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BVerfG - Entscheidung vom 18.06.2021

2 BvR 1077/21

Normen:
BVerfGG § 32 Abs. 1
BGB § 295 S. 1
ZPO § 885a Abs. 4 S. 1
BVerfGG § 32 Abs. 1
BGB § 295 S. 1
ZPO § 885a Abs. 4 S. 1
BVerfGG § 32 Abs. 1

Fundstellen:
ZMR 2021, 804

BVerfG, Beschluss vom 18.06.2021 - Aktenzeichen 2 BvR 1077/21

DRsp Nr. 2021/10042

Vorliegen eines schweren Nachteils durch den Nichterlass einer einstweiligen Anordnung

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Normenkette:

BVerfGG § 32 Abs. 1 ;

[Gründe]

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 76, 253 <255>). Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2006 - 1 BvQ 33/06 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. November 2015 - 2 BvQ 43/15 -, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2017 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 9). Selbst wenn eine Verfassungsbeschwerde in der Sache Aussicht auf Erfolg hat, kommt ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in Betracht, wenn ein schwerer Nachteil im Sinne des § 32 BVerfGG dargelegt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Juni 2020 - 1 BvR 1378/20 -, Rn. 4; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juli 2020 - 1 BvR 1617/20 -, Rn. 5; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. September 2020 - 2 BvR 336/20 -, Rn. 7 f.).

2. Ein solcher ist hier auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer allein aufgrund der von ihm gerügten verzögerten Entscheidung des Amtsgerichts aktuell der Verlust seiner gesamten in der Wohnung verbliebenen Habe droht, wenn eine einstweilige Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht nicht erlassen wird. Denn der Ablauf der Monatsfrist des § 885a Abs. 4 ZPO hat nicht unmittelbar zur Folge, dass der von ihm vor dem Amtsgericht geltend gemachte Herausgabeanspruch untergeht oder vor den Fachgerichten nicht mehr rechtzeitig geltend gemacht werden kann.

Nach § 885a Abs. 4 Satz 1 und 4 ZPO kann der Gläubiger die im Räumungsobjekt befindlichen Sachen lediglich dann verwerten beziehungsweise vernichten, wenn der Schuldner die Sachen nicht binnen einer Frist von einem Monat nach Einweisung des Gläubigers in den Besitz abfordert. Der Beschwerdeführer hat aber nach seinem Vortrag seinen gesamten Besitz von der Gläubigerin abgefordert.

In einem solchen Fall richtet sich das Recht des Gläubigers, die Sachen zu verwerten oder vernichten, nach den allgemeinen Vorschriften. Insbesondere greift damit das in § 885a Abs. 4 ZPO normierte Recht der Gläubigerin, die Sachen zu verwerten beziehungsweise zu vernichten, nicht mehr ein. Die Gläubigerin ist vielmehr zunächst gehalten, den Beschwerdeführer in Annahmeverzug zu setzen. Hierfür müsste die Gläubigerin dem Beschwerdeführer nach § 295 Satz 1 BGB ein wörtliches Angebot zur Abholung der Sachen machen. Insoweit folgt aus § 885 ?a Abs. 4 Satz 1 ZPO , dass der Räumungsgläubiger den Räumungsschuldner nicht vor Ablauf der Wartefrist von einem Monat durch ein Angebot nach § 295 Satz 1 BGB in Annahmeverzug setzen kann (vgl. Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 885a ZPO Rn. 37).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorinstanz: AG Hamburg-Mitte, - Vorinstanzaktenzeichen 44 C 187/21
Fundstellen
ZMR 2021, 804