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BSG - Entscheidung vom 29.09.2021

B 5 R 178/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 29.09.2021 - Aktenzeichen B 5 R 178/21 B

DRsp Nr. 2021/18624

Vormerkung von Beitragszeiten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Die im Jahr 1956 in Russland geborene und im März 1998 zusammen mit ihrem Ehemann nach Deutschland übergesiedelte Klägerin begehrt die Vormerkung des Zeitraums vom 1.12.1974 bis zum 2.3.1998 als Beitragszeit und des Zeitraums vom 1.8.1984 bis zum 30.6.1985 als Kindererziehungszeit in ihrem Versicherungsverlauf. Das SG hat ihre Klage gegen den Bescheid vom 4.3.2016 und Widerspruchsbescheid vom 4.5.2016, in denen die Beklagte eine entsprechende Überprüfung und Ergänzung des Vormerkungsbescheids vom 3.9.2002 ablehnte, abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3.3.2020). Die Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen. Eine Berücksichtigung dieser Zeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung komme weder nach zwischen- oder überstaatlichen Regelungen noch nach dem FRG in Betracht. Das FRG sei auf die Klägerin als Ehegatte eines Spätaussiedlers nicht anwendbar (Urteil vom 6.5.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt einen Verfahrensmangel.

II

1. Nach Schließung des 13. Senats zum 1.7.2021 durch Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24.6.2021 (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG ) ist die Zuständigkeit für die ursprünglich unter dem Aktenzeichen B 13 R 133/21 B geführte Streitsache gemäß Geschäftsverteilungsplan (Stand 1.7.2021) auf den 5. Senat übergegangen.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch einen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

a) Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt.

Eine Rechtssache hat nur dann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage zu revisiblem Recht 162 SGG ) aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Revisionszulassungsgrundes (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) muss der Beschwerdeführer daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

aa) Sie bezeichnet folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam:

"Zählen Ehegatten eines Spätaussiedlers im Sinne des § 1 lit. a Alternative 1 FRG ebenso wie Ehegatten eines Vertriebenen im Sinne des § 1 lit. a Alternative 2 FRG zu dem von § 1 lit. a FRG erfassten Personenkreis?"

Zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage führt die Klägerin aus, die Nichteinbeziehung von Ehegatten von Spätaussiedlern in den Anwendungsbereich des § 1 Buchst a FRG im Gegensatz zur anerkannten Einbeziehung von Ehegatten von Vertriebenen müsse überprüft werden, da diese unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt sei. Die Rechtsfrage sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Sie setzt sich jedoch nicht mit der im angefochtenen Urteil vom LSG zitierten Entscheidung des Senats vom 23.6.1999 (B 5 RJ 44/98 R - SozR 3-5050 § 1 Nr 4, s nachfolgend auch BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 39/98 R - juris RdNr 23 mwN) auseinander. Danach erstreckt sich seit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 12.12.1992 (BGBl I 2094) zum 1.1.1993 für nach diesem Zeitpunkt aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion Ausreisende der Spätaussiedlerstatus nicht auf Ehegatten von Spätaussiedlern. Eine Fiktion für Ehegatten, wie sie für die vor dem 1.1.1993 ausgereisten Vertriebenen in § 1 Abs 3 BVFG enthalten ist, gibt es für nach diesem Stichtag ausreisende Spätaussiedler nach dem neuen Recht nicht mehr (vgl BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 39/98 R - juris RdNr 23). Diese Differenzierung für Sachverhalte vor und nach dem Stichtag hat das BSG mit ausführlicher Begründung für verfassungskonform erachtet (vgl BSG Urteil vom 26.1.2000 aaO RdNr 24 ff). Das BVerfG hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.8.2000 - 1 BvR 934/00). Mit all dem befasst sich die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht. Ihren Ausführungen ist insbesondere nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen ein Bedarf zur erneuten Klärung der genannten, vom BSG bereits beantworteten Frage entstanden sein könnte.

bb) Soweit die Klägerin vorträgt, es müsse auch das Problem ihres Status als Vertriebene geklärt werden, bezeichnet sie keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm mit höherrangigem Recht, die sich in ihrem Fall stellt.

cc) Auch ihrem Vorbringen, sie habe einen Anspruch auf Anerkennung der von ihr geltend gemachten Kindererziehungszeiten bzw "auf mütterliche Rente", lässt sich keine hinreichende Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache entnehmen. Der Vortrag eigener Rechtsansichten "entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts", das bestimmte Umstände "nicht in Erwägung gezogen" und einzelne Vorschriften "verkannt" oder "außer Acht gelassen" habe, ist hierfür nicht ausreichend. Auf eine (vermeintliche) Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.1.2020 - B 5 R 256/19 B - juris RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 2.2.2021 - B 10 ÜG 5/20 B - juris RdNr 8). Soweit die Klägerin zudem - in lediglich vier Sätzen - pauschal eine Verletzung der Art 3 und Art 6 GG behauptet, genügt das ebenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit einer bestimmten Regelung (s dazu zB BSG Beschluss vom 19.3.2020 - B 1 KR 89/18 B - SozR 4-2500 § 291 Nr 3 RdNr 19; BSG Beschluss vom 11.6.2021 - B 13 R 7/21 B - juris RdNr 9).

b) Ein Verfahrensmangel ist in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Beschwerdebegründung der Klägerin erfüllt diese Anforderungen nicht. Sie beanstandet, das LSG habe "keine Beweiserhebung im Sinne des § 28b FRG (Beitragsnachweise im Ausland) in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI und § 249 Abs. 2 Satz 1 SGB VI und § 294 Abs. 4 SGB VI durchgeführt". Soweit damit eine Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung nach § 103 SGG gerügt werden soll, fehlt es schon an der Bezeichnung eines darauf bezogenen Beweisantrags der Klägerin, der bis zum Schluss aufrechterhalten wurde. Sofern die Klägerin damit aber geltend machen will, das LSG habe den Inhalt der "BVA-Akten" der Klägerin und von deren Ehemann "unzureichend gewürdigt", lässt sie außer Acht, dass im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht gerügt und damit die Beweiswürdigung des LSG nicht angegriffen werden kann. Die nicht näher erläuterte Behauptung, dass die Vorgehensweise der Beklagten vom LSG "nicht am Maßstab des Art. 19 Abs. 4 GG geprüft" worden sei, lässt einen konkreten Verfahrensverstoß nicht erkennen.

Im Übrigen fehlen nachvollziehbare Angaben dazu, inwiefern die angefochtene Entscheidung des LSG auf den geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen kann. Insbesondere soweit sich die Klägerin auf eine Beweiserhebung zu den nach § 294 Abs 4 SGB VI relevanten Umständen bezieht, bleibt unklar, inwiefern die Regelung für Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 für den Fall der im Jahr 1956 geborenen Klägerin von Bedeutung sein könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 06.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 33 R 337/20
Vorinstanz: SG Berlin, vom 03.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 105 R 1421/16