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BFH - Entscheidung vom 13.10.2005

VII S 13/04 (PKH)

Normen:
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114

Fundstellen:
BFH/NV 2006, 628

BFH, Beschluss vom 13.10.2005 - Aktenzeichen VII S 13/04 (PKH)

DRsp Nr. 2006/597

PKH: keine Erfolgsaussicht trotz Zulassung der Revision

Die hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Revision als Voraussetzung für die Gewährung von PKH folgt nicht allein daraus, dass das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat. Denn dieser Zulassungsgrund enthält keine Aussage darüber, ob das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur darüber, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht.

Normenkette:

FGO § 142 Abs. 1 ; ZPO § 114 ;

Gründe:

I. Der Antragsteller, Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), mit dem seine Klage gegen einen vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) erlassenen Steuerbescheid über Einfuhrabgaben abgewiesen worden ist.

Kurze Zeit vor dem ... 1999 verabredete der Kläger mit einem anderen Tatbeteiligten, eine Schmuggelfahrt mit zu organisieren, mit der eine größere Anzahl Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden sollte. Dabei sagte der Kläger zu, bei dem Abladen der Zigaretten zu helfen, wofür er 500 DM erhalten sollte.

Entsprechend der vorangegangenen Absprache begab sich der Kläger am ... 1999 zu der Werkstatthalle des J in R, wo die Zigaretten entladen und an Abnehmer zur weiteren Verteilung übergeben werden sollten. Ungefähr zur gleichen Zeit traf dort auch der LKW-Fahrer G mit einem Lastzug ein, mit dem er von Polen kommend über das Zollamt C in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist war. Hinter einer Tarnladung aus Sägespänen waren in dem Lastzug 4 000 000 Stück unverzollte und unversteuerte Zigaretten verladen, die G nicht zur Einfuhr angemeldet hatte.

Kurz nach Beginn der Entladung wurden der Kläger, G und J von Beamten des Zollfahndungsdienstes festgenommen, die das Geschehen in der Halle durch ein Fenster von außen verfolgt hatten. Die Zigaretten wurden beschlagnahmt und im weiteren Verlauf des Strafverfahrens eingezogen.

Wegen dieses Geschehens verurteilte das Amtsgericht (AG) den Kläger wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte.

Mit Steuerbescheid vom ... setzte das HZA gegen den Kläger gesamtschuldnerisch neben G und J Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) fest. In der Einspruchsentscheidung vom ... erläuterte das HZA ergänzend, dass es alle namentlich bekannten Abgabenschuldner wegen ihres gleichgewichtigen und arbeitsteiligen Vorgehens als Gesamtschuldner in Anspruch nehme.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hielt den Steuerbescheid für rechtmäßig. Die festgesetzten Einfuhrabgaben seien entstanden, weil die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Nach Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich des Zollkodex (ZK) sei der Kläger auch Abgabenschuldner, weil er dadurch am Verbringen der Zigaretten beteiligt gewesen sei, dass er sich bereit erklärt habe, beim Entladen der Schmuggelwaren zu helfen und planmäßig zum Abladen der Zigaretten in der Werkstatt des J erschienen sei. Außerdem habe das AG den Kläger wegen der gemeinsamen Organisation und Durchführung der Schmuggelfahrt sogar als Täter einer Steuerhinterziehung angesehen, so dass sein Verhalten steuerrechtlich mindestens als Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen gewertet werden müsse. Die Abgabenschuld sei auch nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen, weil zum Zeitpunkt des Eingreifens und der Beschlagnahme der Waren durch die Zollfahndungsbeamten das vorschriftswidrige Verbringen bereits beendet gewesen sei. Aus einer Gesamtschau der Art. 202 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 bis 41 und 177 2. Anstrich ZK ergebe sich, dass der Vorgang des Verbringens allenfalls das Geschehen bis zum Zeitpunkt und Ort einer ordnungsgemäßen Gestellung umfasse. Eine Beschlagnahme, die erst erfolge, nachdem die Waren die "Ausgangsgrenze" des Amtsplatzes der nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle passiert haben, führe folglich nicht mehr zum Erlöschen der Zollschuld.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Entgegen der Ansicht des FG sei bei der Beschlagnahme der Waren das vorschriftswidrige Verbringen der Zigaretten noch nicht beendet gewesen. Die Auslegung des Art. 233 Buchst. d ZK müsse den Wirtschaftszollgedanken berücksichtigen, nach dem Zoll grundsätzlich nur für Waren erhoben werden solle, die auch tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft eingingen. Einfuhrschmuggel, d.h. das vorschriftswidrige Verbringen von Waren, sei als einheitlicher Lebensvorgang zu begreifen, der erst dann beendet sei, wenn die Ware Eingang in den Wirtschaftskreislauf gefunden habe bzw. zur Ruhe gekommen sei. Dies sei nicht der Fall, solange die Beförderung der Ware im Anschluss an das Überschreiten der Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft noch andauere. Hiervon sei im Streitfall auszugehen, weil die Beschlagnahme noch bei der Entladung erfolgt sei. Dafür, dass das vorschriftswidrige Verbringen im Zeitpunkt der Beschlagnahme noch nicht beendet gewesen sei, spreche auch, dass noch eine strafrechtlich relevante Beteiligung an dem vorschriftswidrigen Verbringen möglich gewesen sei. Außerdem dürfe es nicht vom Zeitpunkt des Zugriffs und damit von einsatztaktischen Erwägungen der Zollfahndungsbeamten abhängen, ob eine Beschlagnahme der Waren zu einem Erlöschen der Zollschuld führe. Die Ansicht des FG führe im Ergebnis dazu, dass die Zollschuld lediglich aufgrund einer Pflichtverletzung entstanden sei. Sie habe im Streitfall die Wirkung einer Sanktion oder Strafe, die selbständig neben die gegen den Kläger verhängte Kriminalstrafe träte. Darin liege eine unzulässige Doppelbestrafung und eine Verletzung europäisch verbürgter Grundrechte.

