Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BFH - Entscheidung vom 28.07.2005

III R 59/04

Normen:
InvZulG (1999) § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

Fundstellen:
BB 2005, 2286
BB 2006, 816
BFH/NV 2005, 2131
BFHE 210, 563
BStBl II 2006, 272
DB 2005, 2391
DStRE 2005, 1338
ZEV 2006, 38
ZfIR 2005, 832

BFH, Urteil vom 28.07.2005 - Aktenzeichen III R 59/04

DRsp Nr. 2005/17261

Zulagenberechtigung eines Nießbrauchers für Erhaltungsarbeiten; Festhalten an der BFH-Rechtsprechung

»Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung im Urteil vom 5. September 2002 III R 37/01 (BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 ) fest, dass ein Nießbraucher, der Erhaltungsarbeiten an einem Gebäude auf eigene Rechnung und Gefahr durchführt, Anspruch auf eine Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 haben kann, unabhängig davon, ob er ausnahmsweise als wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes zu beurteilen ist.«

Normenkette:

InvZulG (1999) § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ;

Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) übertrug mit notarieller Urkunde vom 27. Dezember 1995 das Eigentum an zwei Mietwohngrundstücken im Fördergebiet unentgeltlich auf seine drei Söhne, behielt sich aber insgesamt ein unentgeltliches lebenslängliches Nießbrauchsrecht vor.

Nach Abschn. IV.A. des Vertrages hat der Kläger abweichend von §§ 1041 , 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ( BGB ) auch Ausbesserungen und Erneuerungen, die nicht zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören, zu zahlen und etwaige (auf dem Stammwert der Sache ruhende) außerordentliche Lasten zu tragen.

Nach Abschn. IV.B. des Vertrages ist der Kläger berechtigt, die unentgeltliche Rückübertragung des Grundbesitzes auf sich bzw. die Weiterübertragung auf seine Ehefrau zu verlangen, wenn der betreffende Erwerber vor dem Tode des Längerlebenden verstorben ist, der betreffende Erwerber den Grundbesitz ohne Zustimmung des Klägers bzw. dessen Ehefrau veräußert oder belastet, Antrag auf Scheidung einer Ehe des betreffenden Erwerbers gestellt wird, ein Gläubiger des betreffenden Erwerbers die Zwangsvollstreckung betreibt oder über das Vermögen des betreffenden Erwerbers das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird.

Der Kläger bezahlte für Erhaltungsarbeiten an den vor dem 1. Januar 1991 fertiggestellten Wohngebäuden im Streitjahr 1999 105 599 DM und im Streitjahr 2000 144 963 DM. Hierfür beantragte er gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes ( InvZulG ) 1999 Investitionszulage.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulagen für beide Jahre auf 0 DM fest, weil der Kläger mangels zivilrechtlichen, mindestens aber wirtschaftlichen Eigentums nicht anspruchsberechtigt sei.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 5. September 2002 III R 37/01 (BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 ) statt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 810 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999). Es trägt vor:

Anspruchsberechtigt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 sei der Investor nur, wenn er zivilrechtlicher, mindestens aber wirtschaftlicher Eigentümer der Gebäude sei, an denen die Erhaltungsarbeiten durchgeführt worden seien.

§ 3 InvZulG 1999 sei an die Stelle der Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz ( FördG ) getreten, ohne die Fördertatbestände zu erweitern. Diese Abschreibungen nach dem FördG hätten aber mindestens wirtschaftliches Eigentum vorausgesetzt. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum InvZulG 1999 seien die Anspruchsberechtigten um steuerbefreite Vermietungsgenossenschaften und die geförderten Maßnahmen um Erhaltungsarbeiten erweitert worden. Jedoch sei die Förderung nicht auf Nichteigentümer ausgedehnt worden. Der Nießbraucher sei kein wirtschaftlicher Eigentümer. Die Erhaltungsaufwendungen seien wegen des großen Sanierungsbedarfs in den neuen Bundesländern in die Förderung einbezogen worden. Außerdem habe die schwierige Abgrenzung zu nachträglichen Herstellungsarbeiten im Einzelfall vermieden werden sollen.

Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) tätige der aufgrund eines Nießbrauchs Nutzungsberechtigte Erhaltungsaufwendungen auf sein Nutzungsrecht, nicht jedoch auf das ihm zur Nutzung überlassene Gebäude. Damit fehle es auch an einer begünstigten Maßnahme.

