Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 23.06.2021

B 5 R 56/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 118 Abs. 1 S. 1
ZPO § 403

BSG, Beschluss vom 23.06.2021 - Aktenzeichen B 5 R 56/21 B

DRsp Nr. 2021/11882

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 403 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1970 geborene Klägerin war nach einer abgebrochenen Ausbildung zur Erzieherin seit April 1989 ausschließlich geringfügig beschäftigt. Im August 2004 erlitt sie einen Stammganglieninfarkt. Rentenanträge vom September 2007 und vom Juni 2009 lehnte die Beklagte jeweils wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen ab. Nach Pflichtbeitragszeiten als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson (seit dem Jahr 2012) stellte die Klägerin im September 2017 erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, den sie mit einer Polyarthrose, einem Thalamussyndrom sowie psychischen Beschwerden begründete. Die Beklagte holte ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin S ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin stellte er ua die Diagnose einer Rheumatoiden Polyarthritis, Fibromyalgie und chronisches Schmerzsyndrom bei dauerhafter Opiattherapie sowie einen Zustand nach Hirninfarkt fest. Danach sei die Klägerin seit dem 14.2.2018 nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch ein auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von der Beklagten in Auftrag gegebenes Gutachten kam - wie bereits nach einer Begutachtung vom 30.12.2009 im früheren Rentenverfahren - zu dem Ergebnis einer aufgehobenen Erwerbsfähigkeit. Diese gelte seit Entlassung aus der stationären rheumatologischen Krankenhausbehandlung am 17.1.2018 (Gutachten H). Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab. Die Klägerin sei bereits seit dem Hirninfarkt am 20.8.2004 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt sei die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt. Ausnahmetatbestände zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor (Bescheid vom 10.7.2018; Widerspruchsbescheid vom 1.3.2019).

Das SG Trier hat die Klage mit Urteil vom 16.12.2019 abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das LSG den Sachverhalt weiter ermittelt. Der von Amts wegen beauftragte Sachverständige R (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) hat in seinem Gutachten vom 21.4.2020 nach ambulanter Untersuchung als Ergebnis festgehalten, die Klägerin sei noch vollschichtig leistungsfähig. Auch die Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt. Auf Antrag der Klägerin hat das LSG ein Gutachten des Facharztes für Anästhesiologie Z eingeholt. Dieser hat ebenfalls nach ambulanter Untersuchung der Klägerin ein vollständig aufgehobenes Leistungsvermögen seit August 2004 festgestellt. Die Klägerin könne seitdem nicht mehr regelmäßig erwerbstätig sein (Gutachten vom 24.10.2020). Das LSG hat daraufhin die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen, die Klägerin sei seit dem Stammganglieninfarkt voll erwerbsgemindert. Das LSG verwies insbesondere auf den Inhalt eines Entlassungsberichts des Neurologischen Rehabilitationszentrums G e. V. (Aufenthalt der Klägerin vom 21.8.2007 bis 12.9.2007), die in den Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von H aus den Jahren 2009 und 2018 sowie die Ausführungen des Sachverständigen Z (Urteil vom 11.2.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund einen Verfahrensmangel (Verletzung der Amtsermittlungspflicht) geltend 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung einer Revision wurden nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

Die Klägerin trägt vor, sie sei nicht bereits seit August 2004 voll erwerbsgemindert. Dies belege die in den Jahren 2010 bis 2013 ausgeübte geringfügige Beschäftigung. Sie habe für einen Leistungsfall zum Zeitpunkt ihres Rentenantrags (20.9.2017) Beweise angeboten in Form der Parteivernehmung, des Zeugenbeweises sowie durch die Vorlage von Lohnabrechnungen aus den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2013.

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG , 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 56).

Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung bereits keine prozessordnungsgemäßen Beweisanträge wiedergegeben. Solche Beweisanträge müssen die zu begutachtenden Punkte (Tatsachen) angeben (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 ZPO ) und sich im Rentenverfahren gerade mit den Auswirkungen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das berufliche Leistungsvermögen befassen (vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2020 - B 13 R 267/19 B - juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 13.8.2020 - B 5 R 121/20 B - juris RdNr 6 mwN). Der Umstand, dass die Klägerin "seit dem 20.08.2004 gerade nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert war", betrifft jedoch keine Tatsache, sondern die rechtliche Bewertung einer Mehrzahl unterschiedlicher tatsächlicher Umstände (vgl § 43 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 2 SGB VI ). Die Klägerin geht auch nicht darauf ein, dass sich das LSG in seinen Entscheidungsgründen zu der geringfügigen Beschäftigung der Klägerin in den Jahren 2010 bis 2013 ausdrücklich verhalten hat.

Schließlich fehlt es an einem hinreichenden Vortrag dazu, dass die Klägerin Beweisanträge bis zum Schluss aufrechterhalten hat. Das Berufungsgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil am 11.2.2021 entschieden. Die Klägerin verweist auf die Beweisangebote in ihrem Schriftsatz mit Datum vom 8.5.2019. Dass sie die darin gestellten Beweisanträge bis zum Ende des Berufungsverfahrens fast zwei Jahre später, insbesondere auch nach Erklärung ihres Einverständnisses zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, aufrechterhalten hat, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 11.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 14/20
Vorinstanz: SG Trier, vom 16.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 33/19