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BSG - Entscheidung vom 27.01.2021

B 13 R 119/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 27.01.2021 - Aktenzeichen B 13 R 119/20 B

DRsp Nr. 2021/4684

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 27. April 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Mit Beschluss vom 27.4.2020 hat das Thüringer LSG einen Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln nicht hinreichend bezeichnet.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zu Grunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 1.7.2020 nicht.

Einen Verfahrensmangel sieht der Kläger zunächst deshalb als gegeben an, weil das LSG unter Verstoß gegen § 103 SGG seiner Pflicht zur Sachaufklärung nicht nachgekommen sei. "Das eingeholte Gutachten" weise grobe Mängel auf. Diesbezüglich verweist die Beschwerdebegründung auf eine Stellungnahme des Klägers vom 28.2.2020. Die lückenhaften und teilweise falschen Feststellungen des Gutachtens, insbesondere zur Erkrankung "Lungenemphysem" führten zur Unverwertbarkeit des Gutachtens. Daher sei das LSG gehalten gewesen, entweder ein Obergutachten einzuholen oder den Gutachter selbst zu befragen. Weil dies unterblieben sei, habe das LSG auch das Fragerecht des Klägers nach § 116 SGG , §§ 402 , 397 ZPO sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG verletzt.

Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel werden schon wegen einer fehlenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht formgerecht bezeichnet. Zwar kann der Beschwerdebegründung vom 1.7.2020 noch entnommen werden, dass der Kläger vor dem LSG die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beansprucht hat und dass er mit diesem Anspruch bereits im Verwaltungs- und Klageverfahren erfolglos geblieben ist. Jedoch fehlen genauere Angaben zum Inhalt und Verlauf des Verfahrens. Der Beschwerdebegründung kann nicht einmal entnommen werden, gegen welches Gutachten sich die formulierte Kritik richtet und die Anhörung welches Sachverständigen das LSG nach Meinung des Klägers habe durchführen müssen. Die vollständige Darstellung des den geltend gemachten Verfahrensmangel vermeintlich begründenden Sachverhalts ist jedoch unerlässlich und kann auch nicht durch eine - nur in eng begrenzten und hier nicht gegebenen Ausnahmefällen zulässige - Bezugnahme auf Schriftsätze ersetzt werden, die in den Vorinstanzen eingereicht worden sind (hierzu zB BSG Beschluss vom 21.8.2009 - B 11 AL 21/09 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 15.3.1991 - 2 BU 20/91 - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Denn nur hierdurch wird das Beschwerdegericht - wie nach den oben dargelegten Anforderungen notwendig - in die Lage versetzt, allein anhand der Beschwerdebegründung darüber zu befinden, ob die angegriffene Entscheidung des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Es ist nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).

Darüber hinaus kann der geltend gemachte Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur dann auf eine Verletzung des § 103 SGG gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (vgl allg zu den diesbezüglichen Anforderungen BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Einen solchen Beweisantrag hat der Kläger in der Beschwerdebegründung - anders als erforderlich - nicht benannt. Ferner setzt die Bezeichnung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG wegen Missachtung des Fragerechts nicht nur voraus, dass ein Beteiligter schlüssig dartut, die nach seiner Ansicht erläuterungsbedürftigen Punkte dem Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung schriftlich mitgeteilt zu haben und dass die aufgeworfenen Fragen objektiv sachdienlich sind, sondern auch, dass er das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 11.12.2019 - B 13 R 164/18 B - juris RdNr 9). Auch dies wird mit der Beschwerdebegründung nicht dargetan.

Soweit sich der Kläger gegen die Beweiswürdigung des LSG wendet, weil er "das eingeholte Gutachten" für mangelhaft hält, kann der Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht auf die darin liegende Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden. Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 27.04.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 443/18
Vorinstanz: SG Gotha, vom 21.02.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 42 R 4230/15