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BGH - Entscheidung vom 24.02.2022

I ZR 176/19

Normen:
Richtlinie 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 S. 1
RL 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 S. 1
RL 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 S. 1

Fundstellen:
BB 2022, 1281
GRUR 2022, 993
MDR 2022, 1107
WRP 2022, 863

BGH, Beschluss vom 24.02.2022 - Aktenzeichen I ZR 176/19

DRsp Nr. 2022/8124

Unzulässige Werbung bei einem Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: a) Erfasst der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU das Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten in der Weise, dass die darin befindlichen Zigarettenpackungen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen, die Zigarettenpackungen aber zunächst für den Verbraucher nicht sichtbar im Automaten vorrätig gehalten werden und die darauf befindlichen Warnhinweise erst sichtbar werden, sobald der zuvor vom Kassenpersonal freigegebene Automat vom Kunden betätigt und die Zigarettenpackung dadurch noch vor dem Bezahlvorgang auf das Kassenband ausgegeben wird?b) Erfasst das in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU enthaltene Verbot, die Warnhinweise "durch sonstige Gegenstände zu verdecken", den Fall, dass im Rahmen der Warenpräsentation durch einen Automaten die ganze Tabakverpackung verdeckt wird?

Tenor

I.

Das Verfahren wird ausgesetzt.

II.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Erfasst der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU das Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten in der Weise, dass die darin befindlichen Zigarettenpackungen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen, die Zigarettenpackungen aber zunächst für den Verbraucher nicht sichtbar im Automaten vorrätig gehalten werden und die darauf befindlichen Warnhinweise erst sichtbar werden, sobald der zuvor vom Kassenpersonal freigegebene Automat vom Kunden betätigt und die Zigarettenpackung dadurch noch vor dem Bezahlvorgang auf das Kassenband ausgegeben wird?

2.

Erfasst das in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU enthaltene Verbot, die Warnhinweise "durch sonstige Gegenstände zu verdecken", den Fall, dass im Rahmen der Warenpräsentation durch einen Automaten die ganze Tabakverpackung verdeckt wird?

Normenkette:

RL 2014/40/EU Art. 8 Abs. 3 S. 1;

Gründe

A. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG . Der Beklagte betreibt zwei Supermärkte in M. . An den Kassen dieser Märkte bot er nach dem 20. Mai 2017 Zigaretten in dem nachfolgend abgebildeten Ausgabeautomaten zum Verkauf an:

Die in dem Ausgabeautomaten vorrätig gehaltenen Zigarettenpackungen waren für den Kunden nicht sichtbar. Die auf dem Ausgabeautomaten angebrachten Warenauswahltasten ließen zwar verschiedene Zigarettenmarken erkennen, wiesen aber nicht die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf.

Der Verkauf erfolgte in der Weise, dass der Kunde zunächst das Kassenpersonal um die Freigabe des Ausgabeautomaten ersuchte und sodann die Auswahltaste der von ihm gewünschten Zigarettenmarke betätigte. Daraufhin wurde die Zigarettenpackung aus der Ausgabevorrichtung des Automaten auf das Kassenband befördert. Die Bezahlung der Zigarettenpackung erfolgte sodann an der Kasse, sofern der Kunde an seiner Erwerbsabsicht festhielt. Diese Organisation des Verkaufsvorgangs durch den Ausgabeautomaten diente der Verhinderung von Diebstählen und dem Jugendschutz.

Der Kläger beanstandet das Anbieten von Zigaretten über den von der Beklagten betriebenen Ausgabeautomaten als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen das Verbot der Verdeckung der auf den Zigarettenpackungen aufgebrachten gesundheitsbezogenen Warnhinweise und der irreführenden Unterlassung durch Vorenthaltung von für den Verbraucher wesentlichen Informationen.

Der Kläger hat beantragt, dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr

Tabakprodukte, nämlich Zigaretten, so zum Verkauf anzubieten, dass die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen und den Außenverpackungen im Zeitpunkt des Anbietens verdeckt sind, wenn dies geschieht, wie in Anlage A [entspricht der oben eingeblendeten Abbildung] wiedergegeben;

Hilfsweise:

Tabakprodukte, nämlich Zigaretten, so zum Verkauf anzubieten, dass statt der Produktverpackung Abbildungen der Verpackung ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise präsentiert werden, wenn dies geschieht wie in Anlage A [entspricht der oben eingeblendeten Abbildung] wiedergegeben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG München I, LMuR 2018, 215). Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, WRP 2019, 1380 ). Der Kläger verfolgt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, seine Klageanträge weiter.

Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Juni 2020 (GRUR 2020, 1002 = WRP 2020, 1300 - Zigarettenausgabeautomat I) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung von Art. 8 Abs. 3 und Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Erfasst der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU das Darbieten von Tabakerzeugnissen über Warenausgabeautomaten in der Weise, dass die darin befindlichen Zigarettenpackungen zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise aufweisen, die Zigarettenpackungen aber zunächst für den Verbraucher nicht sichtbar im Automaten vorrätig gehalten werden und die darauf befindlichen Warnhinweise erst sichtbar werden, sobald der zuvor vom Kassenpersonal freigegebene Automat vom Kunden betätigt und die Zigarettenpackung dadurch noch vor dem Bezahlvorgang auf das Kassenband ausgegeben wird?

