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BFH - Entscheidung vom 03.03.2005

III R 46/03

Normen:
InvZulG (1993) § 2 S. 1 § 11 Abs. 2 Nr. 3

Fundstellen:
BFH/NV 2005, 1371

BFH, Urteil vom 03.03.2005 - Aktenzeichen III R 46/03

DRsp Nr. 2005/9638

InvZul - langfristige Überlassung an Betrieb in Berlin (West)

1. Nach § 2 Satz 1 InvZulG sind neue abnutzbare bewegliche WG begünstigt, die u. a. mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben.2. Wird das WG innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraumes einem anderen Betrieb überlassen, steht das dem Anspruch auf InvZul nicht entgegen, wenn der Mieter "seinerseits die Verbleibensvoraussetzungen erfüllt". Für überlassene WG kann der Investor daher InvZul nur beanspruchen, wenn der Nutzende - hätte er investiert - eine InvZul bekommen könnte.3. Die langfristige Überlassung von 1993 bis 1996 angeschafften WG an einen Betrieb in Berlin (West) führt zum Ausschluss der InvZul, weil die Anschaffungen in Berlin (West) in diesem Zeitraum nicht bzw. ab 1996 nur als sog. Erstinvestitionen begünstigt waren.

Normenkette:

InvZulG (1993) § 2 S. 1 § 11 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, die auf dem Gebiet des Bauschuttrecyclings sowie der Durchführung von Abriss- und Erdbauarbeiten tätig ist, erhielt für Investitionen der Jahre 1993 bis 1996 Investitionszulage. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Bei einer Sonderprüfung im Jahre 1998 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) fest, dass die Klägerin Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens langfristig an das Einzelunternehmen ihres geschäftsführenden Gesellschafters zur Nutzung überlassen hatte. Der Sitz des Einzelunternehmens befand sich im Bezirk Berlin-..., der zum ehemaligen Westteil der Stadt zählt.

Das FA erließ daraufhin geänderte Investitionszulagenbescheide und forderte die Investitionszulage für die an das Einzelunternehmen überlassenen Wirtschaftsgüter zurück. Zur Begründung führte es aus, der Betrieb im Westteil Berlins habe nach § 11 des Investitionszulagengesetzes ( InvZulG ) 1993/1996 keine Investitionszulage erhalten können, weshalb die Nutzungsüberlassung zulagenschädlich sei.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, eine entsprechende Einschränkung der Fördervoraussetzungen ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1993/1996. Der Wortlaut sei aber nach dem Zweck der Vorschrift einschränkend dahin auszulegen, dass die Wirtschaftsgüter in der Betriebsstätte eines Betriebs verbleiben müssten, der nach dem InZulG begünstigt sei (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 1990 III R 22/88, BFH/NV 1990, 673). Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1728 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Die Entscheidung des FG, dass ihr die Grundzulage wegen der langfristigen Überlassung der betroffenen Wirtschaftsgüter an das Einzelunternehmen in Berlin-West, das selbst keinen Anspruch auf Investitionszulage gemäß § 11 InvZulG gehabt habe, nicht zustehe, beruhe auf fehlerhafter Anwendung des § 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1993/1996. Die Investitionszulage könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass beim Nutzenden die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage vorlägen. Der BFH habe zwar wiederholt entschieden, dass der Nutzende die Verbleibensvoraussetzungen erfüllen müsse. Dies gelte aber nicht für die Anspruchsvoraussetzungen.

Die einschränkende Auslegung der Vorschrift sei auch nicht nach der Rechtsprechung des BFH zu § 4b des InvZulG 1982 bzw. der Investitionszulagenverordnung (InvZV) geboten. Diese Vorschriften enthielten keine zusätzliche qualifizierte Verbleibensvoraussetzung wie § 5 Abs. 2 bis 4 InvZulG 1993/1996. Der Gesetzgeber habe durch die Regelungen in § 5 InvZulG 1993/1996 zu erkennen gegeben, dass nicht alle Investitionen gleich zu behandeln und für bestimmte Wirtschaftszweige auch strengere Maßstäbe anzusetzen seien. Da § 4b InvZulG 1982 bzw. die InvZV solche Unterschiede nicht kenne, sei § 2 InvZulG 1993/1996 anders auszulegen. Bei unklaren Gesetzesformulierungen sei nach der Rechtsprechung von der für die Investoren günstigeren Regelung auszugehen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide über Investitionszulage 1993 bis 1996 in der Fassung der Einspruchsentscheidung die Investitionszulage

für das Kalenderjahr 1993 auf ... DM / ... EUR,

für das Kalenderjahr 1994 auf ... DM / ... EUR,

für das Kalenderjahr 1995 auf ... DM / ... EUR und

für das Kalenderjahr 1996 auf ... DM / ... EUR

festzusetzen sowie die Bescheide über Zinsen zur Investitionszulage 1993 bis 1996 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 InvZulG 1993/1996 verneint.

