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BSG - Entscheidung vom 20.01.2021

B 12 KR 59/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
SGG § 62

BSG, Beschluss vom 20.01.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 59/20 B

DRsp Nr. 2021/4366

Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Therapeut im Bereich psychologischer Beratung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers zu 2. gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; GG Art. 103 Abs. 1 ; SGG § 62 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens darüber, ob der Kläger zu 2. im Zeitraum von November 2010 bis Januar 2016 in seiner Tätigkeit als Therapeut im Bereich psychologische Beratung/Suchtakupunktur für den Kläger zu 1. der Versicherungspflicht unterlag.

Der Kläger zu 1. ist ein eingetragener Verein, der Psychotherapien für Suchterkrankte anbietet. Der Kläger zu 2. führte Einzel- und Gruppentherapien für den Kläger zu 1. im Rahmen ambulanter Rehabilitationsmaßnahmen in den Räumen des Klägers zu 1. durch und rechnete monatlich ca 20 - 25 Stunden mit diesem ab. Im März 2014 meldete er ein Gewerbe im Bereich "Psychosoziale Beratung/Coaching" an. Auf einen Statusfeststellungsantrag der Kläger stellte die Beklagte nach Anhörung für den streitgegenständlichen Zeitraum Versicherungspflicht des Klägers zu 2. in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest (Bescheid vom 19.12.2016; Widerspruchsbescheid vom 29.3.2017).

Die dagegen gerichtete Klage sowie die Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG Berlin vom 17.8.2018; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.6.2020). Die Arbeit des Klägers zu 2. sei insgesamt als Teil des therapeutischen Gesamtrahmens des Klägers zu 1. ausgestaltet und in dessen Betrieb eingegliedert gewesen. Der Erstkontakt zu den Patienten habe ausschließlich über den Kläger zu 1. stattgefunden. Für die rehabilitative Behandlung sei nur der Kläger zu 1. verantwortlich gewesen. Der Kläger zu 2. habe sich bei den Therapien mit den Mitarbeitern des Klägers zu 1. abgestimmt und an dessen Supervisionen teilgenommen. Die Indizien für Selbstständigkeit seien insgesamt weniger gewichtig.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger zu 2. mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde des Klägers zu 2. gegen die Nichtzulassung der Revision ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) und des Verfahrensmangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend bezeichnet.

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG , der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger zitiert als "Rechtssatz" des LSG:

"Eine Tätigkeit eines Therapeuten in einem ambulanten Therapiezentrum findet als dienende Teilhabe am Therapiebetrieb des Auftraggebers als Rehaträger statt. Diese therapeutische Arbeit gestaltet sich als Teil des therapeutischen Gesamtrahmens des Reha-Trägers."

Damit weiche das LSG nach Ansicht des Klägers von dem Rechtssatz des BSG in der Entscheidung vom 4.9.2018 ( B 12 KR 11/17 R - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10) ab:

"Dem Leistungserbringerrecht kommt bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage keine übergeordnete Wirkung zu."

Damit wird jedoch noch keine Divergenz dargelegt, denn das LSG nimmt selbst nicht auf das Leistungserbringerrecht (wie zB ein Zulassungserfordernis) Bezug. Erst der Kläger stellt aus seiner Sicht eine Verbindung her, indem er das vom LSG gefundene Ergebnis verallgemeinert und induktiv einen Rechtssatz ableitet. Davon abgesehen zeigt der Kläger auch nicht den tatsächlichen und rechtlichen Kontext auf, in dem der herangezogene bundesgerichtliche Rechtssatz steht (zu diesem Erfordernis vgl BSG Beschluss vom 25.10.2019 - B 9 SB 40/19 B - juris RdNr 7).

Soweit der Kläger rügt, dass sich das LSG zu Unrecht von dem Urteil des BSG vom 4.6.2019 (B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42) habe leiten lassen, indem es eine Eingliederung bzw dienende Teilhabe im Therapiebetrieb angenommen habe, fehlt es bereits an der Darlegung divergierender Rechtssätze. Wenn der Kläger meint, dass das LSG die Vorgaben des BSG auf den Sachverhalt falsch angewandt oder nicht richtig verstanden haben sollte, rügt er letztlich die Unrichtigkeit der Entscheidung. Die Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich falsch, kann aber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4).