2.

Erfasst das in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU enthaltene Verbot, die Warnhinweise "durch sonstige Gegenstände zu verdecken", den Fall, dass im Rahmen der Warenpräsentation durch einen Automaten die ganze Tabakverpackung verdeckt wird?

3.

Ist das Tatbestandsmerkmal "Bilder von Packungen" in Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU auch dann erfüllt, wenn es sich bei einer Abbildung zwar nicht um ein naturgetreues Abbild der Originalverpackung handelt, der Verbraucher das Bild aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer Tabakverpackung assoziiert?

4.

Ist den Anforderungen des Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU unabhängig von der verwendeten Abbildung bereits dann genügt, wenn der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrags die Gelegenheit hat, die Zigarettenverpackungen mit den vorgeschriebenen Warnhinweisen wahrzunehmen?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 9. Dezember 2021 (C-370/20, GRUR 2022, 93 = WRP 2022, 159 - Pro Rauchfrei) wie folgt entschieden:

1.

Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG ist dahin auszulegen, dass ein Bild, bei dem es sich zwar nicht um eine naturgetreue Wiedergabe einer Zigarettenpackung handelt, der Verbraucher es aber aufgrund seiner Gestaltung hinsichtlich Umrissen, Proportionen, Farben und Markenlogo mit einer solchen Packung assoziiert, ein "Bild von einer Packung" im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.

Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ist dahin auszulegen, dass ein Bild einer Zigarettenpackung, das unter diese Bestimmung fällt, auf dem aber nicht die gesundheitsbezogenen Warnhinweise gemäß Titel II Kapitel II der Richtlinie zu sehen sind, selbst dann nicht mit dieser Bestimmung vereinbar ist, wenn der Verbraucher vor dem Erwerb der Zigarettenpackung die Gelegenheit hat, diese Warnhinweise auf der dem Bild entsprechenden Zigarettenpackung wahrzunehmen.

B. Der Erfolg der Revision hängt vorrangig von der Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen ab. Vor einer Entscheidung über die Revision des Klägers ist deshalb erneut das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag seien unbegründet, weil beim Inverkehrbringen von Zigaretten unter Einsatz des streitgegenständlichen Ausgabeautomaten weder die für die Packungsgestaltung vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise verdeckt noch Abbildungen/Bilder von Zigarettenpackungen ohne solche Warnhinweise gezeigt würden. Hierzu hat es ausgeführt:

Der auf das Verbot des Verdeckens der auf den Zigarettenpackungen aufgebrachten gesundheitsbezogenen Warnhinweise gerichtete Unterlassungshauptantrag sei nicht begründet. Eine unlautere geschäftliche Handlung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs liege nicht vor. Das gesetzliche Verbot des Verdeckens von Warnhinweisen erfasse keine Verkaufsmodalitäten wie das Vorrätighalten der Zigarettenpackungen "unter Verschluss" in dem streitgegenständlichen Ausgabeautomaten. Ein Verdecken der Warnhinweise könne jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn der Verbraucher - wie im Streitfall - vor Abschluss des Kaufvertrags die konkret zu erwerbende Zigarettenpackung mit dem nicht verdeckten gesundheitsbezogenen Warnhinweis wahrnehmen und seine Kaufentscheidung im Bewusstsein der auf der Verpackung angebrachten, nicht verdeckten Warnhinweise treffen oder von ihr Abstand nehmen könne.

Eine Irreführung durch Unterlassen liege ebenfalls nicht vor. Der Beklagte habe durch die Verwendung des beanstandeten Ausgabeautomaten dem Verbraucher keine für seine geschäftliche Entscheidung wesentliche Information vorenthalten. Dieser habe die Warnhinweise jeweils vor dem Kaufvertragsabschluss auf der zum Kauf ausgewählten und vom Automaten auf das Kassenband ausgegebenen Zigarettenpackung zur Kenntnis nehmen können.

Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Das gesetzliche Gebot, nach dem Bilder von Packungen die gesundheitsbezogenen Warnhinweise ebenfalls enthalten müssten, diene der Verhinderung der Umgehung der Kennzeichnungsvorschriften. Es gelte nur, wenn das Bild der Packung gegenüber dem Verbraucher anstelle der Präsentation der Packung selbst verwendet werde. Daran fehle es im Streitfall, weil der Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrags die Packung selbst mit den dort aufgebrachten Warnhinweisen zur Kenntnis nehmen könne.

II. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die vom Senat mit seinem Beschluss vom 25. Juni 2020 zur Auslegung des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2014/40/EU gestellten klärungsbedürftigen und für die Entscheidung über den vorrangig zu prüfenden Hauptantrag entscheidungserheblichen Fragen Nr. 1 und Nr. 2 bislang nicht beantwortet. Diese Fragen werden dem Gerichtshof deshalb erneut zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil dem Senat eine Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne die begehrte Vorabentscheidung aus Rechtsgründen nicht möglich ist.