1. Nach dieser Vorschrift sind neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter begünstigt, die --neben anderen hier nicht streitigen Voraussetzungen-- mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (§ 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1993/1996) und in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben (§ 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1993/1996).

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats steht dem Anspruch auf Investitionszulage nicht entgegen, dass das Wirtschaftsgut innerhalb des Dreijahreszeitraums einem anderen Betrieb überlassen wird, wenn es sich entweder um eine nur kurzfristige Nutzungsüberlassung --bis zu drei Monaten-- handelt oder wenn der Mieter "seinerseits die Verbleibensvoraussetzungen erfüllt". Das bedeutet, der Investor kann für überlassene Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage nur beanspruchen, wenn der Nutzende --hätte er anstelle des Überlassenden investiert-- eine Investitionszulage bekommen könnte. Denn die Vergünstigung soll nur solchen Betrieben zugute kommen, deren Förderung mit der Investitionszulage beabsichtigt war und nicht --zumindest teilweise durch die Weitergabe der Vergünstigung über das Nutzungsentgelt-- auch Betrieben, die nicht als förderungsbedürftig angesehen werden (Senatsurteil vom 19. Februar 2004 III R 14/02, BFHE 204, 537 , BStBl II 2004, 570, m.w.N.).

2. Hiervon ausgehend sind die von der Klägerin angeschafften und dem im Westteil Berlins ansässigen Einzelhandelsunternehmen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers überlassenen Wirtschaftsgüter nicht zulagenbegünstigt.

a) Die Klägerin hat die von ihr in den Jahren 1993 bis 1995 angeschafften Wirtschaftsgüter, um deren Förderung gestritten wird, langfristig einem Betrieb überlassen, dessen Investitionen in den Jahren 1993 bis 1995 nicht in den Anwendungsbereich des InvZulG 1993 fielen. Durch § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 InvZulG i.d.F. des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2150, BStBl I 1993, 96, 98) ist der Begünstigungszeitraum für den Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz schon vor dem 3. Oktober 1990 gegolten hat (Berlin-West), abweichend von § 3 Satz 1 und § 5 InvZulG 1993 auf Investitionen beschränkt worden, die vor dem 1. Januar 1992 bzw. 1. Januar 1993 abgeschlossen worden sind oder für die Anzahlungen auf Anschaffungskosten vor diesen Zeitpunkten geleistet worden oder Teilherstellungskosten entstanden sind.

b) Auch für Investitionen im Jahre 1996 hätte der Betrieb in Berlin-West, dem die Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen worden waren, die Zulage selbst nicht bekommen können.

Zwar war in § 11 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1996 (vgl. die Neufassung vom 22. Januar 1996, BStBl I 1996, 107) für Investitionen, die ein in Berlin-West ansässiger Betrieb nach dem 31. Dezember 1995 begonnen hat, zunächst eine Förderung gemäß § 5 Abs. 3 InvZulG 1996 vorgesehen.

Diese Förderung wurde jedoch durch das Gesetz zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Bundesländern vom 18. August 1997 (BGBl I 1997, 2070, BStBl I 1997, 790) rückwirkend zum 1. Januar 1996 beschränkt auf sog. Erstinvestitionen. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 InvZulG 1996 fällt darunter die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern bei der Errichtung einer neuen Betriebsstätte, bei der Erweiterung einer bestehenden Betriebsstätte oder bei der grundlegenden Änderung eines Produktes oder eines Produktionsverfahrens eines bestehenden Betriebs oder einer bestehenden Betriebsstätte sowie bei der Übernahme eines Betriebs, der geschlossen worden ist oder geschlossen worden wäre, wenn der Betrieb nicht übernommen worden wäre.

Da die Klägerin dem Betrieb ihres Gesellschafter-Geschäftsführers in West-Berlin nach den Feststellungen des FG schon in den Vorjahren Wirtschaftsgüter überlassen hatte, ist auszuschließen, dass dieser Betrieb im Jahr 1996 die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 InvZulG 1996 erfüllt hat.

