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BSG - Entscheidung vom 27.04.2021

B 13 R 110/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 27.04.2021 - Aktenzeichen B 13 R 110/20 B

DRsp Nr. 2021/9385

Rente wegen Erwerbsminderung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. April 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 23.4.2020 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 24.6.2020 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung vom 24.6.2020 genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Die Klägerin hat darin den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.

Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 6 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 24.6.2020 nicht gerecht.

Die Klägerin formuliert darin als Rechtsfragen,

"ob stationäre Aufenthalte und fachärztliche Diagnosen, die während bzw. unmittelbar nach der Zeit der Urteilsverkündung festgestellt werden, vom höherrangigen Gericht zu berücksichtigen sind", und

"ob nur bei 'ungewöhnlichen' Leistungseinschränkungen eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist oder ob dies auch, wie vorliegend, bei einem kumulativen Vorliegen zahlreicher 'gewöhnlicher' Krankheiten gilt."

Sie stellt aber schon den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht genügend dar. Zwar lässt sich dem Gesamtvorbringen der Klägerin noch entnehmen, dass sie eine Erwerbsminderungsrente begehrt, das LSG sie als weder voll noch teilweise erwerbsgemindert erachtet und befunden hat, Anhaltspunkte für eine eingetretene Verschlechterung ihres Gesundheitszustands würden sich auch nicht aus einer Bescheinigung des Zentrums für Psychiatrie in S über einen am 30.3.2020 begonnenen stationären Aufenthalt ergeben. Die Klägerin teilt noch mit, dass selbst der vorläufige Entlassungsbericht der Klinik dem LSG bei Urteilsfindung nicht vorgelegen habe und auch nicht vorliegen konnte. Darüber hinaus fehlt es jedoch an einer zumindest gedrängten Darstellung von Inhalt und Verlauf des Verfahrens. Vor allem teilt die Klägerin nicht genauer mit, welche Feststellungen das LSG zu ihrem Leistungsvermögen getroffen hat. Die Wiedergabe des der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist jedoch Mindestvoraussetzung für eine Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde, weil es dem Revisionsgericht andernfalls unmöglich ist, sich - wie erforderlich - ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Vortrags des Beschwerdeführers ein Bild über den Streitgegenstand und rechtliche wie tatsächliche Streitpunkte zu machen (zuletzt etwa BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 13 R 3/20 B - juris RdNr 6 mwN). Gerade der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung verlangt die Wiedergabe des streiterheblichen Sachverhalts, weil insbesondere die Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage ohne Umschreibung des Streitgegenstands und des Sachverhalts nicht beurteilt werden kann ( BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 10 f mwN; BSG Beschluss vom 23.7.2007 - B 13/4 R 381/06 B - juris RdNr 8). Es ist auch nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung herauszusuchen ( BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).

Die Klägerin hat überdies die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht aufgezeigt. Hinsichtlich der ersten Frage wäre es erforderlich gewesen, insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG einzugehen, wonach bei der hier offensichtlich vorliegenden Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz bzw bei einer Berufungsentscheidung ohne mündliche Verhandlung der Zeitpunkt der LSG-Entscheidung maßgeblich ist (vgl etwa BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 9 SB 48/19 B - juris RdNr 8 mwN) und nach diesem Zeitpunkt eingetretene Tatsachen bei der Revisionsentscheidung nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn sie einen Wiederaufnahmegrund im schwebenden Rechtsstreit abgeben würden (vgl BSG Urteil vom 20.12.1962 - 3 RJ 85/55 - BSGE 18, 186 = SozR Nr 6 zu § 179 SGG , juris RdNr 11). Der Klägerin hätte es oblegen, in Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung darzulegen, warum sich daraus ihrer Meinung nach keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihr als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage zur Berücksichtigung sog neuer Tatsachen entnehmen lassen (vgl zu diesem Darlegungserfordernis etwa BSG Beschluss vom 20.4.2020 - B 13 R 13/19 B - juris RdNr 11 mwN). Hieran fehlt es. Hinsichtlich der zweiten Frage wäre insbesondere darzulegen gewesen, dass und warum ihre Beantwortung sich nicht aus der BSG -Rechtsprechung zu den sog Summierungsfällen ergebe, insbesondere aus der Entscheidung des BSG vom 11.12.2019 (B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22, juris RdNr 37), wonach eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auch dann vorliegt, wenn mehrere auf den ersten Blick gewöhnliche Leistungseinschränkungen aufgrund einer besonderen Addierungs- und Verstärkungswirkung ernste Zweifel an der Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begründen. Auch hieran fehlt es. Soweit die Klägerin auf vorangegangene BSG -Entscheidungen vom 19.10.2011 (B 13 R 78/09 R), vom 9.5.2012 (B 5 R 68/11 R) und vom 19.12.1996 ( GS 2/95) Bezug nimmt, argumentiert sie nicht etwa für einen verbliebenen Klärungsbedarf, sondern bekräftigt damit lediglich ihre Auffassung, ihr sei eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen gewesen. Hiermit, sowie mit dem Vorbringen, ihr sei der Arbeitsmarkt verschlossen, wendet sie sich im Kern gegen die rechtliche und tatsächliche Würdigung der Ermittlungsergebnisse durch das LSG. Auf den damit erhobenen Vorwurf, das angegriffene Urteil sei inhaltlich falsch, kann die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aber nicht gestützt werden (stRspr; vgl etwa BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.4.2020 - B 13 R 44/19 B - juris RdNr 8; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.04.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 7 R 3956/19
Vorinstanz: SG Ulm, vom 21.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 R 2249/18