Die Fördertatbestände in § 2 und § 4 InvZulG 1999 setzten mindestens wirtschaftliches Eigentum an dem begünstigten Objekt voraus. Dies müsse entsprechend dem gesetzgeberischen Willen auch für § 3 InvZulG 1999 gelten. Sei auch der Nutzungsberechtigte begünstigt, so werde der Mieter für Erhaltungsarbeiten höher begünstigt als ein Eigentümer einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung nach § 4 InvZulG 1999. Ein Mieter hätte überdies die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen über den vorgeschriebenen fünfjährigen Nutzungszeitraum nicht in der Hand und könnte dies auch nicht aus eigenem Recht sicherstellen. Dies könne nicht vom Gesetz gewollt sein.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es stellt keinen Antrag.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG hat zu Recht dem Kläger eine Investitionszulage auf die von ihm getragenen Erhaltungsaufwendungen in den Jahren 1999 und 2000 zugebilligt.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 haben Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes ( EStG ), die im Fördergebiet begünstigte Investitionen nach den §§ 2 bis 4 InvZulG 1999 vornehmen, Anspruch auf Investitionszulage.

Begünstigte Investitionen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 sind Erhaltungsarbeiten an Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1991 fertiggestellt worden sind, soweit die Gebäude mindestens fünf Jahre nach Beendigung der Erhaltungsarbeiten der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken dienen.

2. Nach dem Urteil des Senats in BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 setzt der Anspruch auf Investitionszulage nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 nicht voraus, dass der Anspruchsberechtigte zivilrechtlicher und/oder wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ist, an dem er die Erhaltungsarbeiten vorgenommen hat. Das FG brauchte daher im Streitfall nicht darüber zu entscheiden, ob der Kläger aufgrund seines Vorbehaltsnießbrauchs ausnahmsweise als wirtschaftlicher Eigentümer zu beurteilen ist.

Der Senat hält an den in diesem Urteil entwickelten Grundsätzen ungeachtet des Nichtanwendungserlasses des BMF vom 19. September 2003 (BStBl I 2003, 454) fest.

Mit den Einwendungen des FA und des BMF hat sich der Senat in dieser Entscheidung im Wesentlichen bereits auseinander gesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils verwiesen.

Der Entscheidung ist sowohl von den FG als auch im Schrifttum zugestimmt worden (vgl. Urteil des FG Nürnberg vom 19. Februar 2004 IV 453/2001, BFH-Report 2004, 35; im Ergebnis auch Urteil des FG Thüringen vom 24. November 2004 I 565/01, EFG 2005, 727 ; Greite, Finanz-Rundschau 2003, 259; Schallmoser, Kommentierte Finanzrechtsprechung --KFR-- F. 13 InvZulG § 3 , 1/03, S. 189; Wechselmann, Betrieb und Wirtschaft --BuW-- 2003, 330; Ludolph, D-spezial 2003 Nr. 51/52, S. 1; Masuch ABC der Investitionszulage, 3. Aufl., S. 434 "Anspruchsberechtigter", S. 468 "Nießbraucher"; Rosarius in Jasper/Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung Handbuch, F. 4, § 3 InvZulG 1999 Rz. 35; einschränkend Stuhrmann in Blümich, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 3 InvZulG 1999, Rz. 24).

Die weiteren vom FA und vom BMF angeführten Gründe für die Absicht des Gesetzgebers, nur Erhaltungsmaßnahmen an einem Gebäude des zivilrechtlichen und/oder wirtschaftlichen Eigentümers fördern zu wollen, veranlassen den Senat nicht, seine bisherige Rechtsansicht zu ändern.

Das BMF verweist für seine Auffassung auf das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des InvZulG 1999. Im Zuge der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des InvZulG 1999 hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgeschlagen, in § 3 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1999 nach den Wörtern "Erhaltungsarbeiten an" das Wort "eigenen" einzufügen. Dadurch sollte verdeutlicht werden, dass nur der bürgerlich-rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes anspruchsberechtigt sein sollte (BTDrucks 14/3273, S. 7).

Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung eine Prüfung des Vorschlags zugesichert, jedoch Bedenken geäußert, weil der vorgeschlagenen Regelung das Risiko eines Umkehrschlusses im Hinblick auf die Rechtslage vor einer solchen Änderung in sich berge (BTDrucks 14/3273, S. 9). Offenbar wegen dieser Bedenken wurde dem Änderungsvorschlag nicht entsprochen.