II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung ).

Der Senat hält nach der im PKH-Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung einen Erfolg der mit der Revision angestrebten Rechtsverfolgung für unwahrscheinlich. Er geht davon aus, dass sich der gegen den Kläger ergangene Steuerbescheid des HZA im Revisionsverfahren als rechtmäßig erweisen wird und dass die Revision des Klägers jedenfalls im Ergebnis keinen Erfolg haben wird.

1. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht nicht bereits deshalb, weil das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat. Denn dieser Zulassungsgrund enthält keine Aussage darüber, ob das Rechtsmittel erfolgreich sein wird, sondern nur darüber, dass ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Januar 1988 IV S 8/86, BFH/NV 1988, 730; vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692 ).

2. Bei der Prüfung, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung zum Erfolg führt, muss berücksichtigt werden, dass der Zweck der PKH darin besteht, eine möglichst weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes zu gewährleisten, um damit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ( GG ) und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) Rechnung zu tragen. Es dürfen deshalb bei der Prüfung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels keine allzu großen Anforderungen gestellt werden, insbesondere dürfen im PKH-Verfahren keine schwierigen bisher nicht hinreichend geklärten Rechts- und Tatsachenfragen entschieden werden, deren Entscheidung grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. März 1990 2 BvR 94, 802, 887, 997, 1094, 1158, 1247, 1274, 1439, 1513/88, BVerfGE 81, 347 , und vom 7. April 2000 1 BvR 81/00, Neue Juristische Wochenschrift 2000, 1936 ).

3. Solche schwierigen Rechtsfragen sind jedoch in dem Revisionsverfahren, für das der Kläger die Gewährung von PKH begehrt, nicht zu klären.

a) Es ist unstreitig, dass für die insgesamt 4 000 000 Stück Zigaretten eine Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden ist und dass Entsprechendes nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 des Umsatzsteuergesetzes ( UStG ) für die Umsatzsteuer und nach § 21 des Tabaksteuergesetzes ( TabStG ) für die Tabaksteuer gilt. Die Zigaretten wurden vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, weil sie entgegen Art. 38 Abs. 1 Buchst. a, Art. 40 ZK der Zollbehörde nicht gestellt worden sind. Da die Zigaretten hinter einer Tarnladung versteckt waren, wäre für eine ordnungsgemäße Gestellung im Streitfall eine ausdrückliche Mitteilung an die Zollbehörde erforderlich gewesen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 4. März 2004 Rs. C-238/02 und C-246/02 --Viluckas/Jonusas--, EuGHE 2004, I-2141 Rn. 24; BFH-Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 38/01, BFHE 207, 81; auch § 8 Satz 2 der Zollverordnung), die nicht erfolgt ist.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers sind Zoll- und Umsatzsteuer auch nicht nach Art. 233 Buchst. d ZK erloschen. Ein Erlöschen der Tabaksteuer durch Beschlagnahme und Einziehung ist ohnehin nicht vorgesehen, weil § 21 TabStG diesen Erlöschensgrund von seinem Verweis auf zollrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausnimmt.

