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BSG - Entscheidung vom 11.08.2021

B 12 KR 9/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 11.08.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 9/21 B

DRsp Nr. 2021/14675

Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung Mitarbeitender Familienangehöriger Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.7.2018.

Nach der Übergabe des landwirtschaftlichen Unternehmens vom Kläger an seinen Sohn stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers als hauptberuflich mitarbeitender Familienangehöriger in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.7.2015 fest (Bescheid vom 10.3.2016). Zum Ablauf des 30.6.2018 stellte die Beklagte - nach Anhörung des Klägers - die Beendigung dieser Versicherung fest, da er hauptberuflich eine selbstständige Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft ausübe (Bescheid vom 2.8.2018). Der Einkommensteuerbescheid vom 5.6.2018 wies für das Jahr 2015 Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 68 522 Euro sowie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 3164 Euro aus. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9.10.2018 zurück.

Das SG Würzburg hat den Bescheid vom 2.8.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.10.2018 aufgehoben, da der Kläger die überwiegende Arbeitszeit für die Mitarbeit im land- und forstwirtschaftlichen Familienbetrieb aufbringe, die daher den Mittelpunkt seiner Erwerbstätigkeit darstelle (Urteil vom 9.7.2019). Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische LSG dieses Urteil aufgehoben, soweit die Zeit ab 9.8.2018 betroffen ist, und die Klage insoweit abgewiesen; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei aufgrund seiner hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit ab 9.8.2018 nicht als mitarbeitender Familienangehöriger bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Zur Auslegung des Begriffs der Hauptberuflichkeit iS von § 2 Abs 4a KVLG 1989 sei auch auf die zu § 5 Abs 5 SGB V ergangene Rechtsprechung des BSG zurückzugreifen. Danach seien die wirtschaftliche Bedeutung und der zeitliche Aufwand der verschiedenen Tätigkeiten vorausschauend in einer Gesamtschau zu betrachten. Es sei keine schematische Gesamtberechnung auf der Grundlage exakter prozentualer Werte anzustellen, sondern eine wertende Gesamtschau von Zeitaufwand und erzieltem Einkommen aus den verschiedenen Tätigkeiten. Danach habe der Schwerpunkt in der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Klägers gelegen, weil die daraus erzielten Einkünfte um ein Vielfaches höher gewesen seien als das vom Kläger aufgrund seiner Hofmitarbeit erzielte Arbeitsentgelt und schon allein die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung überstiegen hätten. Die Beklagte habe die mit Bescheid vom 10.3.2016 festgestellte Versicherungspflicht des Klägers allerdings nicht rückwirkend aufheben dürfen, sondern nur für die Zukunft, dh für die Zeit ab Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids (Urteil vom 22.1.2021).

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist aufzuzeigen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt ( BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger wirft die Fragen auf,

"ob zur Ermittlung, ob eine selbständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, diese die übrigen Erwerbstätigkeiten von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her (kumulativ) deutlich übersteigen muss", und

"welches der beiden Abgrenzungskriterien vorrangig zu betrachten ist, wenn beim Vergleich von zwei Tätigkeiten keines der beiden Kriterien bei beiden Tätigkeiten überwiegt, sondern vielmehr für beide Tätigkeiten festgestellt werden kann, dass eines der beiden Kriterien deutlich überwiegt, wohingegen bei derselben Tätigkeit das jeweils andere Kriterium deutlich zurückbleibt im Vergleich mit der anderen Tätigkeit, die Überwiegensverhältnisse der beiden Kriterien bei der anderen Tätigkeit also genau anders herum sind".

Es ist bereits fraglich, ob der Kläger damit eine hinreichend bestimmte und aus sich heraus verständliche abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts 162 SGG ) mit höherrangigem Recht formuliert hat. Die Bezeichnung einer solchen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

Dies kann aber dahinstehen, denn der Kläger hat jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Beantwortung so gut wie unbestritten ist, sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 8 f). Ebenso besteht kein Klärungsbedarf, wenn zur Auslegung vergleichbarer Regelungen schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten ist (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Deshalb genügt zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht der Hinweis, die Fragen seien bislang vom BSG nicht entschieden. Erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung damit, ob und inwieweit die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bietet.

Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen beziehen sich auf das (vermeintlich ungeklärte) Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Bedeutung und zeitlichem Aufwand zur Bestimmung der Hauptberuflichkeit. Das LSG stützt sich in seiner Entscheidung hierzu insbesondere auf das Urteil des BSG vom 29.9.1997 ( 10 RK 2/97 - SozR 3-5420 § 3 Nr 3). Es hätte daher zumindest einer Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung des BSG und der Darlegung bedurft, inwieweit sich die aufgeworfenen Rechtsfragen damit nicht hinreichend beantworten lassen. Unabhängig davon hat sich das BSG bereits in zahlreichen Entscheidungen mit der Auslegung des Begriffs der Hauptberuflichkeit einer Erwerbstätigkeit befasst (vgl zB BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 4/13 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 26 RdNr 15 ff mwN). Auch hierzu fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 22.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 KR 455/19
Vorinstanz: SG Würzburg, vom 09.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 KR 916/18