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BSG - Entscheidung vom 08.02.2021

B 11 SF 2/21 S

Normen:
SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 08.02.2021 - Aktenzeichen B 11 SF 2/21 S

DRsp Nr. 2021/5539

Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG Rechtliche oder tatsächliche Hinderung an der Ausübung einer Gerichtsbarkeit

Tenor

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

Normenkette:

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I

Die Antragstellerin, die ihren Wohnsitz im Saarland hat, begehrt vor dem LSG für das Saarland PKH für eine beabsichtigte Entschädigungsklage gegen das Saarland. Der von ihr geführte sozialgerichtliche Rechtsstreit zum Aktenzeichen L 4 AS 35/19 (Aktenzeichen der Vorinstanz S 12 AS 632/15 WA) sei unangemessen lang iS von § 198 Abs 1 GVG . Das LSG hat das Verfahren dem BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 58 Abs 1 Nr 1 SGG vorgelegt. Es sei als das an sich zuständige LSG an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich verhindert, weil bis auf zwei alle am LSG derzeitig tätigen Berufsrichter im Ausgangsverfahren mitgewirkt hätten, sodass sie gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO an der Ausübung des Richteramtes im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen seien.

II

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 1 SGG durch das angerufene BSG liegen vor. Danach wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich oder tatsächlich verhindert ist. Zur Feststellung der Zuständigkeit kann jedes mit dem Rechtsstreit befasste Gericht das im Rechtszug höhere Gericht anrufen 58 Abs 2 SGG ). Unter "Rechtsstreit" iS des § 58 Abs 2 SGG ist neben dem Hauptsacheverfahren bereits das Gesuch auf PKH in einem sozialgerichtlichen Verfahren zu verstehen (vgl BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - juris, RdNr 2; BSG vom 27.6.2019 - B 11 SF 7/19 S - juris, RdNr 2). Ein solcher PKH-Antrag liegt hier vor.

Das wegen des Wohnortes der Antragstellerin an sich gemäß § 202 Satz 2 SGG iVm § 201 Abs 1 GVG erstinstanzlich zuständige LSG für das Saarland ist bezogen auf dieses Begehren an der Ausübung der Gerichtsbarkeit rechtlich gehindert. Streitgegenstand der beabsichtigten Klage, für die die Antragstellerin PKH beantragt, ist eine Entschädigung wegen der Dauer eines noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahrens, das sich derzeit in der Berufung befindet. Von der Ausübung des Richteramtes sind indes Berufsrichter nach § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO in Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer ausgeschlossen, wenn sie in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt haben, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird. Für eine Mitwirkung genügt nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung grundsätzlich jede tatsächliche Befassung mit der Sache (ausführlich dazu BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - BSGE 124, 136 = SozR 4-1720 § 198 Nr 16, RdNr 15 ff; vgl auch BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - juris, RdNr 3; BSG vom 27.6.2019 - B 11 SF 7/19 S - juris, RdNr 3; Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , § 60 RdNr 41 ff, Stand 25.1.2021).

Wie vom LSG im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt waren mit dem Gerichtsverfahren, dessen Überlänge die Antragstellerin rügt, bis auf zwei alle am LSG für das Saarland derzeit tätigen Berufsrichter befasst. Sind alle Richter eines Gerichts von der Mitwirkung ausgeschlossen, liegt eine rechtliche Hinderung an der Ausübung der Gerichtsbarkeit vor (vgl BSG vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - BSGE 124, 136 = SozR 4-1720 § 198 Nr 16, RdNr 19; BSG vom 11.5.2018 - B 11 SF 5/18 S - juris, RdNr 3; BSG vom 27.6.2019 - B 11 SF 7/19 S - juris, RdNr 3). Dem steht es gleich, wenn zwar nicht alle Richter ausgeschlossen sind, aber die durch § 33 Abs 1 SGG vorgesehene Besetzung eines Senats mit einem Vorsitzenden und zwei weiteren Berufsrichtern - wie hier - nicht mehr gewährleistet ist.

Zum zuständigen Gericht wird das LSG Rheinland-Pfalz mit Sitz in Mainz bestimmt. Es ist das zum Wohnort der Antragstellerin am nächsten gelegene gemäß § 202 Satz 2 SGG iVm § 201 Abs 1 GVG sachlich für Entschädigungsklagen zuständige Gericht.

Vorinstanz: LSG Saarland, vom 19.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SF 49/18
Vorinstanz: SG Saarbrücken, vom 10.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 12 AS 632/15