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BFH - Entscheidung vom 17.05.2005

VII R 76/04

Normen:
FGO § 81 Abs. 1 § 82 § 118 Abs. 2
VO Nr. 805/68 Art. 13 Abs. 9
RL 91/628/EWG
VO Nr. 615/98 Art. 1

Fundstellen:
BB 2005, 1780
BFH/NV 2005, 1713
BFHE 210, 70
DB 2005, 1778
DStRE 2005, 1166
NJW 2005, 2944

BFH, Urteil vom 17.05.2005 - Aktenzeichen VII R 76/04

DRsp Nr. 2005/11495

Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des FG; privatschriftlichen Bekundung über eine beweiserhebliche Tatsache, ist keine Beweisführung, sondern Beteiligtenvortrag; Ausfuhrerstattung: Nachweis der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen; Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme

»1. Eine Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des FG tritt nicht ein, wenn diesen eine hinreichende Grundlage fehlt, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist. 2. Der Tatrichter kann ausnahmsweise allein aufgrund einer Würdigung des streitigen Vortrages eines der Beteiligten zu der für seine Entscheidung erforderlichen Überzeugung vom Vorliegen einer Tatsache gelangen; dann muss dieser Vortrag aus sich heraus so überzeugend und nahe liegend erscheinen, dass es der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ausnahmsweise gestattet, sich über eine gegenteilige Behauptung eines anderen Beteiligten hinwegzusetzen. 3. Die Vorlage einer privatschriftlichen Bekundung über eine beweiserhebliche Tatsache, ist keine Beweisführung, sondern Beteiligtenvortrag, und zwar auch dann, wenn es sich um die Erklärung eines Dritten handelt. Sie stellt jedenfalls dann keinen zulässigen Urkunds- oder gar Zeugenbeweis dar, wenn sie an die Stelle einer ohne weiteres möglichen Vernehmung des Ausstellers der betreffenden Bescheinigung als Zeuge gesetzt wird. 4. Ein Verstoß gegen die Vorschriften der RL 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport hat den Verlust des Anspruches auf Ausfuhrerstattung zur Folge, ohne dass dies zusätzlich davon abhängig wäre, dass tatsächliche Feststellungen dazu getroffen werden können, dass das Wohlbefinden der Tiere während des Transports beeinträchtigt war. Diese Regelung des Gemeinschaftsrechts verletzt den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht.«

Normenkette:

FGO § 81 Abs. 1 § 82 § 118 Abs. 2 ; VO Nr. 805/68 Art. 13 Abs. 9 ; RL 91/628/EWG; VO Nr. 615/98 Art. 1 ;

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat im Oktober 2000 33 lebende Rinder zur Ausfuhr nach Marokko angemeldet. Ihren Antrag auf Gewährung von Ausfuhrerstattung hat der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) abgelehnt, weil die Klägerin während des Transports der Tiere die Bestimmungen der Richtlinie über den Schutz von Tieren beim Transport 91/628/EWG (RL 91/628/EWG) des Rates vom 19. November 1991 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 340/17) nicht eingehalten habe. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Transportplan seien nämlich zwischen dem Versand der Tiere und der ersten Unterbrechung der Transportphase 29 Stunden und 30 Minuten bzw. 30 Stunden vergangen. Die vorgeschriebene Ruhepause nach einer Transportphase von 14 Stunden sei also nicht eingelegt worden.