aa) Der Senat muss im Revisionsverfahren nicht entscheiden, ob die gut begründete Ansicht des FG, zu der auch der Senat neigt, zutrifft, dass das vorschriftswidrige Verbringen bereits in dem Moment beendet sei, in dem die Gestellung hätte erfolgen müssen, oder spätestens dann, wenn die Waren die "Ausgangsgrenze" des Amtsplatzes der nach Art. 38 ZK bestimmten Zollstelle passieren.

bb) Das vorschriftswidrige Verbringen und die damit einhergehende Beförderung ist nämlich jedenfalls dann beendet, wenn die Waren --wie im Streitfall-- ihren ersten Bestimmungsort erreicht haben und die Beschlagnahme erfolgt, nachdem mit der Entladung des Transportmittels begonnen wurde. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik der einschlägigen Vorschriften sowie der dazu vorliegenden Rechtsprechung und Literatur, ohne dass es dazu der vertieften Prüfung in einem Revisionsverfahren bedarf.

(1) Nach Art. 233 Buchst. d ZK erlischt die Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 ZK entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen wurden. Der Begriff des Verbringens ist im Gemeinschaftsrecht nicht ausdrücklich definiert. Es besteht aber Einigkeit darin, dass die Ware nicht nur objektiv in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangen darf, sondern dass dies auch willentlich geschieht (vgl. u.a. BFH-Urteil in BFHE 207, 81; Urteil des FG Düsseldorf vom 9. Februar 2005 4 K 5532/03 VTa, Z, EU; Witte, Zollkodex, 3. Aufl., Art. 37 Rn. 3).

Der Begriff beschreibt dabei, jedenfalls im Zollschuldrecht, nicht allein das punktuelle Ereignis des körperlichen Gelangens in das Zollgebiet der Gemeinschaft, sondern das räumlich und zeitlich ausgedehnte willensgetragene Geschehen (die Verbringungshandlung), aufgrund dessen die Waren in das Zollgebiet gelangen. Für diese Sichtweise sprechen insbesondere Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich und Art. 233 Buchst. d ZK, bei denen der Gesetzgeber vorausgesetzt hat, dass sich Personen "an" dem Verbringen beteiligen können bzw. dass eine Beschlagnahme "bei" dem Verbringen erfolgt. Beide Regelungen erhalten nur dann einen signifikanten Anwendungsbereich, wenn man das Verbringen als Geschehen mit einer gewissen räumlichen und zeitlichen Ausdehnung begreift, während dessen die Beteiligung am Verbringen oder die Beschlagnahme der Waren erfolgen kann.

(2) Es besteht zwar Einigkeit, dass das Verbringen spätestens dann beendet ist, wenn die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gelangt ist (vgl. Witte, aaO., Art. 233 Rn. 18; Deimel in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung , Art. 233 -234 ZK Rn. 33; Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Erkenntnis vom 24. April 2004 2001/16/0410; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. November 1996 11 K 81/95, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1997, 91), doch ist dies nicht das einzige Kriterium für die Bestimmung des Zeitpunktes, zu dem das vorschriftswidrige Verbringen von Waren beendet ist. Das Verbringen kann bereits beendet sein, bevor die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 5. Februar 1998 VII B 192/97, BFH/NV 1998, 1393 , wonach ein Inverkehrbringen der Waren gerade nicht erforderlich ist).

(3) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist das vorschriftswidrige Verbringen jedenfalls dann beendet, wenn der Transport den (ersten) Bestimmungsort erreicht hat. Das kann sowohl der Ort sein, an dem die Umladung der Waren in das Fahrzeug eines Erwerbers erfolgt (Senatsbeschluss in BFH/NV 1998, 1393 ) oder auch der Ort, an dem die als Tarnung dienende Holzladung aus dem Transportmittel entladen und auseinander genommen werden soll (Senatsbeschluss in BFH/NV 2002, 692 , zur Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen). Die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss in BFH/NV 2002, 692 , nach dem eine Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen auch durch das Zur-Verfügung-Stellen von Räumen erfolgen könne, in denen die Waren nach Vollendung der Haupttat, aber noch vor deren Beendigung entladen werden könnten, enthalten keine Aussage über die Dauer des vorschriftswidrigen Verbringens. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich nämlich, dass der Senat hiermit lediglich ausdrücken wollte, dass das vorschriftswidrige Verbringen noch nicht beendet sein darf, wenn der Gehilfenbeitrag geleistet wird.