Auf Vertrauensschutz gegenüber dieser rückwirkenden Einschränkung der Begünstigung von Investitionen in Berlin-West kann sich die Klägerin nicht berufen. Auf die ausstehende Genehmigung der Kommission der Europäischen Union zur ursprünglichen Fassung des InvZulG 1996 hatte das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 2. Januar 1996 (BStBl I 1996, 2) und vom 14. August 1996 (BStBl I 1996, 1121) hingewiesen. Durch die Änderung des § 11 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1996 ist der Gesetzgeber den Auflagen der EU-Kommission nachgekommen, unter denen diese ihre Zustimmung zur Förderung von Berlin-West erteilt hatte (BTDrucks 13/8059, S. 21). Wie der Senat mit Urteil vom 12. Oktober 2000 III R 35/95 (BFHE 193, 204 , BStBl II 2001, 499 ) entschieden hat, kann ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf die Gewährung der Beihilfen in der zunächst gesetzlich geregelten Höhe schon vor der Entscheidung der Kommission nicht mehr entstehen, sobald das BMF die Einleitung eines Hauptprüfverfahrens durch die Kommission wegen der Beihilfen mitgeteilt hat.

Ausweislich des Antrags auf Investitionszulage hat die Klägerin die Wirtschaftsgüter erst angeschafft, nachdem das BMF auf die ausstehende Genehmigung der EU-Kommission für die weiter gehende Zulagenförderung für West-Berlin hingewiesen hatte.

3. Die Einwendungen der Klägerin gegen die einschränkende Auslegung des § 2 Satz 1 InvZulG 1993/1996, wonach Investitionen, die bei einem langfristigen Einsatz außerhalb des Investorenbetriebs auch in dem nutzenden Betrieb dem Förderzweck des Gesetzes genügen müssen, greifen nicht durch. Daraus, dass § 5 Abs. 2 bis 4 InvZulG 1996 für die erhöhte Zulage besondere Voraussetzungen aufstellt, kann nicht gefolgert werden, die Grundzulage sei über den allgemeinen Förderzweck hinaus uneingeschränkt zu gewähren. Die ausdrückliche Regelung besonderer Voraussetzungen in § 5 Abs. 2 bis 4 InvZulG 1996 erklärt sich aus dem Charakter einer Branchenförderung. Diese kann nur erreicht werden, wenn das subventionierte Wirtschaftsgut in der förderbedürftigen Branche eingesetzt wird. Daher bedarf es einer der Zielsetzung entsprechenden qualifizierten gesetzlichen Regelung.

Dagegen sind in § 2 InvZulG 1993/1996 allgemein die Voraussetzungen für die Art und Nutzung der zu fördernden Wirtschaftsgüter geregelt. Diese Voraussetzungen hat die Rechtsprechung im Wege der Auslegung konkretisiert. Aufgrund der mit jeder Investitionszulage verbundenen Zielsetzung, während des gesamten Bindungszeitraumes (von drei Jahren) die Wirtschaftskraft mit allen ihren Auswirkungen zu stärken, insbesondere Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern, ist eine einschränkende Auslegung des § 2 InvZulG 1993/1996 dann geboten, wenn die Förderung sich wirtschaftlich in einem --zeitlichen, sachlichen oder räumlichen-- Bereich auswirken würde, den der Gesetzgeber von der Förderung erkennbar ausnehmen wollte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 537 , BStBl II 2004, 570).

Die Förderung für Investitionen in Berlin-West wurde ab 1992 durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz eingeschränkt, weil der Gesetzgeber und die Kommission der europäischen Gemeinschaft die Förderung wegen der im Vergleich zu anderen Regionen des Fördergebietes günstigeren wirtschaftlichen Struktur von Berlin-West nicht mehr für erforderlich hielten (vgl. BTDrucks 12/3893, S. 156). Die 1996 eingeführte Vergünstigung für Berlin-West in § 11 Abs. 2 Nr. 3 InvZulG wurde mangels Genehmigung durch die Europäische Kommission der europäischen Union rückwirkend wieder aufgehoben. Hiermit wäre es nicht vereinbar, Wirtschaftsgüter zu subventionieren, die auf Dauer in einem eingesessenen Betrieb in West-Berlin eingesetzt werden.

Nicht nachvollziehbar ist die Argumentation der Klägerin, dass die Möglichkeit der langfristigen Nutzungsüberlassung an Unternehmen, die selbst keinen Anspruch auf die Förderung haben, offensichtlich vom Gesetzgeber so gewollt gewesen sei, um die Investitionstätigkeit im Fördergebiet zu erhöhen, die Infrastruktur zu verbessern und den Betrieben die Möglichkeit der Anschaffung neuerer Techniken verbunden mit einer Produktivitätssteigerung zu ermöglichen.

Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 28. November 2002 III R 4/00 (BFHE 201, 370 , BStBl II 2003, 365 ) ausgeführt hat, soll nicht jede Betätigung, von der ein wirtschaftsfördernder Impuls für das Fördergebiet ausgeht, begünstigt werden, sondern nur der tatsächliche Einsatz von Wirtschaftsgütern im räumlich abgegrenzten Gebiet.

Vorinstanz: FG Brandenburg, vom 05.06.2003 - Vorinstanzaktenzeichen 5 K 3060/00
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1371