1. Der Senat ist gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage der sich im Streitfall für die Entscheidung über den Hauptantrag erheblichen und klärungsbedürftigen Fragen Nr. 1 und Nr. 2 verpflichtet.

a) Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 288 Abs. 1 AEUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung von Richtlinien im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV . Wird eine derartige Auslegungsfrage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV ). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, von dieser Pflicht nur dann befreit werden, wenn es festgestellt hat, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die Vorschrift des Unionsrechts bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Auslegung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici; Urteil vom 6. Oktober 2021 - C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33 - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi).

b) In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat der Senat, dessen Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des deutschen Rechts angefochten werden können, in seinem Beschluss vom 25. Juni 2020 dargelegt, dass der Erfolg der Revision von der Beantwortung der den Klagehauptantrag betreffenden, in den Vorlagefragen Nr. 1 und Nr. 2 formulierten klärungsbedürftigen Fragen zur Auslegung des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU in entscheidungserheblicher Weise abhängt (BGH, GRUR 2020, 1002 Rn. 13 bis 47 - Zigarettenausgabeautomat I). Auf diese Begründung wird Bezug genommen.

2. Die Verpflichtung des Senats zur Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Vorabentscheidung der Vorlagefragen Nr. 1 und Nr. 2 ist durch das Urteil des Gerichtshofs vom 9. Dezember 2021 (GRUR 2022, 93 - Pro Rauchfrei) nicht entfallen. Mit seinem Urteil hat der Gerichtshof lediglich die Vorlagefragen Nr. 3 und Nr. 4 beantwortet. Diese betreffen allerdings den vom Kläger nur hilfsweise gestellten Klageantrag und können nach dem vom Senat anzuwendenden nationalen Recht erst dann entscheidungserheblich werden, wenn der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Der Erfolg des Hauptantrags wiederum hängt von der vorherigen Beantwortung der vorrangig zu prüfenden Vorlagefragen Nr. 1 und Nr. 2 durch den Gerichtshof der Europäischen Union ab.

a) In einem Verfahren nach Art. 267 AEUV , das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, ist allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen (EuGH, NJW 2021, 3303 Rn. 35 - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi, mwN). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (EuGH, Urteil vom 10. Februar 2022, C-219/20, BeckRS 2022, 1481 Rn. 20 - Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld, mwN).

b) Der Senat hat in seinem Beschluss vom 25. Juni 2020 ausgeführt, dass die Begründetheit des Hauptantrags von der Beantwortung der Vorlagefragen Nr. 1 und Nr. 2 abhängt (GRUR 2020, 1002 Rn. 13 bis 47 - Zigarettenausgabeautomat I). Er hat dem Gerichtshof der Europäischen Union außerdem dargelegt, dass es auf den Erfolg des Hilfsantrags und die dazu gestellten Vorlagefragen Nr. 3 und Nr. 4 nur dann entscheidungserheblich ankommt, falls die Beantwortung der Fragen Nr. 1 und Nr. 2 zu dem Ergebnis führt, dass der Hauptantrag unbegründet ist (BGH, GRUR 2020, 1002 Rn. 48 - Zigarettenausgabeautomat I).

c) Mit dieser Begründung hat der Senat die nach der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner Verantwortung liegende Aufgabe erfüllt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Nach der im deutschen Zivilprozessrecht für den hier in Rede stehenden Parteiprozess maßgeblichen Dispositionsmaxime kann die klagende Partei mehrere Anträge als Haupt- und Hilfsantrag zum Gegenstand ihrer Klage machen (§§ 260 , 308 Abs. 1 ZPO ). Das von der klagenden Partei vorgegebene Abhängigkeitsverhältnis dahingehend, dass über den Hilfsantrag nicht entschieden werden darf, bevor über den Hauptantrag entschieden wurde, ist vom Senat zwingend zu beachten (§ 308 Abs. 1 ZPO , vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1989 - V ZR 137/87, NJW-RR 1989, 650 [juris Rn. 11]; Zöller/Greger, ZPO , 34. Aufl., § 260 Rn. 4b; MünchKomm.ZPO/BeckerEberhard, ZPO , 6. Aufl., § 260 Rn. 49; Musielak in Musielak/Voit, ZPO , 19. Aufl., § 308 Rn. 18). Danach ist es aus Rechtsgründen geboten, vorrangig die vom Senat in Bezug auf den Hauptantrag formulierten Vorlagefragen Nr. 1 und Nr. 2 zu beantworten.

Verkündet am: 24. Februar 2022

Vorinstanz: LG München I, vom 05.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 17 HKO 17753/17
Vorinstanz: OLG München, vom 25.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 29 U 2440/18
Fundstellen
BB 2022, 1281
GRUR 2022, 993
MDR 2022, 1107
WRP 2022, 863