Hieraus folgt klar und unmissverständlich, dass im Streitfall das vorschriftswidrige Verbringen spätestens in dem Zeitpunkt beendet war, in dem mit dem Entladen des LKW begonnen wurde. Der Beginn der Entladung des Transportmittels markiert als Zäsur den spätesten Punkt, an dem der dynamische, auf Ortsveränderung gerichtete Prozess des Verbringens über die Grenze zu einem (vorläufigen) Abschluss gekommen ist und ein neues, nunmehr stationäres Geschehen beginnt. Der Transport hatte damit erkennbar seinen ersten Bestimmungsort erreicht, was deutlicher als durch den Beginn der Entladung kaum manifestiert werden kann.

(4) Zu einem Erlöschen der Zollschuld führt auch nicht der Umstand, dass die Ankunft des LKW an der Werkstatthalle in Rehfelde und der Beginn der Entladung von Beamten des Zollfahndungsdienstes beobachtet wurde. Dass im Streitfall unter Umständen ein früheres Eingreifen der Zollfahndung möglich gewesen wäre und damit eine Beschlagnahme möglicherweise noch vor Beendigung des Verbringens hätte erfolgen können, ändert nichts daran, dass die Beschlagnahme nach dem klaren Wortlaut des Art. 233 Buchst. d ZK tatsächlich "bei" und nicht "nach" dem vorschriftswidrigen Verbringen erfolgen muss. Für ein Anknüpfen an bloße Möglichkeiten und hypothetische Geschehensabläufe ist im Rahmen des Art. 233 Buchst. d ZK kein Raum.

Dass damit das Erlöschen der Zollschuld im Ergebnis auch von dem Ausgang ermittlungstaktischer Überlegungen der Zollbehörden über den Zeitpunkt des Zugriffs abhängt, ist hinzunehmen. Die Zollbehörden sind auch nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden und damit die Entstehung von Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahe legen (vgl. EuGH-Urteile vom 7. September 1999 Rs. C-61/98 --De Haan--, EuGHE 1999, I-5003 Rz. 32 ff.; vom 14. Dezember 2004 Rs. T-332/02 --Nordspedizionieri--, Rz. 51, ZfZ 2005, 53).

c) Das Nichterlöschen der Abgabenschuld stellt keine unzulässige Doppelbestrafung dar und es liegt auch sonst kein Verstoß gegen europäisch verbürgte Grundrechte vor.

Strafe i.S. von Art. 103 Abs. 3 GG ist nur die Kriminalstrafe (BVerfG-Beschluss vom 9. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101 ). Art. 202 ZK ist jedoch keine Strafnorm, sondern dient allein der Sicherung einer ordnungsgemäßen Besteuerung in Fällen, in denen Waren vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden.

d) Der Kläger ist nach Art. 202 Abs. 3 2. Anstrich ZK Zollschuldner geworden, weil er am vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten beteiligt war, obwohl er wusste, dass er damit vorschriftswidrig handelte. Entsprechendes gilt nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 UStG für die Umsatzsteuer und nach § 21 TabStG für die Tabaksteuer.

Der Begriff der Beteiligung ist weit auszulegen. Es handelt sich um einen gegenüber dem Verbringen selbständigen Tatbestand, der über die Täterschaft hinausgeht und jeden erfasst, der sich in irgendeiner Weise an dem vorschriftswidrigen Verbringen der Waren beteiligt hat, ohne selbst Verbringer zu sein (FG Düsseldorf, Urteil vom 6. April 2001 4 K 4702/99 VTa, Z, EU, ZfZ 2001, 244). Der Tatbestand der Beteiligung schließt demnach jedenfalls denjenigen ein, der i.S. des § 27 des Strafgesetzbuches ( StGB ) Beihilfe zu dem vorschriftswidrigen Verbringen leistet (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 692 ; FG München, Urteil vom 17. März 2004 3 K 4114/01, ZfZ 2004, 309). Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Handlung, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 18. April 1996 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135 , 136). Das setzt voraus, dass das vorschriftswidrige Verbringen noch nicht beendet ist, wenn der Gehilfenbeitrag geleistet wird, denn eine bloß nachträgliche Beteiligung kann eine bereits beendete Haupttat nicht mehr fördern (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 2003 11 K 162/99, ZfZ 2004, 97, zur Beteiligung an der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung).

