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BSG - Entscheidung vom 22.06.2021

B 13 R 40/21 B

Normen:
SGB VI a.F. § 43
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 22.06.2021 - Aktenzeichen B 13 R 40/21 B

DRsp Nr. 2021/11518

Rente wegen Berufsunfähigkeit Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB VI a.F. § 43 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe

I

Mit Beschluss vom 21.1.2021 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 14.4.2021 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein entscheidungstragender Rechtssatz oder mehrere derartige Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 15 ff mwN). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6). Diesen Darlegungsanforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger rügt darin einzig eine Abweichung von dem Urteil des BSG vom "6.5.2020" - richtig: 6.5.2010 - (B 13 R 44/09 R). Zum entscheidungserheblichen Sachverhalt teilt er mit, im November 2000 in seiner Beschäftigung als Dachdecker einen Arbeitsunfall erlitten zu haben. Am 12.12.2000 habe er noch im Krankenhaus ein Gespräch mit dem Zeugen B geführt, dem Mitarbeiter einer Berufsgenossenschaft. In der Folgezeit habe er Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen, ua sei verletzungsbedingt eine berufliche Umorientierung erfolgt. Als Dachdecker habe er nicht mehr gearbeitet. Einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente habe er erst 2014 gestellt, der mangels Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt worden sei. Ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente nach altem Recht habe nach seinem Dafürhalten aber bereits seit dem Arbeitsunfall bestanden. Nach Auffassung des Klägers ist er im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als habe er noch 2000 einen entsprechenden Rentenantrag gestellt. Die Beklagte müsse sich einen Beratungsfehler des Zeugen B zurechnen lassen, der darin liege, dass dieser im Rahmen des Gesprächs vom 12.12.2000 nicht im Sinne einer Spontanberatung zu rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheiten beraten habe. Das LSG habe jedoch bereits keine Pflichtverletzung des Zeugen B erkannt. Der Kläger versäumt es indes, entscheidungstragende, sich widersprechende Rechtssätze der von ihm zitierten Entscheidungen des BSG und der angegriffenen Berufungsentscheidung herauszuarbeiten.

Der Kläger bringt vor, nach Überzeugung des LSG würden die insbesondere aufgrund der Vernehmung des Zeugen B gewonnenen Beweisergebnisse nicht genügen, um die für einen zwingenden rentenrechtlichen Beratungsbedarf geforderte "glasklare" Lage zu bejahen. Dem stellt er den Rechtssatz aus der Entscheidung des BSG vom 6.5.2010 gegenüber, wonach eine Spontanberatungspflicht eines Leistungsträgers, der kein Rentenversicherungsträger ist, in einer rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheit in Betracht kommt, wenn die in dem konkreten Verwaltungskontakt zutage tretenden Umstände insoweit eindeutig ("glasklar") sind, dh ohne weitere Ermittlungen einen dringenden rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarf erkennen lassen. Damit sind keine divergierenden Rechtssätze dargetan. Ausgehend von den Ausführungen des Klägers hat das LSG sich im Gegenteil an dem in der BSG -Entscheidung vom 6.5.2010 aufgestellten Rechtssatz orientiert. Es hat lediglich nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die im Gespräch vom 12.12.2000 zutage getretenen Umstände so "glasklar" gewesen sind, wie es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Annahme einer Spontanberatungspflicht eines anderen Leistungsträgers erforderlich wäre. Der Kläger wendet sich damit im Kern gegen die Beweiswürdigung des LSG. Gleiches gilt für sein Vorbringen, Ende 2000 sei angesichts der bevorstehenden Reform des Rechts der Erwerbsminderungsrente zum 1.1.2001 und des damit verbunden Verlusts des Berufsschutzes für Versicherte, die wie er nach dem 2.1.1961 geboren seien, ohne weitere Ermittlungen ein dringender rentenrechtlicher Beratungsbedarf erkennbar gewesen. Auf den darin liegenden Vorhalt, die Berufungsentscheidung sei unrichtig, lässt sich eine Revisionszulassung wegen Divergenz aber wie ausgeführt nicht stützen.

Eine Divergenz wird auch nicht anforderungsgerecht dargelegt, indem der Kläger vorbringt, die Entscheidung des LSG beruhe auf folgendem Rechtssatz: "Auch wenn dem Sozialleistungsträger im konkreten Verwaltungskontakt Umstände zu Tage treten, die insbesondere eindeutig für das Vorliegen von Berufsunfähigkeit sprechen, sind sie dennoch nicht verpflichtet, in Kenntnis des Umstandes, dass der Berufsunfähigkeitsschutz durch Gesetzesänderung für Versicherte der Jahrgänge ab 1961 wegfällt, den betroffenen Versicherten auf einen dringenden rentenversicherungsrechtlichen Beratungsbedarf hinzuweisen." Der so formulierte Satz steht schon in einem gewissen Widerspruch zu seinem Vorbringen, das LSG habe bezogen auf das Gespräch mit dem Zeugen B eine "glasklare" Lage verneint. Jedenfalls führt der Kläger damit wegen des starken Einzelfallbezugs keinen abstrakten, dh fallübergreifende Geltung beanspruchenden Rechtssatz an, den das LSG vermeintlich aufgestellt habe (vgl zur Abstraktheit eines Rechtssatzes Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG , 2. Aufl 2021, § 160 RdNr 34 mwN). Er kleidet lediglich die vom LSG im konkreten Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einen Rechtssatz.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 21.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 88/20
Vorinstanz: SG Koblenz, vom 04.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 16 R 527/18