsanwältin habe der Klägerin klar sein müssen, dass Hypothekengläubiger bei Fehlen einer anders lautenden Weisung des leistenden Feuerversicherers vorrangig aus der Versicherungsleistung zu befriedigen seien. Aus dem die Überweisung begleitenden Fax des Versicherers sei eindeutig hervorgegangen, wofür der Geldbetrag von 55.031,94 DM bestimmt gewesen sei. Deshalb habe die Klägerin nicht annehmen können, das Geld sei für die Mandantin bestimmt gewesen. Auch die rechtliche Bedeutung der mit der Sparkasse getroffenen Vereinbarung habe ihr klar sein müssen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Bereits die Annahme, ein Versicherungsfall liege nicht vor, weil die Klägerin der Sparkasse gegenüber nicht aufgrund eines Schadensersatzanspruchs, sondern eines Erfüllungsanspruchs zur Zahlung verpflichtet gewesen sei, erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht dabei die Bindungswirkung des Haftpflichturteils verkannt hat.

a) In der Haftpflichtversicherung gilt das Trennungsprinzip. Das Haftpflichtverhältnis, das zwischen dem geschädigten Dritten und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer besteht, ist von dem Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer zu trennen. Grundsätzlich ist im Haftpflichtprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Dritten gegenüber haftet. Ob der Versicherer dafür eintrittspflichtig ist, wird im Deckungsprozess geklärt (ständige Rechtsprechung: BGHZ 117, 345 , 350; 119, 276, 278 m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103 unter II 2; vom 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01 - VersR 2002, 1141 unter II 1).

b) Notwendige Ergänzung des Trennungsprinzips ist die Bindungswirkung des Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsrechtsstreit. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozess nicht beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat, zu entnehmen (BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 aaO.; BGHZ 119, 276 , 280 f.). Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut überprüft werden können und müssen (BGH, Urteil vom 20. Juni 2001 aaO.; BGHZ 117, 345 , 350; 119, 276, 278 f. m.w.N.). Das Haftpflichturteil entfaltet also im nachfolgenden Deckungsprozess Bindungswirkung jedenfalls insoweit, als es um den Haftungstatbestand geht (BGH aaO.). Dieser umfasst die tatsächlichen Elemente, die der Tatrichter des Haftpflichtprozesses der Haftung des Versicherungsnehmers zugrunde gelegt hat, ferner den dem Versicherungsnehmer anzulastenden Pflichtverstoß. Es ist deshalb im Deckungsprozess nicht mehr möglich, eine andere schadensverursachende Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zugrunde zu legen als dies im Haftpflichtprozess geschehen ist (BGH, Urteile vom 20. Juni 2001 aaO. und vom 17. Juli 2002 aaO.). Anders als die Revisionserwiderung meint, ergibt sich aus der Senatsrechtsprechung zur so genannten Voraussetzungsidentität (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 - IV ZR 126/02 - VersR 2004, 590 unter III 1 und 2) nichts anderes. Denn die Frage nach dem Haftungsgrund erweist sich im Haftpflichtprozess immer als entscheidungserheblich in dem Sinne, dass sie nach dem im Haftpflichtversicherungsvertrag gegebenen Leistungsversprechen für den nachfolgenden Deckungsprozess verbindlich geklärt werden soll.

c) Nachdem im Berufungsurteil des Haftpflichtprozesses eine positive Vertragsverletzung der Klägerin gegenüber der Sparkasse angenommen worden war, war das Gericht im Deckungsprozess daran gerade auch mit Blick auf den angenommenen Haftungsgrund gebunden. Dass auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung solche aus "gesetzlichen Haftungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" im Sinne von § 1 I 1 AVB-WB sind, ist allgemein anerkannt (vgl. dazu Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 1 AVB Vermögen Rdn. 1 mit Hinweis auf § 1 AHB Rdn. 3 ff. und insbes. Rdn. 5 m.w.N.). Für die Annahme, es fehle an einem gesetzlichen Haftpflichtanspruch zur Begründung eines Versicherungsfalls blieb danach kein Raum.

2. Soweit das Berufungsgericht weiter meint, der Anspruch auf Versicherungsleistungen scheitere jedenfalls am Leistungsausschluss aus § 4 Ziff. 5 AVB-WB, da die Klägerin den Schaden durch eine wissentliche Pflichtverletzung verursacht habe, ist dies ebenfalls nicht rechtsfehlerfrei begründet.

a) Allerdings steht die Bindungswirkung des Haftpflichturteils dieser Annahme nicht entgegen.

