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BFH - Entscheidung vom 16.02.2005

II R 59/02

Normen:
GrEStG (1997) § 1 Abs. 2 lit. a

Fundstellen:
BFH/NV 2005, 1369

BFH, Urteil vom 16.02.2005 - Aktenzeichen II R 59/02

DRsp Nr. 2005/8423

GrESt: PersG ; Änderung des Gesellschafterbestands

1. § 1 Abs. 2 a GrEStG enthält die Fiktion eines (auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue PersG gerichteten) Rechtsgeschäfts. Das fingierte Rechtsgeschäft kann nicht nur ein einzelner Rechtsvorgang sein, sondern auch eine Summe von Teilakten umfassen, die zusammen die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands einer PersG ausmachen.2. Änderungen des Gesellschafterbestands, die als Teilakte einer die Übereignungsfiktion i. S. des § 1 Abs. 2 a GrEStG begründenden Änderung des Gesellschafterbestands der Besteuerung unterworfen wurden, scheiden als (nochmals) tatbestandsbegründende Teilakte einer später verwirklichten (fingierten) Grundstücksübereignung aus.

Normenkette:

GrEStG (1997) § 1 Abs. 2 lit. a ;

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gründungsgesellschafter die C-GmbH sowie R waren. Gesellschaftszweck war nach dem am 1. Dezember 1998 geschlossenen Gesellschaftsvertrag die Instandsetzung, Modernisierung und anschließende Verwaltung eines gesellschaftseigenen Mietwohngrundstücks. Das hierfür erforderliche, nach dem Gesellschaftsvertrag auf 5 910 000 DM festgesetzte "Eigenkapital" sollte vollständig durch Aufnahme neuer Gesellschafter aufgebracht werden. Die Gründungsgesellschafter übernahmen keine Einlageverpflichtung.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 zeigte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) gemäß § 19 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes ( GrEStG ) in der hier maßgeblichen Fassung die Änderung ihres Gesellschafterbestands (§ 1 Abs. 2 a GrEStG ) an und beantragte die Festsetzung der Grunderwerbsteuer. Durch notarielle Urkunde vom 20. Januar 1999 bewilligten und beantragten die C-GmbH und R für insgesamt 19 in die Klägerin eingetretene neue Gesellschafter deren Eintragung im Grundbuch. Durch Bescheid vom 16. April 1999 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 571 741 DM fest, wobei es unter Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 8 GrEStG eine Bemessungsgrundlage in Höhe von 16 335 473 DM zugrunde legte. In dem Bescheid ist als zu besteuernder Sachverhalt "die am 20.1.99 abgeschlossene Beitrittsvereinbarung mit den neuen Gesellschaftern" bezeichnet, durch die eine wesentliche Änderung im Gesellschafterbestand eingetreten sei.

Nach Bestandskraft der Steuerfestsetzung beantragte die Klägerin mit einem am 26. Mai 1999 beim FA eingegangenen Schreiben die Aufhebung des Steuerbescheids vom 16. April 1999 gemäß § 16 GrEStG mit dem Hinweis, dass das Gesellschaftskapital erst zu ca. 58 v.H. platziert sei und damit noch nicht die Voraussetzungen eines nach § 1 Abs. 2 a GrEStG steuerbaren Rechtsvorgangs erfüllt seien. Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 zeigte die Klägerin einen nach § 1 Abs. 2 a GrEStG grunderwerbsteuerbaren Vorgang an, wonach eine vollständige Änderung ihres Gesellschafterbestands im Februar 2000 vorliege. Die Klägerin beantragte, die Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung des nunmehr als Bemessungsgrundlage geltenden Grundbesitzwerts (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 2000, BGBl I, 402) festzusetzen und den Steuerbescheid vom 16. April 1999 gemäß § 174 Abs. 1 der Abgabenordnung ( AO 1977 ) aufzuheben. Diese Anträge lehnte das FA ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klage, mit der die Klägerin wegen einer erst durch Gesellschafterbeitritte im Zeitraum bis Ende 1999 verwirklichten wesentlichen Änderung im Gesellschafterbestand die Festsetzung von Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung eines als Bemessungsgrundlage anzusetzenden Grundbesitzwerts in Höhe von 1 465 000 DM begehrte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Der nach dem Klagebegehren zu besteuernde Lebenssachverhalt sei bereits abschließend durch den bestandskräftigen Bescheid vom 16. April 1999 der Steuer unterworfen worden. Auch aus § 174 AO 1977 ergebe sich keine Verpflichtung des FA zum Erlass des begehrten Bescheids. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 182 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 1 Abs. 2 a GrEStG und § 174 Abs. 1 AO 1977 .

