BSG, Beschluss vom 27.05.2021 - Aktenzeichen B 11 SF 8/21 S
Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG Ansprüche von verschiedenen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs. 1 Nr. 5 SGG liegen in Konstellationen einer Bedarfsgemeinschaft nicht vor, wenn das bereits mit der Sache befasste Gericht die Verfahren trennen will und von sich aus das zuständige Gericht zum Zwecke der Verweisung bestimmen kann.
Tenor
Das Sozialgericht Düsseldorf wird zum zuständigen Gericht bestimmt.
Gründe
I
Der Kläger hatte zusammen mit seiner Mutter, die im Bezirk des SG Kassel lebt, und mit seinem Bruder ursprünglich eine Bedarfsgemeinschaft gebildet, die gemeinsam Leistungen nach dem SGB II bezog. Wegen Anrechnung von Einkommen hat der Beklagte Aufhebungs- und Erstattungsbescheide erlassen (Bescheide vom 21.9.2017; Widerspruchsbescheid vom 29.12.2020). Die Kläger haben gemeinsam Klage vor dem SG Kassel erhoben. Dieses hat das Verfahren des Klägers abgetrennt und den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen, in dessen Bezirk er lebt. Mit Beschluss vom 9.4.2021 hat sich das SG Düsseldorf für unzuständig erklärt und das BSG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts angerufen.
II
Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das BSG liegen vor. Das BSG ist als nächsthöheres gemeinschaftlich übergeordnetes Gericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen (§ 58 Abs 2 SGG ), weil sich verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (§ 58 Abs 1 Nr 3 SGG ).
Örtlich zuständig ist nach § 57 Abs 1 Satz 1 SGG das Gericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat. Dies ist das SG Düsseldorf. Zwar hängen die Ansprüche von verschiedenen Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern grundsätzlich voneinander ab. Das BSG geht daher davon aus, dass regelmäßig ein Vorgehen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder gegen belastende Bescheide angezeigt ist und eine Konstellation der zulässigen subjektiven Klagehäufung gegeben ist (§ 74 SGG iVm § 60 ZPO ; BSG vom 13.11.2008 - B 14 AS 24/07 R - BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 10, RdNr 14). Allerdings bleibt Inhaber des Individualanspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, einschließlich des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunft und Heizung, derjenige, bei dem der notwendige Bedarf in eigener Person vorliegt (grundlegend BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), weshalb die Ansprüche auch gerichtlich individuell zu verfolgen sind. Der Senat hat daher bereits betont, dass die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 5 SGG in Konstellationen einer Bedarfsgemeinschaft nicht vorliegen, wenn das bereits mit der Sache befasste Gericht die Verfahren trennen (will) und von sich aus das zuständige Gericht zum Zwecke der Verweisung bestimmen kann (vgl BSG vom 5.8.2016 - B 4 SF 27/16 S; vgl auch BSG vom 3.5.2017 - B 4 SF 3/17 S). Insofern ist das SG Kassel zutreffend davon ausgegangen, dass - trotz inhaltlicher Bezogenheit der verschiedenen Verfahren aufeinander - für die Klage des Klägers die Zuständigkeit des SG Düsseldorf gegeben ist.