In dem wegen dieser Entscheidung von der Klägerin angestrengten Einspruchsverfahren hat diese Bescheinigungen der Geschäftsführer der mit der Beförderung der Tiere beauftragten Transportunternehmen aus dem Juni 2002 vorgelegt, nach deren Inhalt die Fahrer der beiden LKW jeweils nach 14 Stunden eine zweistündige Fahrpause eingelegt und bei dieser Gelegenheit die Tiere getränkt und gefüttert haben.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auf die deswegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) jedoch das HZA verurteilt, der Klägerin die beantragte Ausfuhrerstattung zu gewähren. Es urteilte, nach Art. 13 Abs. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABlEG Nr. L 148/24, neugefasst durch Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18. Dezember 1997, ABlEG Nr. L 356/13) --VO Nr. 805/68-- hänge die Gewährung von Ausfuhrerstattung von der Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere ab, insbesondere der Vorschriften zum Schutz der Tiere während des Transports. Hierzu gehöre die RL 91/628/EWG, neugefasst durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 148/52). Dementsprechend mache Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 (VO Nr. 615/98) der Kommission vom 18. März 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABlEG Nr. L 82/19) die Zahlung der Erstattung von der Einhaltung vorgenannter Richtlinie abhängig. Das Gemeinschaftsrecht enthalte allerdings keine Regelung darüber, wie der Ausführer nachzuweisen habe, dass er während des Transports der Tiere die RL 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport eingehalten habe. Bei einer längeren Transportdauer als 8 Stunden habe der Transportunternehmer zwar einen Transportplan festzulegen, der der Gesundheitsbescheinigung während der Verbringung beigefügt wird und in dem etwaige Aufenthalts- und Umladeorte aufgeführt sind; er habe sich zu vergewissern, dass der Transportplan ordnungsgemäß ausgefüllt und vervollständigt wird und dass eingetragen wird, wann und wo die Tiere gefüttert und getränkt wurden. Weder hieraus noch aus der Bestimmung, dass der Transportplan bei der Rückkehr der zuständigen Behörde vorzulegen sei, lasse sich indes "zur Überzeugung des Senats" ableiten, dass der Nachweis der Einhaltung der Richtlinie allein durch den Transportplan selbst erbracht werden kann. Der Ausführer sei nicht gehindert, auf andere Art und Weise diesen Nachweis zu erbringen.

Dies sei im Streitfall geschehen. Das Gericht habe vor dem Hintergrund, dass sich die Einlassungen der Spediteure in den von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen in die durch die Transportpläne dokumentierten "Rahmendaten" einfügten, keinen Anlass, die Beweiskraft dieser Erklärungen ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Es sei plausibel und glaubhaft, dass sich an die erste Transportphase von 14 Stunden eine zweite nach einer zweistündigen Ruhepause angeschlossen habe.

Ungeachtet dessen könne der Klägerin aus einem weiteren Grunde die Ausfuhrerstattung nicht versagt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete, die Ausfuhrerstattung nur zu versagen, wenn die Nichteinhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Tierschutzvorschriften nachweislich zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt habe. Hierzu habe das HZA weder etwas vorgetragen noch lasse sich den Sachakten ein Hinweis darauf entnehmen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des HZA. Das FG habe nicht davon ausgehen dürfen, dass die Einhaltung der Richtlinie nachgewiesen sei. Die Bescheinigung der Spedition über die Einlegung einer zweistündigen Ruhepause sei lediglich eine Behauptung, mit der die Richtigkeit einer anderen, von der Klägerin aufgestellten Behauptung nicht ausreichend gestützt werden könne. Überdies sei es rechtsfehlerhaft, dass das FG bei einem Verstoß gegen die Vorschriften der Tierschutzrichtlinie eine Versagung der Ausfuhrerstattung nur dann für geboten halte, wenn dem Ausführer nachgewiesen werden könne, dass dieser Verstoß das Wohlbefinden der Tiere beeinträchtigt habe.

II. Die Revision des HZA ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Klägerin und des FG nicht bereits deshalb begründet und die Revision des HZA folglich unbegründet, weil feststünde, dass nach 14-stündiger Fahrtzeit der beiden LKW, die im Streitfall die Tiere befördert haben, eine zweistündige Ruhepause eingelegt worden ist. Dies steht nicht fest. Die diesbezüglich vom FG getroffene Feststellung verletzt Bundesrecht und bindet den erkennenden Senat nicht (§ 118 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FGO ), weil das FG bei der Aufklärung des Sachverhalts die Grenzen, die freier richterlicher Beweiswürdigung gesetzt sind, überschritten hat.

