Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BFH - Entscheidung vom 15.04.2005

II B 21/04

Normen:
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5 § 119 Nr. 6

Fundstellen:
BFH/NV 2005, 1357

BFH, Beschluss vom 15.04.2005 - Aktenzeichen II B 21/04

DRsp Nr. 2005/8921

NZB - fehlende Urteilsbegründung

1. Entscheidungsgründe fehlen, wenn der Beteiligte die getroffene Entscheidung nicht auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin überprüfen kann.2. Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde liegt oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt.3. Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, soweit die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder in Hinsicht auf einen selbstständigen prozessualen Anspruch oder ein selbstständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind.

Normenkette:

FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5 § 119 Nr. 6 ;

Gründe:

I. Die X und ein Dritter schlossen mit der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer KG, im Februar 1994 Verträge über die Bestellung eines Gesamterbbaurechts an ihnen gehörenden Grundstücken zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes, zu der sich die Klägerin verpflichtete. Für den der X gehörenden Grundbesitz ist nach dem Vertrag ein Erbbauzins erst ab dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem der zwischen ihr und der Klägerin abzuschließende Immobilien-Leasing-Vertrag über das Erbbaugrundstück nebst Gebäude endet. Die Klägerin hatte allerdings für die Zeit zwischen dem Besitzübergang und der Bezugsfertigkeit des Gebäudes an die X ein Entgelt für die Nutzung von deren Grundbesitz zu entrichten. Im Februar 1994 schlossen zudem die Klägerin mit einer Leasinggesellschaft und diese mit der X Leasingverträge über das Erbbaugrundstück einschließlich Gebäude. Als Bemessungsgrundlage für die Zahlungen der Leasingnehmer waren die in ihrer voraussichtlichen Höhe angegebenen Gesamtinvestitionskosten vereinbart.

Das damals zuständige Finanzamt (FA) setzte gegen die Klägerin für die Bestellung des Erbbaurechts in nach den Grundstückseigentümern getrennten Bescheiden vom 5. Juli 1994 Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der vereinbarten Erbbauzinsen fest. Es berücksichtigte dabei auch die erst mit Ablauf des Leasingvertrags an die X zu zahlenden Erbbauzinsen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch.

