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BGH - Entscheidung vom 22.09.2005

3 StR 219/05

Normen:
StPO § 261

BGH, Urteil vom 22.09.2005 - Aktenzeichen 3 StR 219/05

DRsp Nr. 2005/19031

Auseinandersetzung mit polizeilicher Aussage des Beschuldigten

Auch bei einem Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen hat, kann es geboten sein, sich in der Urteilsgründen mit seinen polizeilichen Aussagen auseinanderzusetzen.

Normenkette:

StPO § 261 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und ihn vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte - vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretene - Revision der Staatsanwaltschaft, die wegen des untrennbaren Zusammenhangs des angeklagten Lebenssachverhalts das gesamte Urteil erfasst, erhebt die Sachrüge und beanstandet im Einzelnen die Beweiswürdigung. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt.

1. Mit der unverändert zugelassenen Anklage war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, zunächst durch die Herbeiführung eines Treppensturzes aus Habgier versucht zu haben, seine Frau zu töten, und diese dann - unmittelbar nachdem der Tötungsversuch fehlgeschlagen war - aus Habgier und um den vorangegangenen Stoß zu verdecken, erwürgt zu haben. Vom Vorwurf des versuchten Mordes durch das einen Treppensturz bewirkende Stoßen seiner Ehefrau hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen; wegen ihres nachfolgenden Erwürgens hat es ihn verurteilt.

Die Urteilsfeststellungen des Landgerichts beruhen auf der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die inhaltlich seinen Angaben bei der ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 17. Juni 2004 entsprach. Danach sei seine Ehefrau im Anschluss an einen Streit, der mit Tätlichkeiten des Angeklagten geendet hatte, ohne dessen Zutun auf der Kellertreppe ausgerutscht oder gestolpert. Nachdem er ein Poltern und einen Aufschrei gehört gehabt habe, sei der Angeklagte seiner Ehefrau in den Keller gefolgt. Dort sei es erneut zum Streit gekommen, worauf der Angeklagte zunächst auf diese eingeschlagen habe. Sodann habe er sich zur Tötung entschlossen und habe sie erwürgt.

Die vom Angeklagten bei seiner weiteren polizeilichen Vernehmung vom 18. Juni 2004 gemachten Angaben, er habe - um das Geld aus einer Lebensversicherung seiner Frau ausgezahlt zu bekommen und seine Kinder zu behalten - dieser einen "Schubs" gegeben, damit sie die Kellertreppe hinunterfallen und sich das Genick brechen sollte und sei - nachdem sie den Sturz ohne nennenswerte Verletzungen überstanden und ihn wüst beschimpft habe - aus Angst, wegen des Stoßes bestraft zu werden und dadurch alles zu verlieren - in den Keller gegangen, habe auf seine Frau eingeschlagen und sie erwürgt, sah die Schwurgerichtskammer nicht als wahr an. Der Angeklagte habe den Wechsel seiner Einlassung plausibel damit erklärt, er hätte bei der zweiten Vernehmung nicht die Kraft gehabt, den Vorhalten des vernehmenden Polizeibeamten zu widersprechen. Hinzu komme, dass sich objektive Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Aussage nicht ergeben hätten.

2. Die Beweiswürdigung des Urteils hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie lückenhaft ist. Sie lässt insbesondere eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Vernehmung vom 8. Juni 2004 vermissen.

Mit diesen Angaben setzt sich das Landgericht nur insoweit auseinander, als der Angeklagte sich dahin eingelassen hat, aus finanziellen Gründen gehandelt zu haben. Auf die weiteren von ihm geäußerten Beweggründe, er habe seine Ehefrau töten wollen, um seine Kinder behalten zu können und sie aus Angst getötet, wegen des Stoßes bestraft zu werden, ist das Landgericht nicht eingegangen. Insbesondere hat es sich nicht dazu verhalten, ob sich der Angeklagte zu diesen Angaben ebenfalls durch entsprechende polizeiliche Vorhalte gedrängt gesehen hat. Dies ist unter den gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft. Im Übrigen hat das Landgericht nicht bedacht, dass die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen zu den Verletzungen des Opfers der Darstellung des Angeklagten vom Ablauf des Sturzes seiner Ehefrau auf der Kellertreppe in der Vernehmung vom 18. Juni 2004 nicht entgegenstehen.

Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils, somit auch des Teilfreispruchs. Denn nach Sachlage erscheint es möglich, dass der neue Tatrichter bei Feststellung eines durchgängig gegebenen, beide Handlungsteile umfassenden Tötungsvorsatzes, wie es der polizeilichen Einlassung des Angeklagten vom 18. Juni 2004 entspricht, zur Annahme einer einheitlichen Tat im Rechtssinne gelangt (vgl. BGH NStZ 2001, 315 ).

Vorinstanz: LG Verden, vom 22.12.2004