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BSG - Entscheidung vom 23.06.2021

B 13 R 57/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 23.06.2021 - Aktenzeichen B 13 R 57/21 B

DRsp Nr. 2021/11232

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 Abs. 1 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 3.3.2021 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 12.5.2021 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung vom 12.5.2021 genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin die geltend gemachten Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Halbsatz 1 Nr 3 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 5; jüngst BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Den daraus abgeleiteten Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

a) Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht 103 Abs 1 Halbsatz 1 SGG ), indem das LSG von einer Vernehmung seines langjährigen Bekannten Burkhard S1 und seiner Behandler abgesehen habe sowie von der Einholung eines Sachverständigengutachtens nach stationärer Untersuchung und Beobachtung. Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt, bestehen spezifische Darlegungsanforderungen. Die Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 28.11.2019 - B 13 R 169/18 B - juris RdNr 4). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein - wie der Kläger - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). An diesen Erfordernissen richtet der Kläger sein Vorbringen nicht aus.

Er trägt vor, mit Schriftsatz vom 4.12.2020 erhebliche Einwendungen gegen ein - von ihm in der Beschwerdebegründung nicht genauer bestimmtes - Gutachten vom 27.9.2020 vorgebracht zu haben. Er habe beantragt, Herrn S1, der ihn zu verschiedenen Begutachtungsterminen begleitet habe, zu den vom - nicht namentlich benannten - Sachverständigen anlässlich der Begutachtung getätigten Äußerungen zu vernehmen; zu den Umständen, unter denen der Sachverständige und der Kläger gemeinsam eine Treppe bestiegen haben; zum Umfang einer früheren Untersuchung durch den Sachverständigen S2 sowie allgemein zu den Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen des Klägers. Zugleich habe er eine Vernehmung bestimmter - in der Beschwerdebegründung nicht benannter - ärztlicher Behandler beantragt sowie eine weitere Begutachtung seiner Gedächtnisleistung im Hinblick auf das Kurzzeitgedächtnis sowie seiner Verwirrtheitszustände nach stationärer Untersuchung mit längerer Beobachtungszeit. Hierbei hätten zudem die Auswirkungen der Schmerzmitteltherapie auf sein Leistungsvermögen, insbesondere die Gedächtnisleistung, untersucht werden sollen. Es sei dahingestellt, ob damit das Stellen formell ordnungsgemäßer Beweisanträge iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 373 bzw § 403 ZPO dargelegt ist. Der Kläger behauptet jedenfalls nicht, seine Anträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zumindest hilfsweise aufrechterhalten zu haben.

Mit seinem Vorbringen, das LSG verkenne, dass der geltend gemachte Anspruch nicht am Vorliegen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitere - nach dem Dafürhalten des Klägers trat der Leistungsfall ein, als diese Voraussetzungen noch erfüllt waren - und dass bei ihm eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehe, rügt der Kläger letztlich eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung 128 Abs 1 Satz 1 SGG ). Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - anders als die Revision selbst - von vornherein nicht gestützt werden 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Dass der Kläger die Entscheidung des LSG offensichtlich für unzutreffend hält, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl zuletzt etwa BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).

b) Der Kläger rügt die unterbliebene Vernehmung des S1 zudem als Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ). Dieser Anspruch verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hiervon ist bei vom Gericht entgegengenommenen Vorbringen der Beteiligten grundsätzlich auszugehen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - juris RdNr 14 f). Da die Gerichte nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden brauchen, kann sich eine Gehörsverletzung insoweit nur aus den besonderen Umständen des Falles ergeben (vgl BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 , 316 f, juris RdNr 44 mwN). Derartige Umstände werden in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan.

Der Kläger trägt vor, das LSG habe sich schon nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, S1 als Zeugen zu hören, ua zur weiteren Ermittlung der geltend gemachten Konzentrations- und Erinnerungsstörungen. Damit zeigt er nicht auf, dass das LSG sein Vorbringen nicht in Erwägung gezogen habe. Mit der Mitteilung, das LSG habe im Berufungsurteil ausgeführt, stärkere Ausfälle der Konzentration oder des Gedächtnisses seien nicht belegt, räumt er im Gegenteil eine Reaktion des LSG auf sein diesbezügliches Berufungsvorbringen ein. Der Kläger wendet sich im Grunde dagegen, dass das LSG seinem Vorbringen zu den aus seiner Sicht bestehenden weitgehenden und auch quantitativen Leistungseinschränkungen nicht gefolgt ist. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gericht indes nicht, der Ansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13 - NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN). Im Übrigen gilt, dass die für die Sachaufklärungsrüge bestehenden Darlegungsanforderungen nicht durch eine Rüge in anderer Gestalt umgangen werden können, weil andernfalls die Beschränkungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG im Ergebnis ins Leere liefen (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - juris RdNr 11).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 03.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 19 R 544/18
Vorinstanz: SG Bayreuth, vom 05.07.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 16 R 562/17