Mit einem im November 1994 geschlossenen Vertrag beauftragte die Klägerin die X als Generalübernehmerin mit der schlüsselfertigen Herstellung des geplanten Bauwerks. Nachdem das inzwischen zuständig gewordene FA dies aufgrund einer Außenprüfung erfahren hatte, setzte es gegen die Klägerin mit dem auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ( AO 1977 ) gestützten Änderungsbescheid vom 29. Dezember 1998 für die Bestellung des Erbbaurechts am Grundbesitz der X Grunderwerbsteuer in Höhe von 4 604 355 DM fest. Die dieser Festsetzung zugrunde liegende Bemessungsgrundlage setzt sich zusammen aus dem Kapitalwert des für die Zeit zwischen dem Besitzübergang und der Bezugsfertigkeit des Gebäudes an die X zu entrichtenden Nutzungsentgelts sowie den dem Generalübernehmer geschuldeten Beträgen, der Vergütung für die Geschäftsbesorgung durch die Immobiliengesellschaft während der Investitionsphase und dem Entgelt für die Platzierungsgarantie jeweils zuzüglich Umsatzsteuer. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das nunmehr zuständige FA) wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) änderte den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in der Weise, dass es die vom FA angesetzten "Bebauungskosten" nur noch insoweit in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezog, als sie anteilig auf den Grundbesitz der X entfallen. Es führte zur Begründung aus, insoweit habe zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs im Februar 1994 ein einheitlicher Leistungsgegenstand vorgelegen, so dass die Bebauungskosten nach §§ 8 , 9 des Grunderwerbsteuergesetzes ( GrEStG ) zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehörten. Die Klägerin sei bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags auf ein von der X im Einzelnen geplantes Bauvorhaben festgelegt gewesen, dessen Errichtung die X ausweislich der bereits im Dezember 1993 beantragten Baugenehmigung und des Anlageprospekts vom November 1995 als Bauherrin beherrscht habe. Auch die geplanten Investitionskosten für das Bauvorhaben hätten bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags "bereits vorgelegen", seien also "vorgegeben" gewesen, wie sich aus den gleichzeitig vereinbarten Leasingverträgen ergebe. Die X sei zudem zunächst als Geschäftsbesorgerin und später als Generalübernehmerin für die Durchführung des gesamten Bauvorhabens verantwortlich gewesen. Dies und nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Generalübernehmervertrags im November 1994 sei entscheidend. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Oktober 2002 II R 81/00 (BFHE 200, 416 , BStBl II 2003, 199 ) betreffe eine andere Fallgestaltung und sei daher nicht einschlägig. Der Änderungsbescheid sei verfahrensrechtlich zutreffend auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt worden. Dass bezüglich des Erwerbsvorgangs vom Februar 1994 die Voraussetzungen zur Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstandes erfüllt gewesen seien, sei dem seinerzeit zuständigen FA frühestens mit dem Zugang des Generalübernehmervertrags und aufgrund der dann durchgeführten zusätzlichen Ermittlungen bekannt geworden. Das FA habe erst nachträglich erfahren, dass die Baugenehmigung unter Beifügung sämtlicher Planungsunterlagen schon vor der Bestellung des Erbbaurechts beantragt worden sei und dass im Rahmen der nachträglich eingereichten Unterlagen --Anlageprospekt und Werbematerial-- nicht die Klägerin, sondern die X als Bauherrin benannt gewesen sei. Das ursprünglich zuständige FA habe auch seine Ermittlungspflichten vor Erlass des Bescheids vom 5. Juli 1994 nicht verletzt.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin Verfahrensmängel und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend. Das Urteil des FG sei in verschiedener Hinsicht nicht mit Gründen versehen i.S. von § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ). Das FG habe nicht geprüft, ob dem Grunde nach ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang vorliege. Sie --die Klägerin-- habe insoweit bereits im Einspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass der Erbbauzins hinsichtlich des Grundbesitzes der X unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart worden sei. Die Entscheidungsgründe des finanzgerichtlichen Urteils seien zudem derart widersprüchlich, dass nicht mehr zu erkennen sei, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich gewesen seien. Das FG habe einerseits das Vorliegen eines einheitlichen Leistungsgegenstands aus den dem damals zuständigen FA bei Erlass des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids bereits bekannten Erbbaurechts- und Leasingverträgen abgeleitet und andererseits die verfahrensrechtliche Zulässigkeit des Änderungsbescheids auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 gestützt. Das FG habe zudem gegen die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, da es entgegen dem Inhalt der Akten angenommen habe, dass die Investitionskosten für das Bauvorhaben bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags bereits verbindlich festgelegt gewesen seien. Eine Entscheidung des BFH sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da das FG vom BFH-Urteil in BFHE 200, 416 , BStBl II 2003, 199 abgewichen sei. Nach diesem Urteil scheide selbst bei Vorliegen eines einheitlichen Leistungsgegenstandes eine Einbeziehung der Baukosten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage aus, wenn der Erbbauberechtigte bei Beendigung des Erbbaurechts den Verkehrswert des errichteten Gebäudes erhalte. In einem solchen Fall sei die Verpflichtung des Erbbauberechtigten, ein bestimmtes Gebäude zu errichten, keine Gegenleistung i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG .

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Revisionszulassung liegen nicht vor.

1. Verfahrensmängel

a) Fehlende Entscheidungsbegründung (§ 119 Nr. 6 FGO )

aa) Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO sind Urteile zu begründen. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (§ 96 Abs. 1 Sätze 1 und 3 FGO ). Entscheidungsgründe fehlen daher, wenn der Beteiligte die getroffene Entscheidung nicht auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin überprüfen kann. Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2001 X B 36/01, BFH/NV 2002, 348 , und vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109 ). Eine Entscheidung ist danach i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, soweit die Begründung des Urteilsspruchs überhaupt oder in Hinsicht auf einen selbständigen --prozessualen-- Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel fehlt oder wenn die Entscheidungsgründe nur aus inhaltsleeren Floskeln bestehen oder missverständlich und verworren sind (BFH-Beschluss vom 14. April 2004 IX B 106/03, BFH/NV 2004, 1392 ).

bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht aus den von der Klägerin angegebenen Gründen erfüllt.

