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BSG - Entscheidung vom 15.10.2021

B 5 R 131/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 15.10.2021 - Aktenzeichen B 5 R 131/21 B

DRsp Nr. 2021/17911

Rente wegen Erwerbsminderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 27. April 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über Februar 2016 hinaus.

Die 1962 geborene Klägerin erlitt 2013 eine Schädigung des Nervus femoralis rechts nach einer Notoperation mit Stentimplantation bei peripherer Verschlusskrankheit des rechten Beines. Nach einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in Form einer stationären Heilbehandlung stellte sie im Juli 2014 einen Rentenantrag. Mit Bescheid vom 14.11.2014 lehnte die Beklagte diesen zunächst ab. Nach Begutachtung der Klägerin auf angiologischem und nervenärztlichem Fachgebiet half die Beklagte ihrem Widerspruch ab und bewilligte wegen der Gangstörung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.1.2014 bis zum 29.2.2016.

Den im April 2016 gestellten Antrag auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente lehnte die Beklagte ab. Die frühere Wegeunfähigkeit sei durch die gewährten Mobilitätshilfen behoben (Bescheid vom 20.5.2016; Widerspruchsbescheid vom 21.3.2017). Das SG Meiningen hat die Klage nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und gestützt auf ein nervenärztliches Gutachten von K abgewiesen. Danach war die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Urteil vom 29.5.2018). Im Berufungsverfahren hat das LSG auf ihren Antrag den Nervenarzt B gehört und die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Einschätzung des Gutachters, wonach sie nur noch vier Stunden täglich erwerbstätig sein könne, werde nicht gefolgt. Angesichts der früheren Berufstätigkeit der Klägerin stehe die von ihm in den Vordergrund gestellte Intelligenzminderung einer Erwerbstätigkeit unter Beachtung qualitativer Einschränkungen nicht entgegen. Auch komme es nicht darauf an, ob sie - wie B ausführte - "bei ihrer geringen schulischen Fertigkeit" eine Tätigkeit als Bürohelferin oder Tankstellenmitarbeiterin ausüben könne. Es bestehe keine Verpflichtung der Beklagten, Verweisungstätigkeiten zu benennen. Nicht unbeachtet bleiben könne auch, dass der Gutachter - wie schon K - in zentralen Punkten Inkonsistenzen festgestellt und von einer subjektiven Leidensüberzeichnung gesprochen habe (Urteil vom 27.4.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund Verfahrensmängel geltend 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Ein Grund für die Zulassung einer Revision wurde nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Die Klägerin trägt vor, das LSG habe die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung überschritten, indem es der Leistungseinschätzung von B (von nur vier Stunden täglich) nicht gefolgt sei. Auf eine solche Rüge kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nach der ausdrücklichen Regelung in § 160 Abs 2 Nr 3 SGG jedoch nicht gestützt werden (vgl auch BSG Beschluss vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - juris RdNr 5).

Soweit sie rügt, das LSG habe auf eine "vordergründig limitierende" Intelligenzminderung und auf ihren beruflichen Werdegang verwiesen, obwohl der Sachverständige eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands festgestellt habe, und sinngemäß zu einem möglichen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG ) geltend macht, das Gericht habe nicht dargelegt, worauf es "seine medizinische Sachkunde für eine derart gesteigerte Überzeugungsbildung" stütze, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor, dass das LSG eigene Sachkunde bei der Urteilsfindung überhaupt berücksichtigt hat (zu einem solchen Fall vgl BSG Beschluss vom 17.6.2020 - B 5 R 1/20 B - juris RdNr 4 ff). Den umfassend wiedergegebenen Entscheidungsgründen lässt sich vielmehr entnehmen, dass das Berufungsgericht die Ergebnisse der beiden im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten eingehend erörtert hat und - auch unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf - der Leistungseinschätzung von K gefolgt ist.

Soweit die Klägerin auf ein Urteil des BSG vom 6.2.2003 ( B 7 AL 12/02 R) verweist, legt sie nicht dar, inwiefern die zitierte Rechtsprechung hier einschlägig sein könnte und was hierdurch belegt werden soll.

Sollte die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das LSG hätte vor einer abschließenden Beweiswürdigung weitere Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen müssen, eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) rügen wollen, kann darauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn es sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (zu den Anforderungen im Einzelnen vgl zuletzt BSG Beschluss vom 7.9.2021 - B 5 R 128/21 B - juris RdNr 9). Auch dazu fehlt es an weiterem Vortrag.

Soweit die Klägerin schließlich einen "Verstoß gegen ein faires Verfahren" rügt, wird ein solcher Verfahrensmangel ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Die Klägerin trägt dazu vor, dem Sachverständigen B hätte die Möglichkeit gegeben werden müssen, die sozialmedizinische Stellungnahme der Beklagten vom 11.8.2020 auszuwerten. Die Beschwerdebegründung enthält jedoch keinerlei Ausführungen dazu, inwiefern dadurch der aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt sein könnte (vgl dazu zuletzt BSG Beschluss vom 13.8.2021 - B 5 R 156/21 B - juris RdNr 9).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 27.04.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 882/18
Vorinstanz: SG Meiningen, vom 29.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 14 R 682/17