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BSG - Entscheidung vom 31.03.2021

B 8 SO 65/20 B

Normen:
SGB XII § 74
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB XII § 116a

BSG, Beschluss vom 31.03.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 65/20 B

DRsp Nr. 2021/8444

Übernahme von Bestattungskosten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGB XII § 74 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB XII § 116a ;

Gründe

I

Im Streit steht die Übernahme von Bestattungskosten in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ( SGB X ).

Der Kläger hatte nach entsprechender Aufforderung durch das zuständige Ordnungsamt ein Bestattungsunternehmen mit der Beisetzung seines verstorbenen Vaters beauftragt und hierüber eine Rechnung in Höhe von 1464,40 Euro erhalten. Am 6.9.2013 hatte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) beantragt, was der Beklagte unter Hinweis auf die Erbenstellung des Bruders des Klägers ablehnte. Am 5.7.2016 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Aufhebung des Bescheids vom 29.6.2015 und Übernahme der Bestattungskosten im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X , was der Beklagte mit der Begründung ablehnte, dass aufgrund des Datums des Überprüfungsantrags eine Überprüfung gemäß § 44 Abs 4 SGB X iVm § 116a Nr 2 SGB XII rückwirkend nur bis zum 1.1.2015 erfolgen könne, der Fälligkeitsmonat der Bestattungskosten jedoch nicht innerhalb dieser Frist liege (Bescheid vom 2.12.2016; Widerspruchsbescheid vom 3.8.2017). Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts <SG> Köln vom 23.7.2018; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Nordrhein-Westfalen vom 17.2.2020). Eine nachträgliche Leistung des Beklagten sei nicht für einen vor dem 1.1.2005 entstandenen Bedarf möglich. § 44 SGB X iVm § 116a Nr 1 SGB XII begrenze eine rückwirkende Erbringung auf solche Leistungen, die in die dort normierte Frist fielen. Da die Forderung des vom Kläger beauftragten Bestattungsunternehmens mangels erwähnten Zahlungsziels in der Rechnung vom 15.5.2013 nach Zugang der Rechnung fällig gewesen sei 271 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB ), sei eine nachträgliche Leistung des Beklagten für vor dem 1.1.2015 entstandene Bedarfe nicht möglich gewesen. Die Ansicht des Klägers, nach der bei Einmalleistungen auf dem Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung abzustellen sei, werde in den von ihm genannten Literaturstellen nicht belegt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend, wozu er die Frage aufwirft, "ob die Ausschlussfrist des § 116a SGB XII nur solche Rückzahlleistungen betrifft, die für 'Zeiträume' bezahlt werden, sodass einmalige Leistungen - unter Beachtung der Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I - auch noch nach mehr als vier Jahren bzw. einem korrigierbar sind bzw. ob dann, wenn die Ausschlussfrist des § 116a SGB XII auch in Bezug auf einmalige Leistungen anwendbar sein sollte, auf den Zeitpunkt des Jahres der Ablehnung der einmaligen Leistungen als maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausschlussfrist abzustellen ist".

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob (die Ausschlussfrist des) § 116a SGB XII auch bei einmaligen Leistungen gilt, fehlt es an einer hinreichenden den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als bereits höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen anderer oberster Bundesgerichte oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl nur BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 8; BSG vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 4). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf anderer oberster Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliegt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht beantwortet werden kann ( BSG vom 25.6.2020 - B 8 SO 36/20 B - juris RdNr 7 - 8).

Hieran fehlt es. Der Kläger trägt nur vor, dass "eine höchstrichterliche Klärung" noch ausstehe. Da § 116a SGB XII aber nur die Geltung des § 44 SGB X für den Bereich des SGB XII regelt und ua dahin modifiziert, dass "anstelle des Zeitraums von vier Jahren" nach § 44 Abs 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt, hätte sich der Kläger mit der Rechtsprechung des BSG zu § 44 SGB X auseinandersetzen müssen, wonach § 44 SGB X auch auf einmalige Leistungen anwendbar ist (zu Bestattungskosten BSG vom 8.10.2010 - B 8 SO 49/10 B - juris RdNr 8; zu einem Beitragserstattungsanspruch BSG vom 26.10.1994 - 8 BH (Kn) 1/94 - SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 4; BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17). Das vom Kläger dabei aufgeworfene Problem einer zu Lasten eines Antragstellers verzögerten Bearbeitung des Überprüfungsantrags ist keine Besonderheit des § 116a SGB XII , sondern kann auch im (reinen) Anwendungsbereich des § 44 SGB X auftreten und den Sozialleistungsberechtigten in gleicher Weise benachteiligen. Schließlich fehlen auch hinreichende Ausführungen zur Klärungsfähigkeit.

Soweit der Kläger daneben die Frage aufwirft, ob im Falle einer Anwendung des § 116a SGB XII auch auf einmalige Leistungen auf den Zeitpunkt des Jahres der Ablehnung der ursprünglich beantragten Leistung für die Berechnung der Ausschlussfrist abzustellen ist, fehlt es jedenfalls an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ( BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen ( BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39 und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht ( BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § Nr 31). Der Kläger trägt dazu jedoch nur vor, dass die Ausschlussfrist gewahrt sei, wenn man seiner Auffassung folgte. Damit wird die Entscheidungserheblichkeit nicht dargelegt, weil dem Vortrag in der Beschwerdebegründung nicht ansatzweise zu entnehmen ist, dass dem Kläger als Verpflichteten im Sinne von § 74 SGB XII die Tragung der Bestattungskosten unzumutbar ist. Es fehlen insbesondere Ausführungen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers. Der Kläger setzt sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit der Rechtsprechung des Senats auseinander, wonach kein Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 44 Abs 1 SGB X besteht, wenn die Bedürftigkeit inzwischen temporär oder auf Dauer entfallen ist ( BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 21; zu einer erforderlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage bei einem Anspruch auf Bestattungskosten BSG vom 8.10.2010 - B 8 SO 49/10 B juris RdNr 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 17.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 SO 599/18
Vorinstanz: SG Köln, vom 23.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 29 SO 459/17