a) Die Feststellung des für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgeblichen Sachverhalts obliegt nach § 118 Abs. 2 FGO allerdings dem FG, an dessen Feststellungen der Bundesfinanzhof (BFH) gebunden ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Wenn auch die Beweiswürdigung des FG grundsätzlich nicht angreifbar ist, so ist sie doch insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479 , BStBl II 1982, 442 ). Eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG tritt dann nicht ein, wenn die getroffenen Feststellungen auf einer Verletzung von bei der Beweiswürdigung zu beachtenden Rechtsgrundsätzen beruhen. Das ist u.a. dann der Fall, wenn es den Feststellungen an einer hinreichenden Grundlage fehlt, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist (Senatsurteil vom 11. April 2002 VII R 1/02, BFH/NV 2002, 950 ), oder das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis der Beweiswürdigung überhaupt nicht kommen konnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 135, 479 , BStBl II 1982, 442 ), es also gleichsam ins Blaue hinein Feststellungen getroffen hat, die sich in Wahrheit als Mutmaßungen oder bloße Unterstellungen erweisen. Denn die vom FG getroffenen Feststellungen müssen zwar nicht aufgrund der dem FG vorliegenden Beweismittel zwingend sein. Sie müssen jedoch möglich sein. Dazu gehört nicht nur, dass sie nicht in sich widersprüchlich oder sonst mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind, sondern auch, dass sie auf einer nachvollziehbaren Anwendung von rational einsichtigen Grundsätzen der Beweiswürdigung beruhen.

Der Annahme des FG, es seien im Streitfall zweistündige Ruhepausen eingelegt worden, fehlt es an Nachvollziehbarkeit in diesem Sinne aus folgenden Gründen:

Es mag zunächst dahinstehen, ob das FG überhaupt in einer eine Bindungswirkung auslösenden Weise erkannt hat, dass es Tatsachen seiner Entscheidung nur dann zugrunde legen darf, wenn es die volle Überzeugung von deren Vorliegen gewonnen hat. Daran könnten Zweifel insofern bestehen, als das FG (lediglich) als "plausibel und glaubhaft" bezeichnet, dass jene zweistündigen Transportpausen eingelegt worden sind. Das würde für eine der Klägerin günstige Entscheidung nicht genügen. Sollte das FG entgegen dieser Formulierung indes meinen, die volle Überzeugung von der Einlegung zweistündiger Ruhepausen gewonnen zu haben, wäre dies nicht nachzuvollziehen.

Die zeitnah zu den Transporten erstellten Transportpläne bezeugen das Gegenteil. Die Bescheinigungen hingegen, anhand deren das FG gleichwohl meint, die Überzeugung von der Einhaltung zweistündiger Ruhepausen gewinnen zu können, sind erst fast zwei Jahre nach dem streitigen Vorgang ausgestellt worden. Sie stammen auch nicht etwa von den betreffenden Fahrern, sondern von den Geschäftsführern der betreffenden Unternehmen, also von Personen, die keine unmittelbare Anschauung von dem jeweiligen Vorgang haben können. Das wiegt umso schwerer, als in den Bescheinigungen weder die Quelle des Wissens des jeweiligen Geschäftsführers näher erläutert wird noch auf irgendwelche zeitnah erstellten oder entstandenen Unterlagen --wie Aufzeichnung eines Fahrtenschreibers, eines Fahrtenbuches oder dergleichen-- Bezug genommen wird und auch nicht erläutert wird, warum diese nicht beigefügt werden oder warum sie nicht mehr beigefügt werden können. Das alles muss zusammen genommen unbeschadet der Freiheit richterlicher Beweiswürdigung zu dem Schluss führen, dass solche Unterlagen entweder absichtlich zurückgehalten werden --möglicherweise, weil sie das Gegenteil der behaupteten Tatsache erkennen lassen-- oder die in den Bescheinigungen enthaltenen Bekundungen entweder ins Blaue hinein oder aus dem bloßen Gedächtnis aufgestellt werden. Es ist indes unbeschadet der Freiheit richterlicher Beweiswürdigung ausgeschlossen, aus dem bloßen Gedächtnis gemachte Angaben über den Ablauf eines mehr als 1 1/2 Jahre zurückliegenden Routinevorgangs der täglichen Arbeitspraxis eines LKW-Fahrers ohne nähere Angaben über die Gründe eines solch außergewöhnlichen Erinnerungsvermögens für zur richterlichen Überzeugungsbildung ausreichend zu erachten. Die Freiheit tatrichterlicher Überzeugungsbildung gestattet es nicht, eine nach der Lebenserfahrung zumindest wenig glaubhafte Bekundung gleichsam unbesehen als wahr hinzunehmen, obwohl ihr andere aussagekräftige Beweisanzeichen --hier: die Transportpläne, welche Ruhezeiten nicht ausweisen-- entgegenstehen.