Soweit der Kläger außerdem rügt, das LSG sei von der Vorgabe des BSG abgewichen, dass auf die jeweiligen Verhältnisse bei der Ausführung von Einzelaufträgen abzustellen sei (vgl insbesondere BSG Urteile vom 4.6.2019 - B 12 R 2/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 40 und vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25), verallgemeinert er erneut ein vom LSG im Einzelfall gefundenes Subsumtionsergebnis. Denn nach dem vom Kläger vorgebrachten Zitat des LSG hat dieses nicht auf die jeweiligen Einzeleinsätze abgestellt, weil die jeweiligen Details nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nicht individuell neu vereinbart worden seien. Insoweit fehlt es auch an ausreichenden Darlegungen dazu, weshalb die Entscheidung des LSG auf der geltend gemachten Divergenz beruhen soll. Soweit der Kläger meint, das LSG hätte nur auf den Einzelauftrag und nicht auf das vorherige Aufnahmegespräch zwischen dem Kläger zu 1. und dem jeweiligen Klienten abstellen dürfen, legt er nicht nachvollziehbar dar, weshalb es nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf die Kontaktaufnahme und die Umstände, die zu der jeweiligen Auftragserteilung und -ausgestaltung führen, ankommen dürfe. Denn grundsätzlich sind im Statusfeststellungsverfahren alle Vertragsbeziehungen zu beleuchten, die den jeweiligen Einsatz prägen (vgl BSG Urteil vom 14.3.2018 - B 12 KR 12/17 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 34 RdNr 33). Dass das LSG von unzutreffenden Wertungen und Tatsachen ausgegangen sei, betrifft erneut die Rüge der inhaltlichen Unrichtigkeit der Entscheidung, die einer Divergenzrüge nicht zum Erfolg verhelfen kann.

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

Das Vorbringen des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er rügt einen Verfahrensmangel, weil sich das LSG auf die angeblich übereinstimmenden Angaben der Beteiligten gestützt habe, dass die Details der Therapien nicht individuell neu vereinbart worden seien. Er macht jedoch mit seiner Begründung nicht geltend, dass insoweit falsche Tatsachenfeststellungen getroffen worden seien, sondern rügt erneut eine unrichtige rechtliche Bewertung bzw einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ), weil das LSG nicht ausschließlich auf die Verhältnisse der jeweiligen Einzelaufträge nach Auftragsannahme abgestellt habe. Soweit er damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) behauptet, weil das Berufungsgericht nicht zu erkennen gegeben habe, dass es eine vom SG und der Rechtsprechung des BSG abweichende Rechtsauffassung vertrete, reicht dies zur Darlegung einer Überraschungsentscheidung nicht. Von einer Überraschungsentscheidung kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl zB BVerfG <Kammer>Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 RdNr 18 mwN). Der Kläger behauptet zwar, dass das LSG den (Erst)kontakt und das rechtliche Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1. und den jeweiligen Patienten des Klägers zu 2. nicht hätte berücksichtigen dürfen, er setzt sich insoweit jedoch nicht ausreichend mit der einschlägigen Rechtsprechung des BSG auseinander. So wird zwar in dem vom SG und vom Kläger zitierten Urteil des BSG vom 24.3.2016 ( B 12 KR 20/14 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 29 RdNr 17) auf die Verhältnisse nach Annahme des einzelnen Angebots abgestellt, aber dennoch auch der Erstkontakt des Patienten zum verantwortlichen Praxisbetreiber als Indiz für die jeweilige Eingebundenheit (einer Physiotherapeutin) in die betriebliche Organisation des Praxisbetreibers berücksichtigt ( BSG aaO RdNr 20). Ohne eine nähere Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt es auch an substantiierten Darlegungen zum Beruhen (vgl oben zu II.1).

Dass der Kläger zu 2. mit der Würdigung des Sachverhalts 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) nicht einverstanden ist, stellt keinen Zulassungsgrund dar (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 25.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1 BA 98/18
Vorinstanz: SG Berlin, vom 17.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 166 KR 815/17