Entgegen der Auffassung des BMF lässt sich aus dem Änderungsvorschlag des Bundesrates nicht eindeutig schließen, der Gesetzgeber habe die Investitionszulage für Erhaltungsarbeiten an einem Gebäude von dem zivilrechtlichen und/oder wirtschaftlichen Eigentum an dem Gebäude abhängig machen wollen. Jedenfalls ist eine solche Absicht --wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 200, 168, BStBl II 2003, 772 ausgeführt hat-- im Gesetzeswortlaut nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen. Auch der Normzweck und die Systematik des Gesetzes erfordern keine Auslegung, dass nur der Eigentümer Anspruch auf die Förderung von Erhaltungsmaßnahmen an Gebäuden hat.

Wegen der Umstellung des Fördersystems von der Förderung durch Sonderabschreibungen zur Förderung durch eine Investitionszulage kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung gleich geblieben sind. Auch der IX. Senat hat in seinem Beschluss vom 24. September 2003 IX B 95/03 (BFH/NV 2004, 44 ) auf die systematischen Unterschiede zwischen der Förderung nach dem FördG und der Förderung nach dem InvZulG hingewiesen. Da die begünstigten Maßnahmen nach dem FördG durch --die normalen Absetzungen für Abnutzung übersteigende-- Sonderabschreibungen gefördert würden, werde die Förderung anders als im Investitionszulagenrecht in die jeweilige Einkunftsart eingeordnet und von deren Voraussetzungen abhängig gemacht. In der Regel sei daher nur der wirtschaftliche Eigentümer des Gebäudes, nicht aber der Nießbraucher zu Sonderabschreibungen berechtigt.

FA und BMF wenden ferner ein, wenn man der Auslegung des Senats folge, wären auch Mieter anspruchsberechtigt, was zu dem Ergebnis führe, dass Mieter investitionszulagenrechtlich besser gestellt würden als Eigentümer einer eigengenutzten Wohnung, deren Erhaltungsaufwendungen im Zeitraum 1999 bis 2001 nur bis zu einer Höhe von 40 000 DM förderbar gewesen seien.

Ob auch der Mieter für die Modernisierung seiner Wohnung Anspruch auf eine Investitionszulage hat, ist aber zumindest zweifelhaft (vgl. auch Ludolph, D-spezial 2003, Nr. 51/52, S. 1, 2). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1999 setzt die Förderung voraus, dass das Gebäude fünf Jahre nach Beendigung der Erhaltungsarbeiten "der entgeltlichen Überlassung zu Wohnzwecken" dient. Bezogen auf den investierenden Mieter dient das Gebäude aber der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und nicht der Überlassung zu entgeltlichen Wohnzwecken. Ob daran die Förderung scheitert, braucht der Senat im Streitfall aber nicht zu entscheiden. Jedenfalls würden auch Erhaltungsmaßnahmen des Mieters dem Zweck des InvZulG dienen, die Sanierung und Modernisierung des Altbaubestands zu fördern.

Das BMF bringt ferner vor, wenn der Gesetzgeber neben dem Eigentümer auch Nichteigentümer hätte fördern wollen, wären weitere Regelungen erforderlich gewesen, wie in Konkurrenzfällen der objektbezogene Förderhöchstbetrag oder der objektbezogene Selbstbehalt aufzuteilen oder zumindest zu überwachen sei. Eine solche Regelung ist nicht unbedingt erforderlich. Doppelförderungen lassen sich auch durch Auslegung der Vorschrift vermeiden. Zudem zeigen die mehrfachen Änderungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 ff. InvZulG 1999, dass die Vermeidung von Mehrfachbegünstigungen bei den anderen Fördertatbeständen des § 3 Abs. 1 InvZulG 1999 nicht von vornherein lückenlos geregelt war (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Mai 2004 III B 127/03, BFH/NV 2005, 382 ).

3. Das Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere auch der Bemessungsgrundlagen, ist von den Verfahrensbeteiligten --wie bereits im finanzgerichtlichen Verfahren-- nicht in Zweifel gezogen worden.

Vorinstanz: FG München, vom 18.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 3692/04
Fundstellen
BB 2005, 2286
BB 2006, 816
BFH/NV 2005, 2131
BFHE 210, 563
BStBl II 2006, 272
DB 2005, 2391
DStRE 2005, 1338
ZEV 2006, 38
ZfIR 2005, 832