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BSG - Entscheidung vom 08.06.2021

B 13 R 39/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 08.06.2021 - Aktenzeichen B 13 R 39/21 B

DRsp Nr. 2021/10461

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Mit Beschluss vom 28.1.2021 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich insbesondere auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) sowie auf weitere Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Klägerin macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf Verfahrensmängeln, insbesondere ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG ( BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG ; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr - juris RdNr ). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 30.4.2021 nicht. Hierfür fehlt es schon an einer - zumindest knappen - Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Vorliegend wird bereits der Gegenstand des Rechtsstreits nicht eindeutig kenntlich gemacht. Nur die Schilderung, die Klägerin führe den Großteil ihrer Beschwerden auf ein Fibromyalgiesyndrom zurück, wozu ein Gerichtsgutachten, ein "Privatgutachten" und eine Äußerung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie erstellt worden seien, und die Behauptung, nach der "Rechtsprechung des BVG " müsse ein Gutachter bei Begutachtung wegen Ansprüchen auf Erwerbsminderungsrente fachübergreifende Erfahrungen bezüglich einer Fibromyalgie haben, lassen erkennen, dass der Rechtsstreit über einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geführt wird. Ein Verfahrensmangel wird jedoch nur dann iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).

Die Begründungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG werden auch im Übrigen verfehlt, wenn die Klägerin "insbesondere" eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) rügt, weil das LSG einen "nicht den Maßstäben des BVG " entsprechenden Gutachter bestellt habe, auf dessen Gutachten sich die Entscheidung des Gerichts stütze. Anders als erforderlich wird in der Beschwerdebegründung nicht detailliert darlegt, welches konkrete Vorbringen vom LSG übergangen worden sein soll, und dass sich das vorinstanzliche Gericht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsauffassung mit diesem Vorbringen hätte auseinandersetzen müssen (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 697 mwN). Konkretes Vorbringen der Klägerin gegenüber dem LSG wird aufgrund der Beschwerdebegründung nicht erkennbar. Im Übrigen gebietet der Anspruch auf rechtliches Gehör nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).

Mit ihrem Vorbringen, der "Gerichtsgutachter" habe im Gegensatz zum hierauf spezialisierten "Privatgutachter" keine fachübergreifenden Kenntnisse des Fibromyalgiesyndroms besessen und sei weder mit dem Krankheitsbild noch mit der S3-Leitlinie für funktionelle Körperbeschwerden vertraut, wendet sich die Klägerin insbesondere gegen die Fachkunde des "Gerichtsgutachters". Jedoch gehört die Bewertung der Fachkunde des Sachverständigen zur Würdigung erhobener Beweise nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (vgl BSG Urteil vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr 5 - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 13.8.2018 - B 13 R 397/16 B - juris RdNr 7), auf die eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht mit Erfolg gestützt werden kann 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbar sind allein Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme (vgl BSG Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 VU 2/03 B - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 RdNr 6; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 1. Aufl 2017, § 160 RdNr 216, Stand 14.10.2020). Solche hat die Klägerin nicht benannt. Vielmehr greift sie ausschließlich die Beweiswürdigung des LSG an, wenn sie geltend macht, das LSG habe wegen dessen größerer Sachkunde dem "Privatgutachter" und nicht dem "Gerichtsgutachter" folgen müssen. Dass die Klägerin die Berufungsentscheidung inhaltlich für unrichtig hält, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 28.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 7 R 1242/19
Vorinstanz: SG Karlsruhe, vom 07.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 10 R 2620/17