Allein aufgrund der Behauptung der Klägerin konnte das FG ebenfalls nicht ohne einen Rechtsverstoß zu der Überzeugung gelangen, die fraglichen Ruhepausen seien eingelegt worden. Zwar ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Tatrichter ausnahmsweise allein aufgrund einer Würdigung des (streitigen) Vortrages eines der Beteiligten zu der für seine Entscheidung erforderlichen Überzeugung vom Vorliegen einer Tatsache gelangt. Dann muss dieser Vortrag freilich aus sich heraus so überzeugend und nahe liegend erscheinen, dass es der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (ausnahmsweise) gestattet, sich über eine gegenteilige Behauptung hinwegzusetzen, ohne dass für die Richtigkeit des Vortrages Beweismittel vorliegen. So war es hier indes offenkundig nicht; es ist ebenso gut denkbar, dass Pausen eingelegt worden sind, dies in den Transportplänen zu vermerken aber versäumt wurde, wie dass sie aus einem der zahlreichen dafür nahe liegenden Gründe nicht eingelegt worden sind.

b) Die Beweiswürdigung des FG dürfte darüber hinaus auf einem weiteren Rechtsmangel beruhen, der sie revisibel macht. Das FG hat die beiden von der Klägerin vorgelegten Bescheinigungen der Speditionen, die die beiden strittigen Transporte ausgeführt haben, offenbar als Beweismittel angesehen. Das ist jedoch rechtsfehlerhaft und muss seinerseits zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

Was ein Beweismittel ist, ergibt sich aus § 81 Abs. 1 , § 82 FGO i.V.m. den dort in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung ( ZPO ). Danach kann der Beweis durch Augenschein, durch Zeugenaussagen, durch Urkunden und durch Sachverständige sowie durch Vernehmung eines Beteiligten (Parteivernehmung) erbracht werden. Die Vorlage einer privatschriftlichen Bescheinigung, also einer schriftlichen Bekundung über eine beweiserhebliche Tatsache, ist danach keine Beweisführung, sondern Beteiligtenvortrag, und zwar auch dann, wenn es sich um die Erklärung eines Dritten handelt. Sie stellt jedenfalls dann keinen zulässigen Urkunds- oder gar Zeugenbeweis dar, wenn sie an die Stelle einer ohne weiteres möglichen Vernehmung des Ausstellers der betreffenden Bescheinigung als Zeuge gesetzt wird, sofern nicht die Voraussetzungen des § 377 Abs. 3 ZPO vorliegen und die dort vorausgesetzte Verfahrenshandhabung (gerichtlicher Beweisbeschluss) beachtet worden ist (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung , 5. Aufl., § 81 Rdnr. 12). Dies hat das FG möglicherweise verkannt, den vorgenannten Bescheinigungen zu Unrecht Beweismittelqualität zugemessen und dadurch Bundesrecht verletzt. Seine Annahme, es seien von beiden LKW zweistündige Fahrpausen eingelegt worden, könnte den Senat dann auch aus diesem Grund nicht binden.