Ob, wie das FG meint, die Mithilfe bei der Entladung des Schmuggel-LKW noch eine Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen sein kann, obwohl das Verbringen jedenfalls für die Frage des Erlöschens der Zollschuld nach Art. 233 Buchst. d ZK zu diesem Zeitpunkt bereits beendet ist, erscheint dem Senat zweifelhaft (vgl. auch Witte, Beteiligte als Zollschuldner, Außenwirtschaftliche Praxis 2005, 300, der eine Beteiligungsmöglichkeit nach der Beendigung des vorschriftswidrigen Verbringens i.S. des Art. 233 Buchst. d ZK ablehnt). Eine eingehende Auseinandersetzung hiermit ist jedoch im Streitfall nicht geboten, denn die Würdigung des FG, wonach sich der Kläger bereits durch die vorangegangenen Absprachen in psychischer Form an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt hat, ist nicht zu beanstanden. Hilfe zu einer Tat kann nämlich auch schon durch die bloße Zusage einer späteren Unterstützungshandlung geleistet werden, indem der Gehilfe den Haupttäter in seinem schon gefassten Tatenschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt (BGH-Urteil vom 15. Juli 1999 5 StR 155/99, Neue Zeitschrift für Strafrecht 1999, 609). Die Beurteilung, ob dies so gewesen ist, beruht auf der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung im Einzelfall, die dem FG obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 118 Abs. 2 FGO ). Unter Berücksichtigung des insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabes begegnet die Ansicht des FG, der Kläger habe sich bereits durch die vorangegangenen Absprachen an dem vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt, keinen Bedenken.

Dass der Kläger seine Mithilfe bei der Entladung zugesagt hat, vermag zwar für sich allein die Annahme einer zollrechtlich relevanten Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen noch nicht zu tragen. Da die zugesagte Unterstützung zu einer Zeit stattfinden sollte, in der das vorschriftswidrige Verbringen bereits beendet war, und weil die Zusage einer bloßen Hilfstätigkeit bei der Entladung der Waren nicht ohne weiteres eine solche Bedeutung für die Ausführung der eigentlichen Tat hat, dass sie --wie z.B. das Zur-Verfügung-Stellen der Halle als Umladeort, vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 692 -- als wesentlicher Teil der Logistik für die Ausführung der Tat selbst angesehen werden kann, bedurfte es ergänzender Feststellungen dafür, dass die vom Kläger in den vorangegangenen Absprachen erbrachten Unterstützungsleistungen so gewichtig waren, dass sie dem Haupttäter in seinem schon gefassten Tatenschluss bestärkt und ihm für die Begehung der eigentlichen Tat ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt haben.

Solche Feststellungen hat das FG im Streitfall jedoch getroffen. Das FG hat zur Begründung seiner Ansicht, der Kläger habe sich am vorschriftswidrigen Verbringen beteiligt, nicht nur dessen Zusage der Mithilfe bei der Entladung angeführt, sondern es hat ergänzend auf das Strafurteil des AG Bezug genommen und sich dadurch dessen Feststellungen über die gemeinschaftliche Organisation und Durchführung der Schmuggelfahrt durch den Kläger und einen weiteren Beteiligten zu Eigen gemacht. Auch der sich aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung ergebende Umstand, dass der Kläger bei seiner Festnahme ein Mobiltelefon mit sich führte, mit dem er die wartenden Abnehmer über das Ende der Entladung informieren sollte, ist ein Indiz dafür, dass der Kläger in weiterem Umfang als nur durch die Zusage der Mithilfe bei der Entladung in die Organisation und Durchführung des Zigarettentransports eingebunden war. Daraus, dass auch das FG bei der Prüfung der ordnungsgemäßen Gesamtschuldnerauswahl ausgeführt hat, dass die Ermessensausübung des HZA, alle namentlich bekannten Beteiligten aufgrund ihres gleichgewichtigen und arbeitsteiligen Handelns als Abgabenschuldner in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden sei, geht hervor, dass das FG den Gesamttatbeitrag des Klägers aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Beweismittel und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung als gleichwertig mit dem Fahren des Schmuggel-LKW und dem Zur-Verfügung-Stellen der Werkstatt als Umladeort ansah. An diese Feststellungen, gegen die Revisionsrügen nicht vorgebracht wurden, wäre der Senat in dem angestrengten Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

4. Nach alledem ergibt die im PKH-Verfahren gebotene summarische Prüfung, dass die Revision des Klägers jedenfalls im Ergebnis keinen Erfolg haben wird. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten war die Gewährung von PKH zu versagen.

Fundstellen
BFH/NV 2006, 628