Das FG brauchte sich nicht mit dem von der Klägerin im Einspruchsverfahren erhobenen Einwand, ihre Verpflichtung zur Entrichtung von Erbbauzinsen an die X sei aufschiebend bedingt, auseinander zu setzen. Dieser Einwand ist nämlich dadurch überholt, dass im angefochtenen Änderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung diese Erbbauzinsen nicht mehr in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen wurden. Die Bestellung des Erbbaurechts durch die X und die im angefochtenen Bescheid in die Bemessungsgrundlage einbezogenen Leistungsverpflichtungen der Klägerin wurden nicht aufschiebend bedingt durch die Beendigung des Leasingvertrags vereinbart.

Die Entscheidungsgründe sind entgegen der Darstellung der Klägerin auch nicht widersprüchlich. Das FG hat seine Ansicht, es liege ein einheitlicher Leistungsgegenstand vor, nicht allein auf den Inhalt des Vertrags über die Bestellung des Erbbaurechts und der Leasingverträge gestützt, sondern auf weitere, dem seinerzeit zuständigen FA beim Erlass des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheids nicht bekannte Umstände, insbesondere die Verantwortlichkeit der X für die Durchführung des gesamten Bauvorhabens zunächst als Geschäftsbesorgerin und später als Generalübernehmerin sowie das Auftreten der X als Bauherrin im Baugenehmigungsverfahren und im Anlageprospekt vom November 1995.

b) Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Sätze 1 und 3 FGO

Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen den Inhalt der Akten liegt ebenfalls nicht vor. Das FG hat entgegen der Behauptung der Klägerin nicht ausgeführt, die Investitionskosten für das Bauvorhaben seien bereits bei Abschluss des Erbbaurechtsvertrags verbindlich festgelegt gewesen. Vielmehr hat es lediglich dargelegt, dass zu diesem Zeitpunkt ausweislich der Leasingverträge "die geplanten Investitionskosten" vorgelegen hätten, also vorgegeben gewesen seien.

2. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO )

Die Vorentscheidung weicht nicht vom BFH-Urteil in BFHE 200, 416 , BStBl II 2003, 199 ab. Bei dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob die Verpflichtung des Erbbauberechtigten in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück sowie zu dessen ordnungsgemäßer Unterhaltung über die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts eine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts darstellt, wenn der Erbbauberechtigte bei Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des Verkehrswerts erhält. Dies verneinte der BFH mit der Begründung, dass in einem solchen Fall die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute kommen. Der diesem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt war dadurch gekennzeichnet, dass weder die Erbbaurechtsbestellerin (Grundstückseigentümerin) noch eine mit ihr durch Absprachen verbundene, bei der Bestellung des Erbbaurechts und der Gebäudeerrichtung zusammenwirkende und aus weiteren Personen bestehende Veräußererseite der Erbbauberechtigten ein einheitliches Angebot über Grundstück und Gebäude unterbreitet hatte. Anhaltspunkte für einen objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen dem Erbbaurechtsvertrag und den von der Erbbauberechtigten mit Dritten abgeschlossenen Ausführungsverträgen waren nicht ersichtlich. Es lag also kein einheitlicher Vertragsgegenstand vor; als Gegenstand des Erbbaurechtsvertrags war (nur) das Gesamterbbaurecht an den unbebauten Grundstücken anzusehen. Das sah der BFH als entscheidungserheblich an (Abschn. II. 2. b aa der Urteilsgründe).

Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht darum, ob die Verpflichtung der Klägerin zur Gebäudeerrichtung als solche eine Gegenleistung für die Erbbaurechtsbestellung darstellt, sondern um die --vom FG bejahte-- Frage, ob ein einheitlicher Vertragsgegenstand gegeben ist.

Vorinstanz: FG Berlin, vom 27.11.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 1318/01
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1357