Die Handhabung der "Beweiserhebung" durch das FG unterliefe überdies den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO ). Der Sinn dieses Grundsatzes und des aus ihm folgenden Gebots, Zeugen grundsätzlich selbst zu hören und sich nicht mit nur schriftlich übermittelten Bekundungen derselben zu begnügen, besteht gerade darin, es dem Gericht zu ermöglichen, aufgrund des persönlichen Eindrucks von dem Zeugen und durch kritische Nachfrage die Glaubhaftigkeit seiner Aussage zu überprüfen; dazu muss insbesondere dann Anlass bestehen, wenn nach allgemeinen Erfahrungssätzen zweifelhaft erscheinen muss, ob der Zeuge die von ihm in Anspruch genommene Erinnerungskraft im Hinblick auf die von ihm bekundeten Tatsachen überhaupt besitzen kann. So war es hier, wie bereits ausgeführt worden ist.

Ohne dass im Übrigen auf die Frage einzugehen wäre, ob der rechtliche Ausgangspunkt des FG zutrifft, dass die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhepausen trotz entgegenstehender Eintragungen in dem Transportplan anderweit nachgewiesen werden kann, ist folglich für die Revisionsentscheidung des Senats davon auszugehen, dass die Einhaltung dieser Ruhepausen nicht feststeht und, da die Klägerin die materielle Feststellungslast dafür trägt, für die rechtliche Würdigung des erkennenden Senats die Nichteinhaltung dieser Ruhepausen zu unterstellen ist.

2. Die Revisionsentscheidung hängt nach dem eben Erörterten davon ab, ob --wie das FG angenommen hat-- der Klägerin trotz Nichteinhaltung der Vorschriften der Richtlinie ein Anspruch auf Ausfuhrerstattung zusteht, sofern nicht nachgewiesen werden kann, dass die Nichteinhaltung der Vorschriften der Richtlinie zu einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere geführt hat. Das trifft indes nicht zu. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen des FG verletzen ebenfalls Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO ). Ein Verstoß gegen die Vorschriften vorgenannter Richtlinie, insbesondere eine Überschreitung der höchstens zulässigen Transportdauer, hat den Verlust des Anspruches auf Ausfuhrerstattung zur Folge, ohne dass dies zusätzlich davon abhängig wäre, dass tatsächliche Feststellungen dazu getroffen werden können, dass das Wohlbefinden der Tiere während des Transports beeinträchtigt war.

Die Rechtsfolge des Verlustes des Erstattungsanspruches bei Nichtbeachtung der Vorschriften der Richtlinie ist in den vorstehend bezeichneten Rechtsvorschriften angeordnet. Diese lassen keinen Raum für die vom FG für geboten gehaltene "Auslegung". Tiere wie Rinder müssen nach Abschn. 48 Nr. 4 Buchst. d des Anhangs der Richtlinie nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine mindestens einstündige Ruhepause erhalten. Diese Vorschrift ist klar und eindeutig und deshalb einer Auslegung weder bedürftig noch zugänglich. Dass die Einhaltung der Transportvorschriften der Richtlinie Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattung ist, ergibt sich ebenso klar und eindeutig aus Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 805/68 und Art. 1 VO Nr. 615/98; auch diese Vorschriften können nicht dahin "ausgelegt" werden, dass sie ungeachtet der Wahrung der Bestimmungen der Richtlinie einen Erstattungsanspruch gewähren, wenn nicht nachgewiesen ist, dass durch einen Verstoß gegen diese Bestimmungen das Wohlbefinden der Tiere im Einzelfall tatsächlich beeinträchtigt worden ist. Von einer diesbezüglichen Feststellung den Erstattungsanspruch abhängig zu machen, wäre auch sachwidrig. Denn die Transportvorschriften wollen erkennbar gerade standardisierte Anforderungen aufstellen, die um der Belange des Tierschutzes willen erforderlich erscheinen; diese sollen die mitunter schwierige Beurteilung erübrigen, ob im konkreten Einzelfall eine bestimmte Behandlung der Tiere beim Transport deren Wohlbefinden zuträglich oder jedenfalls gerade noch mit ihm vereinbar war oder ob sie keine "angemessene Behandlung" der Tiere im Sinne der Erwägungsgründe der Richtlinie darstellt. Es wäre überdies auch deshalb mit dem Funktionieren des Systems der Ausfuhrerstattungen unvereinbar, auf die konkrete Feststellung einer Beeinträchtigung des Wohls der Tiere während des Transports abzustellen, weil die Erstattungsbehörde in der Regel keine zuverlässigen Informationen über das Wohlbefinden der Tiere während des Transports hat und sich diese mit angemessenem Aufwand auch nicht verschaffen kann.

