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BFH - Entscheidung vom 05.07.2005

VII B 7/05

BFH, Beschluss vom 05.07.2005 - Aktenzeichen VII B 7/05

DRsp Nr. 2005/17301

Gründe:

I. Das Hauptzollamt X, dessen Zuständigkeit auf den Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) übergegangen ist, setzte mit Steuer- und Zinsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung Tabaksteuer und Hinterziehungszinsen für im April 2000 eingeschmuggelte unversteuerte Zigaretten gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit der Begründung fest, dass der Kläger diese Zigaretten erworben habe.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Tabaksteuer nach § 19 des Tabaksteuergesetzes entstanden und der Kläger Schuldner der Steuer sei, weil er den Besitz an den Zigaretten erlangt habe. Das FG stützte seine Entscheidung auf die protokollierte Aussage des Tatbeteiligten V anlässlich seiner Vernehmung durch das Zollfahndungsamt. Dieser hatte seinerzeit ausgesagt, dass die Zigaretten durch einen Geschäftspartner E des Klägers per LKW von Ungarn nach Deutschland versandt worden seien. Er (V) und sein Bruder hätten in einem PKW den LKW begleitet. Auf einem Autohof habe man den Kläger getroffen, der in seinem PKW dem LKW bis zu einer Autohalle vorausgefahren sei, wo dann der Kläger auch beim Abladen geholfen habe. Aufgrund dieser Angaben war das FG der Ansicht, dass der Kläger der Empfänger der Zigaretten gewesen sei und den Besitz an diesen erlangt habe, da er habe bestimmen können, wohin die Zigaretten hätten verbracht und wo sie hätten abgeladen werden sollen. An der Glaubwürdigkeit des V bestünden keine Zweifel, da V mit dieser detaillierten Aussage sich selbst und seinen Bruder belastet habe und da vergleichbare Steuerstraftaten des Klägers zeigten, dass er schon seit längerer Zeit am Zigarettenschmuggel beteiligt gewesen sei. Da der in Ungarn wohnende V (ebenso E) als Zeuge geladen, jedoch nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sei und es keine Möglichkeit gebe, sein Erscheinen zu erzwingen, sei er als unerreichbar anzusehen, weshalb seine protokollierte Aussage im Wege des Urkundsbeweises habe verwertet werden können. Von einer Vernehmung der Zeugen in Ungarn im Wege der Amtshilfe sei abgesehen worden, weil es im Streitfall auf den persönlichen Eindruck und die Glaubwürdigkeit der Zeugen ankomme.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) stützt. Das FG habe trotz vorliegender Beweisangebote und seiner Amtsermittlungspflicht die erforderlichen Informationen nicht eingeholt. So habe es zu Unrecht von der Möglichkeit abgesehen, die Zeugen V und E im Amtshilfeverfahren durch die ungarischen Behörden vernehmen zu lassen. Auf Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des V sei das FG hingewiesen worden und E hätte bestätigen können, dass der Kläger V erst im Sommer 2000 kennen gelernt habe, weshalb ein gemeinsamer Zigarettenschmuggel im April 2000 auszuschließen sei. Des Weiteren hätte die gegen V ermittelnde Staatsanwältin als Zeugin vernommen werden und Angaben zur Glaubwürdigkeit des V machen können; auch diese Vernehmung habe das FG rechtsfehlerhaft unterlassen. Trotz der erheblichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des V, der nach seiner Festnahme mehrfach unterschiedliche Angaben gemacht habe, habe das FG eine Beweisaufnahme für nicht erforderlich gehalten. V, der inzwischen in der JVA einsitze, habe zudem mit schriftlicher Erklärung seine frühere Aussage widerrufen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.

Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1989 IV R 299/83, BFHE 157, 106 , BStBl II 1989, 727 , und BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608 ). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung ), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge (Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597 ). An entsprechenden Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall; auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem FG ergibt sich kein Hinweis, dass der Kläger Beweisanträge gestellt oder das Übergehen zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisanträge gerügt hat. Vielmehr hat der Klägervertreter nach der Abgabe des Sachberichts und der Erörterung der Sach- und Rechtslage rügelos zur Sache verhandelt und den Klageantrag gestellt. Auf die Rüge ist damit wirksam verzichtet worden, so dass die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben kann.

Gleiches gilt, soweit das FG seine Entscheidung auf die protokollierte Aussage des V gestützt hat, ohne diesen in der mündlichen Verhandlung als Zeugen zu vernehmen. Auch der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO ) ist eine Verfahrensvorschrift, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (BFH-Beschluss vom 14. Januar 2002 IX B 115/01, BFH/NV 2002, 667 ). Dass die unterlassene Vernehmung des V in der mündlichen Verhandlung von Seiten des Klägers gerügt worden ist, ist weder in der Beschwerdebegründung dargelegt noch aus dem Sitzungsprotokoll ersichtlich.

Die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines --insoweit maßgeblichen-- Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140 , BStBl II 2000, 93 ).

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerde nicht gerecht. Anders als die Beschwerde meint, war es vom rechtlichen Standpunkt des FG aus nicht ermessenfehlerhaft, dass es von einer Vernehmung des V in Ungarn im Wege der Amtshilfe absah (vgl. dazu: BFH-Beschluss vom 21. Mai 1992 VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32). Das FG hat in den nach seiner Einschätzung detaillierten Angaben des V in seiner Vernehmung vom ... keine Anhaltspunkte gesehen, an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Die Behauptung des Klägers, V im April 2000 noch nicht gekannt zu haben, hat das FG als nicht erheblich angesehen, da V nach dem von ihm geschilderten Geschehensablauf bei dem Zigarettentransport keinen Kontakt mit dem Kläger gehabt habe. Demgegenüber legt die Beschwerde nicht dar, welche Tatsachen zur Glaubwürdigkeit des V sich bei einer Vernehmung im Wege der Amtshilfe --d.h. ohne den persönlichen Eindruck vom Zeugen-- ergeben hätten, deren Aufklärung sich dem FG hätte aufdrängen müssen. Auch wird nicht dargelegt, welche Angaben zur Glaubwürdigkeit des V die ermittelnde Staatsanwältin hätte machen können, abgesehen von dem Umstand, dass V in Geschäfte mit geschmuggelten Zigaretten verwickelt war, was dem FG aber ohnehin bekannt war. Der schriftliche Widerruf der früheren Aussage des V konnte das FG schon deshalb nicht zu weiteren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung veranlassen, weil dieser Widerruf erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgte.

Soweit die Beschwerde rügt, dass das FG die früheren Angaben des V für glaubwürdig gehalten hat, legt sie keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, weil die Grundsätze der Beweiswürdigung dem materiellen Recht zuzuordnen sind (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 5. Aufl., § 115 Rz. 82 f.). Mit den geltend gemachten Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des V wendet sich die Beschwerde gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.).

Vorinstanz: FG München, vom 18.11.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 14 K 791/03