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BSG - Entscheidung vom 23.04.2021

B 13 R 17/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 23.04.2021 - Aktenzeichen B 13 R 17/20 B

DRsp Nr. 2021/8440

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 28.11.2019 hat das LSG Niedersachsen-Bremen einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf § 160 Abs 2 Nr 3 SGG (Verfahrensmangel).

II

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Klägerin beruft sich ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), weil das LSG seiner Sachaufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Entgegen der Rechtsprechung des BGH (BGH Beschluss vom 5.11.2019 - VIII ZR 344/18 - MDR 2020, 114 ) habe es das LSG versäumt, entscheidungserhebliche Widersprüche zwischen den Schlussfolgerungen der gerichtlich bestellten Gutachter aufzuklären. Zumindest habe das LSG die Gutachter zu diesen Widersprüchen befragen müssen.

Mit diesen Rügen und den hierauf bezogenen weiteren Ausführungen genügt die Beschwerdebegründung vom 18.3.2020 nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des Zulassungsgrunds eines Verfahrensmangels iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG . Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip bzw Sachaufklärungspflicht) kann - anders als im zivilgerichtlichen Verfahren - gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 18c mwN). Ein solcher Beweisantrag wird mit der Beschwerdebegründung nicht benannt.

Im Übrigen gilt, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG auch nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wie sie in dem von der Klägerin angeführten Beschluss des BGH angenommen wurde, umgangen werden können (vgl BSG Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 10). Zudem ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten auseinanderzusetzen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört - wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse - zur Beweiswürdigung selbst (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 8). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum.

Ein Verfahrensmangel wird gleichfalls nicht zulässig bezeichnet, wenn in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, mit einer unvollständigen Wiedergabe des Gutachtens des Sachverständigen E und seinen hierauf bezogenen Erwägungen habe das LSG die "entscheidenden Feststellungen des Gutachtens E jedoch verkannt". Damit wendet sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des LSG. Jedoch kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie Beweiswürdigung) gestützt werden. Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 28.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 413/15
Vorinstanz: SG Hannover, vom 15.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 13 R 391/14