Dem Verordnungsgeber kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch verstoßen zu haben, dass er den Erstattungsanspruch von der strikten Beachtung der Transportvorschriften der Richtlinie abhängig gemacht hat.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, gebietet zwar, dass die von einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (vgl. statt aller Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 7. Dezember 1993 Rs. C-339/92, EuGHE 1993, I-6473, und vom 11. Juli 2002 Rs. C-210/00, EuGHE 2002, I-6453). Es dürfte indes kein geeignetes, jedoch milderes, die Interessen der Exporteure bei Wahrung der Belange der Verwaltung weniger beeinträchtigendes Mittel zu Gebote stehen, um die vom Verordnungsgeber für zum Schutz der Tiere erforderlich und angemessen gehaltenen Maßgaben durchzusetzen. Dafür konnte es vielmehr erforderlich erscheinen, --wie in der Richtlinie geschehen-- bestimmte Standards aufzustellen und deren Einhaltung ungeachtet der Auswirkungen eines Verstoßes gegen diese auf das Wohlbefinden der Tiere im Einzelfall zu verlangen. Die Exporteure kennen diese Standards oder können sich die erforderliche Kenntnis unschwer verschaffen; sie können sich auf die diesbezüglichen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts einstellen, wenn sie bei ihren Geschäften Ausfuhrvergünstigungen in Anspruch nehmen wollen, was die maximal zugelassenen Transportzeiten angeht, etwa auch dadurch, dass bei der Planung des Transports unvorhersehbare, jedoch immer wieder vorkommende Verzögerungen von vornherein berücksichtigt werden.

Ob die große Bedeutung, die der gemeinschaftliche Gesetzgeber der Wahrung des Tierschutzes bei der Ausfuhr von lebendem Vieh beigemessen hat, gerechtfertigt ist und insbesondere auch den Interessen der Exportwirtschaft ausreichend Rechnung trägt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang; dies steht als eine Frage der Gewichtung der Belange des Tierschutzes nicht zur Beurteilung der Gerichte. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet auch nicht, statt des von den einschlägigen Vorschriften angeordneten Verlustes des Erstattungsanspruches bei einem Verstoß gegen die Transportvorschriften der Richtlinie ein nach der Schwere dieses Verstoßes abgestuftes System von Verwaltungssanktionen vorzusehen; ein solches könnte geradezu dazu verleiten, die Vorgaben der Richtlinie nicht strikt zu befolgen, wenn dies im Falle der Entdeckung etwa nur eine Kürzung des Erstattungsanspruches nach sich zöge.

3. Das Urteil des FG kann nach alledem keinen Bestand haben. Der erkennende Senat hält es für erforderlich, die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ), um diesem Gelegenheit für eine erneute Prüfung zu geben, ob die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhepause, für welche die Klägerin die materielle Feststellungslast trägt, doch noch festgestellt werden kann. Dass hierfür Beweismittel herbeigeschafft werden können, ist zwar zweifelhaft, indes nicht auszuschließen. Den Beteiligten wird Gelegenheit zu geben sein, hierzu in Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht vorzutragen, insbesondere etwa auch dazu, ob sie sich von einer Vernehmung der betreffenden LKW-Fahrer als Zeugen nach nunmehr fünf Jahren für eine tatrichterliche Überzeugungsbildung brauchbare Erkenntnisse versprechen.

Vorinstanz: FG Hamburg, vom 10.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen IV 159/03
Fundstellen
BB 2005, 1780
BFH/NV 2005, 1713
BFHE 210, 70
DB 2005, 1778
DStRE 2005, 1166
NJW 2005, 2944