Zwar ist der Klägerin dort nur angelastet worden, sie habe sich dem Drängen ihrer Mandantin entziehen und bei gebotener Sachprüfung die wahre Zweckbestimmung des an sie überwiesenen Geldes erkennen, notfalls Rückfrage beim Feuerversicherer und der Sparkasse halten müssen. Damit ist lediglich der Vorwurf einfacher, unbewusster Fahrlässigkeit erhoben. Das genügte aber auch für den Haftpflichtprozess, denn ein Verschulden im Sinne von § 276 BGB - als Voraussetzung für die Haftung aus positiver Vertragsverletzung - setzte nicht die Feststellung voraus, die Klägerin sei sich der Pflichtwidrigkeit ihres Handelns bewusst gewesen (dazu, dass Vorsatz und Fahrlässigkeit einerseits und wissentliche Pflichtverletzung andererseits sich nicht decken, vgl. auch Späth, VersR 2000, 825, 826). Die Bindungswirkung reicht aber nur so weit, wie eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage zu einzelnen Anspruchsvoraussetzungen sich auch im Haftpflichtprozess als entscheidungserheblich erweist (BGH, Urteil vom 18. Februar 2004 - IV ZR 126/02 - VersR 2004, 590 unter III 1 und 2; OLG Hamm NJW-RR 2002, 1185 , 1186). Die Frage nach einer wissentlichen Pflichtverletzung war für den Haftpflichtprozess nicht entscheidungserheblich, weil dort Fahrlässigkeit zur Haftungsbegründung ausreichte.

b) Eine wissentliche Pflichtverletzung, wie sie der Risikoausschluss des § 4 Ziff. 5 AVB-WB voraussetzt, hat das Berufungsgericht aber nicht rechtsfehlerfrei dargelegt.

Wissentlich handelt nur derjenige Versicherte, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Bedingter Vorsatz, bei dem er die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat (BGH, Urteile vom 26. September 1990 - IV ZR 147/89 - VersR 1991, 176 unter 4 b, zu § 4 Nr. 6 S. 1 AVB-WB; vom 5. März 1986 - IVa ZR 179/84 - VersR 1986, 647 unter 2 b, zu § 4 Nr. 5 AVB Vermögen).

Eine solche Feststellung hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es erörtert nicht, inwieweit die Klägerin ihre vom Tatrichter des Haftpflichtprozesses erst durch eine umfangreiche Auslegung des Treuhandvertrages ermittelten mehrseitigen Verpflichtungen gegenüber der Mandantin, der Sparkasse und dem Versicherer wirklich überblickt hat. Es setzt sich weder mit der seinerzeit offensichtlichen beruflichen Unerfahrenheit der Klägerin noch mit der nahe liegenden Frage auseinander, welches Motiv sie gehabt haben sollte, wissentlich gegen die Verpflichtung zu verstoßen, das erhaltene Geld an die Sparkasse weiterzuleiten. Stattdessen wird der Klägerin lediglich angelastet, als Rechtsanwältin habe ihr die rechtliche Bedeutung der getroffenen Vereinbarungen klar sein müssen und sie habe angesichts des klaren Inhalts des die Überweisung erläuternden Faxes des Versicherers auch nicht annehmen können, das erhaltene Geld sei für die Mandantin bestimmt. Damit ist indes nur der Vorwurf - möglicherweise auch grober - Fahrlässigkeit begründet, nicht aber positiv festgestellt, dass die Klägerin ihre Verpflichtungslage zutreffend erkannt und sich bewusst darüber hinweggesetzt hat.

Auch im übrigen ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lückenhaft, denn mit den Behauptungen der Klägerin, die Mandantin habe ihr gegenüber geäußert, der Versicherer sei inzwischen damit einverstanden, dass das Geld an sie weitergeleitet werde, sie sei davon irritiert gewesen, dass die Überweisung den Vermerk "Ehepaar F." getragen habe und ein Mitarbeiter der Beklagten ihr gegenüber telefonisch geäußert habe, die Mandantin und ihr Ehemann hätten noch circa 50.000 DM zu bekommen, setzt sie sich nicht ausreichend auseinander.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderem Grunde als richtig. Denn anders als die Beklagte meint, ist sie auch nicht infolge einer Verletzung von Informationsobliegenheiten aus § 5 AVB-WB leistungsfrei.

a) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Klägerin ihre Obliegenheit zur Anzeige der Anspruchserhebung durch die geschädigte Sparkasse binnen einer Woche (§ 5 II Ziff. 3 AVB-WB) verletzt hat. Denn erstmals mit Schreiben vom 27. Mai 1999 hat die Sparkasse darauf hingewiesen, dass sie sich Regressansprüche gegen die Klägerin vorbehalte. Schon unter dem 1. Juni 1999 - und damit unverzüglich - schrieb die Klägerin eine Schadensmeldung an die Beklagte. Dass diese nicht binnen einer Woche bei der Beklagten vorgelegen hätte, ist nicht vorgetragen. Insoweit kann offen bleiben, ob das Schreiben der Sparkasse schon ein ernstliches Geltendmachen des Haftpflichtanspruchs enthielt.

