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BSG - Entscheidung vom 24.09.2021

B 1 KR 85/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 128 Abs. 2

BSG, Beschluss vom 24.09.2021 - Aktenzeichen B 1 KR 85/20 B

DRsp Nr. 2021/16790

Parallelentscheidung zu BSG B 1 KR 84/20 B v. 24.09.2021

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. September 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3613,12 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 128 Abs. 2 ;

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1955 geborene H. P. (im Folgenden: der Versicherte) erhielt bereits im Mai 2014 und im Juni 2015 eine - stationäre - multimodale Schmerztherapie im klagenden Krankenhaus (im Folgenden: das Krankenhaus). Das Krankenhaus behandelte den Versicherten vom 29.2. bis 11.3.2016 unter der Hauptdiagnose ICD-10-GM M54.80 (Sonstige Rückenschmerzen, Mehrere Lokalisationen der Wirbelsäule) erneut stationär mit einer multimodalen Schmerztherapie (Operationen- und Prozedurenschlüssel - OPS - 8-918.02). Es berechnete der KK hierfür die Fallpauschale (DRG) I42B (multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe, weniger als 14 Tage; 3613,12 Euro). Die KK zahlte zunächst den Betrag und leitete ein Prüfverfahren ein. Der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) verneinte eine (erneute) stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Sodann rechnete die KK 3613,12 Euro mit anderen, unstreitigen Vergütungsansprüchen auf. Im Klageverfahren hat das SG ein den Anspruch des Krankenhauses stützendes Sachverständigengutachten eingeholt und die KK zur Zahlung von 3613,12 Euro zuzüglich Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der KK hat das LSG im Einverständnis mit den Beteiligten durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entschieden. Es hat das SG -Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die KK habe ohne Rechtsgrund 3613,12 Euro gezahlt, weil der Versicherte nicht krankenhausbehandlungsbedürftig gewesen sei. Die Behandlung hätte ambulant durchgeführt werden können. Dieser Beurteilung stehe das durch das SG eingeholte Sachverständigengutachten, das zu einem anderen Ergebnis gekommen sei, nicht entgegen. Die Ausführungen des Sachverständigen seien nicht überzeugend. Er befasse sich nur oberflächlich mit der individuellen Gesundheitssituation des Versicherten und beschränke sich auf grundsätzliche Aussagen im Hinblick auf die Schmerztherapie (Urteil vom 18.9.2020).

Das Krankenhaus wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (dazu 1.), der Divergenz (dazu 2.) sowie der grundsätzlichen Bedeutung (dazu 3.).

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.

a) Soweit das Krankenhaus eine Verletzung des § 124 Abs 2 iVm § 153 Abs 1 SGG mit der Begründung rügt, der Rechtsstreit sei für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht geeignet gewesen, legt es einen Verfahrensfehler nicht in der gebotenen Weise dar.

Wer sich trotz einer wirksamen Einverständniserklärung mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf eine Verletzung des § 124 Abs 2 iVm § 153 Abs 1 SGG als Verfahrensfehler beruft, muss darlegen, dass und warum die von ihm abgegebene Einverständniserklärung wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Wirksamkeit verloren haben könnte (vgl BSG vom 18.11.2020 - B 13 R 88/19 B - juris RdNr 12 mwN; s ferner Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 614 mwN), oder dass die Entscheidung des LSG, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, ermessensfehlerhaft sei, weil eine Ermessensreduzierung auf Null oder eine sonst fehlerhafte Ermessensbetätigung vorliege (vgl BSG vom 18.2.2021 - B 8 SO 63/20 B - juris RdNr 10 mwN). Insbesondere rechtfertigt eine vom LSG nicht beförderte Erwartung, das LSG werde im Sinne des Beschwerdeführers entscheiden, nicht den Schluss, das Einverständnis sei unwirksam (vgl BSG vom 18.2.2021 - B 8 SO 63/20 B - juris RdNr ). Einem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt, muss aufgrund der entsprechenden Anfrage klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden will (vgl BSG vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 8 mwN). Ebenso muss er damit rechnen, dass die Beweiswürdigung zu seinen Ungunsten ausfallen kann. Denn das Gericht hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden 128 Abs 1 SGG ). Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - dem gerichtlichen Sachverständigengutachten ein MDK-Gutachten entgegensteht.

Das Krankenhaus legt keine Umstände dar, die es als möglich erscheinen lassen könnten, dass sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung seine Wirksamkeit verloren habe. Es hat insbesondere keine Umstände schlüssig vorgetragen, aufgrund derer es sich hätte darauf verlassen dürfen, das LSG werde der klägerischen Rechtsansicht folgen. Es trägt im Kern nur vor, es sei davon ausgegangen, das LSG werde der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens bzw dem SG folgen. Die anderslautende Entscheidung sei "überraschend" gewesen.

b) Soweit die Klägerin eine Verletzung des § 155 Abs 3 und 4 SGG rügt, legt sie einen Verfahrensfehler ebenfalls nicht in der gebotenen Weise dar.

