Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 25.06.2021

B 11 SF 10/21 S

Normen:
SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4

BSG, Beschluss vom 25.06.2021 - Aktenzeichen B 11 SF 10/21 S

DRsp Nr. 2021/12138

Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung Willkürlicher Verweisungsbeschluss

Es ist nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG , den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen.

Tenor

Das Sozialgericht Frankfurt am Main wird für den Rechtsstreit der Frau H gegen die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern zum zuständigen Gericht bestimmt.

Normenkette:

SGG § 58 Abs. 1 Nr. 4 ;

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG durch das BSG liegen hinsichtlich der Klage der H vor. Danach wird das zuständige Gericht innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit durch das gemeinsame nächsthöhere Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Sowohl das SG Würzburg als auch das SG Frankfurt am Main haben sich für das Klageverfahren der H jeweils iS des § 58 Abs 1 Nr 4 SGG für unzuständig erklärt.

Zum zuständigen Gericht ist das SG Frankfurt am Main zu bestimmen, weil dieses an den Verweisungsbeschluss des SG Würzburg vom 25.11.2020 gebunden ist. Gemäß § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs 2 GVG ist ein Verweisungsbeschluss wegen örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend. Dies gilt im Interesse des verfassungsrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG ) und einer möglichst zügigen sachlichen Entscheidung grundsätzlich unabhängig von der Verletzung prozessualer oder materieller Vorschriften. Den Streit der beteiligten Gerichte über die Anwendung von Regelungen über die Zuständigkeit zu entscheiden oder in jedem Einzelfall die Richtigkeit des dem Verweisungsbeschluss zugrunde liegenden Subsumtionsvorgangs zu überprüfen, ist nicht Aufgabe des gemeinsam übergeordneten Gerichts im Verfahren nach § 58 Abs 1 Nr 4 SGG ( BSG vom 18.7.2012 - B 12 SF 5/12 S - juris RdNr 5; BSG vom 12.12.2018 - B 11 SF 8/18 S juris RdNr 6).

Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn die Verweisung auf der Missachtung elementarer Verfahrensgrundsätze oder auf willkürlichem Verhalten beruht ( BSG vom 5.1.2017 - B 4 SF 40/16 S - juris RdNr 4 mwN; BSG vom 25.11.2019 - B 11 SF 10/19 S - juris RdNr 5). Eine fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt wird und die vertretene Auffassung jedes sachlichen Grundes entbehrt, sodass sich die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt ( BSG vom 23.4.2018 - B 11 SF 4/18 S - juris RdNr 6; BSG vom 25.11.2019 - B 11 SF 10/19 S - juris RdNr 5). Dies ist hier im Ergebnis nicht der Fall. Das SG Würzburg hat ausweislich des Rubrums seines Beschlusses vom 25.11.2020 den bei ihm durch Klageerhebung am 10.9.2020 anhängig gewordenen Rechtsstreit nur hinsichtlich der Klage der H an das SG Frankfurt am Main verwiesen. Dessen örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Frankfurt am Main hatte 57 Abs 1 Satz 1 SGG ).

Davon zu unterscheiden ist das Schicksal der Klage des K. Dass auch er Kläger ist, ergibt sich aus seiner ausdrücklichen Nennung im Rubrum der Klageschrift vom 8.9.2020. Dies wird bestätigt durch den Umstand, dass in der Klagebegründung die Formulierung "Die Kläger" - also im Plural - verwendet wird. Das SG Frankfurt am Main hat in seinem Vorlagebeschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass demgegenüber die Frage, wer materiell Anspruchsinhaber ist, die Begründetheit der Klage betrifft, aber für die Frage, wer Klage erhoben hat, keine ausschlaggebende Bedeutung hat. Die Klage des K ist damit weiterhin beim SG Würzburg anhängig und insbesondere nicht von dessen Verweisungsbeschluss umfasst. Der Gefahr widersprechender Entscheidungen der beiden betroffenen Sozialgerichte in der Sache ist dadurch Rechnung zu tragen, dass sie den jeweils anderen Kläger notwendig beizuladen haben 75 Abs 2 Var 1 SGG ; vgl Gall in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 2017, § 75 RdNr 45; Straßfeld in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG , 2. Aufl 2021, § 75 RdNr 82, Stand 1.5.2021).

Vorinstanz: SG Frankfurt am Main, vom 07.06.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 408/20