b) Ebenso wenig ist dargelegt, dass die Klägerin ihre Obliegenheit, unverzüglich die Klageerhebung gegen sie dem Versicherer zu melden (§ 5 II Ziff. 4 AVB-WB), verletzt hätte. Am 28. September 1999 erhob die Sparkasse Klage gegen die damals beklagte jetzige Klägerin. Mit Schreiben vom 30. September 1999 übersandte die Klägerin diese Klagschrift der Beklagten.

c) Die Beklagte meint, die Klägerin habe gegen die Obliegenheit aus § 5 III Ziff. 1 AVB-WB verstoßen, den Versicherer umfassend über den Schadensfall zu informieren, weil sie nach der Klagerhebung im Haftpflichtprozess mehr als ein Jahr lang keine Informationen über den weiteren Gang des Rechtsstreits an die Beklagte weitergeleitet habe. Auch damit kann die Beklagte jedoch keinen Erfolg haben.

Eine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Verletzung von Informationsobliegenheiten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die bei der Beklagten für die Haftpflichtversicherung zuständigen Mitarbeiter allen Anlass hatten, das bei der Gebäudeversicherung angefallene Wissen über den Fortgang des Haftpflichtprozesses zu erfragen, so dass die von der Beklagten als Gebäudeversicherer erlangten Kenntnisse ihr auch im Rahmen des Haftpflichtversicherungsverhältnisses zuzurechnen sind und ein darüber hinausgehender Informationsbedarf hier nicht mehr gegeben war.

aa) Die Frage der wechselseitigen Wissenszurechnung hat den Senat bisher nur für konzernverbundene Unternehmen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1989 - IVa ZR 177/88 - VersR 1990, 258 unter 3) und für Unternehmen entschieden, die in einem Datenverbund eine gemeinsame Datensammlung unterhielten (BGHZ 123, 224 ff.). Er hat ausgesprochen, dass in diesen Fällen eine Wissenszurechnung der Unternehmen untereinander grundsätzlich nicht erfolgt, anderes aber dann gilt, wenn der Versicherer aufgrund von Angaben des Versicherungsnehmers einen konkreten Anlass hat, auf die ihm zugänglichen Daten des anderen Versicherers oder der gemeinsamen Datensammlung zuzugreifen (Urteil vom 13. Dezember 1989 aaO.; BGHZ aaO. S. 229).

bb) Diese Grundsätze lassen sich erst recht auf den vorliegenden Fall übertragen, in dem die Beklagte als Gebäudeversicherer und als Haftpflichtversicherer tätig geworden ist. Für die Beklagte als Haftpflichtversicherer bestand schon seit der Schadensmeldung der Klägerin im Juni 1999 Anlass dazu, sich mit den für die Gebäudeversicherung zuständigen Mitarbeitern ins Benehmen zu setzen, um künftig die eingehenden Informationen auszutauschen. Denn schon der Schadensmeldung der Klägerin lag in Kopie das Schreiben der geschädigten Sparkasse vom 27. Mai 1999 bei, aus dem hervorging, dass es um eine Fehlleitung einer Zahlung aus der Gebäudeversicherung durch die Klägerin ging, die Beklagte von der möglichen Pflichtverletzung der Klägerin also jedenfalls mittelbar mit betroffen war. Ein aufmerksamer Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung hätte aufgrund dieses Hinweises schon zu einem frühen Zeitpunkt erkennen können und müssen, dass der Gang der Auseinandersetzung um die Fehlleitung der Versicherungsleistung in der Gebäudeversicherung für den Versicherungsfall in der Haftpflichtversicherung von Bedeutung war.

Erst recht bestand Anlass, auf das vorhandene Wissen zuzugreifen, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 30. September 1999 der Beklagten die Klagschrift des Haftpflichtprozesses übersandt hatte, aus der die Rolle der Beklagten als Gebäudeversicherer in allen Einzelheiten hervorging.

4. Die Sache bedarf zur Prüfung einer wissentlichen Pflichtverletzung im Sinne von § 4 Ziff. 5 AVB-WB neuer tatrichterlicher Verhandlung. Sie war deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Vorinstanz: OLG München, vom 30.03.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 25 U 4131/03
Vorinstanz: LG Passau, vom 24.07.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 793/02