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BFH - Entscheidung vom 23.05.2005

III B 191/04

BFH, Beschluss vom 23.05.2005 - Aktenzeichen III B 191/04

DRsp Nr. 2005/10828

Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat einen am 16. Mai 1970 geborenen Sohn, dem wegen Drogenabhängigkeit und einem chronisch-entzündlichen Leberleiden mit Bescheid des zuständigen Versorgungsamtes vom 7. Juni 1999 ein Grad der Behinderung von 50 % zuerkannt wurde.

Ende Juli 1998 erfuhr der Beklagte und Beschwerdegegner (Familienkasse), dass der Sohn des Klägers neben dem Sozialhilferegelsatz weitere Sozialhilfeleistungen u.a. auch für die Miete erhalten hatte. Mit Bescheid vom 7. November 2000 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab dem 1. Januar 1996 auf und forderte vom Kläger die in diesem Zeitraum geleisteten Kindergeldbeträge von insgesamt 6 360 DM zurück.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führt in seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, dass die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung zu Recht auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ( AO 1977 ) aufgehoben habe. Der Sohn des Klägers sei nicht außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --), weil er neben dem Sozialhilferegelsatz auch noch Wohngeld, eine Bekleidungspauschale sowie Einmalzahlungen für Bettwäsche, eine Matratze, eine Zudecke, Betriebskosten- und Nebenkostennachzahlungen und Weihnachtsbeihilfen erhalten habe. Da der Kläger für die gegenüber seinem Sohn erbrachten Sozialhilfeleistungen nicht vom Sozialhilfeträger in Regress genommen werde, sei er nach § 37 Abs. 2 AO 1977 zur Rückzahlung des Kindergeldes verpflichtet.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger als Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ( FGO ) die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts gemäß § 76 FGO geltend.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO ).

Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht in zulässiger Form dargelegt und begründet (§§ 115 Abs. 2 Nr. 3 , 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ).

1. Wird Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG geltend gemacht, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608 , und vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217 ). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz nach § 76 Abs. 1 FGO eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter --ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge-- verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung -- ZPO --), hat die unterlassene rechtzeitige Rüge den endgültigen Rügeverlust, so z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, zur Folge.

Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht kann nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen mündlichen Verhandlung anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem dies in der mündlichen Verhandlung erkennbar war, den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat. Der Rügeberechtigte muss die Rüge sowie die übergangenen Beweisanträge zu Protokoll erklären (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597 ; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung , 5. Aufl., § 116 Rz. 49; Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung , § 81 FGO Tz. 34, § 115 FGO Tz. 92).

2. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

a) Der Kläger rügt, aufgrund seines Vorbringens nebst Beweisantritt zur mangelnden eigenen Leistungsfähigkeit seines Sohnes und einer entsprechenden Rüge in der mündlichen Verhandlung hätte das FG nach § 76 FGO weitere Feststellungen treffen müssen. Er hat insoweit aber nicht vorgetragen, dass er diese Rüge sowie die entsprechenden Beweisanträge ordnungsgemäß zu Protokoll erklärt hätte. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung weist insofern auch lediglich die gestellten Sachanträge aus. Dies hat den entsprechenden Rügeverlust zur Folge.

b) Dasselbe gilt für den Vortrag des Klägers, es sei nicht ausgeschlossen, dass er selbst von den Sozialbehörden wegen der gegenüber seinem Sohn erbrachten Sozialleistungen noch in Anspruch genommen werde. Zwar führt er in diesem Zusammenhang ebenfalls aus, in der mündlichen Verhandlung eine entsprechende noch fehlende Sachverhaltsaufklärung nach § 76 FGO gerügt zu haben. Da sich dieser Vortrag jedoch gleichfalls nicht dem Verhandlungsprotokoll entnehmen lässt, bedeutet dies einen Rügeverzicht und hat damit ebenfalls den entsprechenden Rügeverlust zur Folge.

c) Soweit der Kläger mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung geltend macht, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag bzw. dessen Rügeverlust von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO ) den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so wären für eine schlüssige Verfahrensrüge Ausführungen dazu erforderlich gewesen, welche Tatsachen das FG hätte aufklären müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunkts die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978 ; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43 , jew. m.w.N.). Ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht ist in diesem Zusammenhang nur gegeben, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, nicht genutzt hat (Tipke/Kruse, aaO., § 115 FGO Tz. 91).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers in seiner Beschwerdeschrift nicht.

Insbesondere ist auch nicht vorgetragen oder erkennbar, aus welchen Gründen sich dem FG eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Der Kläger beschränkt sich insofern auf allgemein gehaltene Angaben, ohne im Einzelnen auf den vom FG festgestellten Sachverhalt einzugehen und sich damit auseinander zu setzen. Soweit er in diesem Zusammenhang ausführt, das FG hätte nur den an seinen Sohn ausgezahlten Barbetrag von 520 DM und das pauschale Wohngeld von 265 DM zugrunde legen dürfen, lässt er fehlerhaft außer Betracht, dass nach den Feststellungen des FG der Sozialleistungsträger die tatsächlich geschuldete Miete für den Sohn des Klägers abgeführt hat. Deshalb gehört die --das pauschal gezahlte Wohngeld übersteigende-- Miete ebenfalls zu den anrechenbaren Bezügen des Sohnes.

3. Indem der Kläger ausführt, das FG habe fehlerhaft die unzutreffende Anwendung von § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 durch die Familienkasse nicht beanstandet sowie die Grundsätze von Treu und Glauben verletzt, rügt er im Kern fehlerhafte Rechtsanwendung des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166 ), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

Vorinstanz: FG Schleswig-Holstein, vom 27.10.2004 - Vorinstanzaktenzeichen 3 K 50075/01