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG Berlin sowie des Ablehnungsbescheids des FA vom 27. März 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 2001 das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer auf 51 275 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erlass des beantragten Grunderwerbsteuerbescheids. Der von der Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2000 angezeigte vollständige Gesellschafterwechsel sowie die vorausgegangene, nach dem Vorbringen der Klägerin im Dezember 1999 verwirklichte wesentliche Änderung ihres Gesellschafterbestands erfüllen unter Berücksichtigung des bereits durch den Bescheid vom 16. April 1999 besteuerten Lebenssachverhalts nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG .

a) § 1 Abs. 2 a GrEStG enthält die Fiktion eines (auf Übereignung des Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichteten) Rechtsgeschäfts. Das fingierte Rechtsgeschäft kann nicht nur ein einzelner Rechtsvorgang sein, sondern auch eine Summe von Teilakten umfassen, die zusammen die vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft ausmachen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2000 II R 64/98, BFHE 194, 252 , BStBl II 2001, 422 ). Aufgrund der Fünfjahresfrist (§ 1 Abs. 2 a Satz 1 GrEStG ) ist eine zeitlich gestreckte sukzessive Verwirklichung des Steuertatbestands möglich, sofern sich der Gesellschafterbestand innerhalb dieses Zeitraums in Teilschritten bis zu einem Übergang von 95 v.H. oder mehr der Anteile an der Personengesellschaft verändert.

b) Durch den Bescheid vom 16. April 1999 wurde als dort bezeichneter Lebenssachverhalt die am 20. Januar 1999 abgeschlossene Beitrittsvereinbarung mit den neuen Gesellschaftern der Grunderwerbsteuer unterworfen. Die dem zugrunde liegende Annahme des FA, dass im Zusammenhang mit dieser Beitrittsvereinbarung bereits mindestens 95 v.H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin auf die in dem notariellen Grundbuchberichtigungsantrag bezeichneten Gesellschafter übergegangen waren und sich damit der Gesellschafterbestand der Klägerin wesentlich geändert hatte, ist zwar tatsächlich unzutreffend. Der Umstand, dass diese neuen Gesellschafter zu lediglich 58 v.H. am Vermögen der Klägerin beteiligt waren, schließt aber wegen der Bestandskraft des Bescheids vom 16. April 1999 eine (erneute) Berücksichtigung dieser Teilakte im Hinblick auf eine nach Bekanntgabe dieses Bescheids wiederum verwirklichte vollständige oder wesentliche Änderung des Gesellschafterbestands aus. Änderungen des Gesellschafterbestands, die als Teilakte einer die Übergeignungsfiktion i.S. des § 1 Abs. 2 a GrEStG begründenden Änderung des Gesellschafterbestands der Besteuerung unterworfen wurden, scheiden als (nochmals) tatbestandsbegründende Teilakte einer später verwirklichten (fingierten) Grundstücksübereignung aus. Diese aus der Bestandskraft des Bescheids vom 16. April 1999 zu ziehende Folgerung lässt die Klägerin bei ihrem Vorbringen, der den Steuertatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllende Lebenssachverhalt sei erstmals Ende 1999 verwirklicht worden, unberücksichtigt.

c) Hiernach ist für den Erlass des begehrten Grunderwerbsteuerbescheids kein Raum. Auf die nach den steuerlich bereits erfassten Beitritten beigetretenen neuen Gesellschafter sind nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin lediglich 42 v.H. der Anteile am Gesellschaftsvermögen übergegangen. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG nicht erfüllt.

d) Auch aus § 174 Abs. 1 AO 1977 ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Erlass des Steuerbescheids. Nach dieser Vorschrift ist ein fehlerhafter Steuerbescheid auf Antrag u.a. dann aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Die Anwendung dieser Vorschrift erfordert das Vorliegen (positiv) widerstreitender Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger (BFH-Urteil vom 9. April 2003 X R 38/00, BFH/NV 2003, 1035 , m.w.N.). Die Vorschrift betrifft damit die rechtswidrige mehrfache Besteuerung desselben Sachverhalts (BFH-Urteile vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597 ; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500 , BStBl II 1995, 264 ). § 174 Abs. 1 AO 1977 vermittelt hingegen keinen Anspruch auf Erlass eines Steuerbescheids, der seinerseits (erstmalig) eine widerstreitende Steuerfestsetzung herbeiführt.

Vorinstanz: FG Berlin, vom 07.10.2002 - Vorinstanzaktenzeichen 1 K 1096/01
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1369