Wer eine Verletzung des § 155 Abs 3 und 4 SGG trotz eines wirksamen Einverständnisses mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter rügt, muss darlegen, dessen nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, ob er von der durch § 155 Abs 3 und 4 SGG eingeräumten Befugnis Gebrauch mache, oder ob es aus sachlichen Gründen bei der Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat verbleibe, sei ermessens- und verfahrensfehlerhaft, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung habe oder in Abweichung von einer Entscheidung eines der in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichte getroffen worden sei (vgl BSG vom 7.5.2020 - B 9 SB 8/20 B - juris RdNr 5 f; BSG vom 29.1.2019 - B 2 U 5/18 R - juris RdNr 15; BSG vom 23.5.2012 - B 14 AS 10/12 B - juris RdNr 5). Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Das Krankenhaus hat weder schlüssig dargelegt, dass die Entscheidung durch die Berichterstatterin des LSG-Senats deshalb ermessenfehlerhaft sei, weil das Urteil eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung betreffe (dazu 3.), noch, dass eine Divergenz vorliege (dazu 2.). Auch sonst hat das Krankenhaus keine Umstände dargelegt, die dafür sprechen könnten, dass die Berichterstatterin ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (dazu 1. a).

c) Auch soweit das Krankenhaus einen Gehörsverstoß in Gestalt einer Überraschungsentscheidung rügen will, legt sie diesen nicht hinreichend dar.

Nach § 128 Abs 2 SGG darf ein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten haben äußern können. Die Regelung erfasst einen Teilbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG , Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention ; vgl BSG vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R - BSGE 117, 192 = SozR 4-1500 § 163 Nr 7, RdNr 23; BSG vom 15.3.2017 - B 5 R 366/16 B - juris RdNr 15). Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. Ein Urteil darf nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt (vgl BVerfG <Kammer> vom 12.6.2003 - 1 BvR 2285/02 - BVerfGK 1, 211 = NJW 2003, 2524 ; BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 45/09 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 7.2.2013 - B 1 KR 68/12 B - juris RdNr 8). Das Gericht muss die Beteiligten über die für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen und Beweisergebnisse vorher unterrichten, ihnen insbesondere auch Gelegenheit geben, sich zu äußern (vgl BSG vom 23.5.1996 - 13 RJ 75/95 - SozR 3-1500 § Nr 12 S 19). Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt allerdings nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl nur BVerfG <Kammer> vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - juris RdNr 18 mwN; BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37 mwN). Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG vom 30.10.2019 - B 1 KR 99/18 B - juris RdNr 10 mwN; BSG vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN). Eine solche Verpflichtung des Gerichts wird insbesondere weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten 106 Abs 1 , § 112 Abs 2 Satz 2 SGG ) begründet (vgl BSG vom 29.4.2021 - B 5 RS 3/21 B - juris RdNr 5). Eine Hinweispflicht kann jedoch dann bestehen, wenn sich das Gericht hinsichtlich der Beweiswürdigung zuvor abweichend geäußert hat (vgl hierzu BSG vom 3.4.2014 - B 2 U 308/13 B - juris RdNr 8).

Der Verfahrensmangel ist danach nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt (vgl BSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 84/19 B - juris RdNr 11 mwN). Eine solche unerwartete Verfahrenswendung legt das Krankenhaus nicht nachvollziehbar dar.

Dass das SG dem Sachverständigen gefolgt ist, das LSG in seinem Urteil - ohne das Krankenhaus hierauf vorab hinzuweisen - jedoch nicht, sondern wesentliche Argumente aus dem die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit verneinenden MDK-Gutachten übernommen hat, ohne diese Bezugnahme im Urteil ausdrücklich kenntlich zu machen, vermag für sich genommen keine Überraschungsentscheidung zu begründen.

Soweit das Krankenhaus weiter vorträgt, das LSG habe sich unvorhersehbar eine eigene medizinische Sachkunde angemaßt (vgl hierzu nur BSG vom 11.7.2017 - B 9 SB 15/17 B - juris RdNr 11), legt es dies ebenfalls nicht nachvollziehbar dar. Dass das LSG sich mit der Behandlungsdokumentation kritisch auseinandersetzt und diese anders als der gerichtliche Sachverständige als unzureichend bzw lückenhaft ansieht, stellt jedenfalls keine Anmaßung einer dem Gericht nicht zukommenden Sachkompetenz dar. Es gehört vielmehr zu den Kernaufgaben der richterlichen Beweiswürdigung, medizinische Unterlagen im Hinblick darauf zu prüfen, ob diese wegen Widersprüchen, logischer Brüche, nicht fundierter Aussagen oder ähnlicher Mängel nicht zu überzeugen vermögen (vgl BSG vom 29.5.2015 - B 13 R 129/15 B - juris RdNr 14; BSG vom 11.7.2018 - B 1 KR 94/17 B - juris RdNr 8; BSG vom 30.10.2019 - B 1 KR 99/18 B - juris RdNr 7). Dass die Behandlungsdokumentation nicht bereits zuvor zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, hat das Krankenhaus nicht schlüssig vorgetragen. Dagegen spricht bereits, dass es vorträgt, auch der Sachverständige habe diese gewürdigt. Entsprechendes gilt für die näher begründete Auffassung des LSG, dass das gerichtliche Sachverständigengutachten bei der konkreten Sachverhaltsprüfung oberflächlich geblieben sei und das Gutachten deshalb nicht überzeugend sei. Im Übrigen trägt das Krankenhaus nichts dazu vor, warum sich das LSG die Argumente des MDK-Gutachtens nicht hätte zu eigen machen dürfen.

Letztlich rügt das Krankenhaus im Kern nur eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung durch das LSG nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG . Es beachtet dabei nicht, dass ein Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG grundsätzlich nicht hierauf gestützt werden kann. Dies gilt selbst bei offensichtlichen Widersprüchen zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage des Sachverständigen (vgl BSG vom 25.10.2017 - B 1 KR 18/17 B - juris RdNr 5).

d) Die Anforderungen an die Darlegung einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil das Krankenhaus keinen ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnet und selbst vorträgt, keinen Beweisantrag gestellt zu haben (vgl zu den Darlegungsanforderungen zB BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - juris RdNr 3 mwN; BSG vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - juris RdNr 5; stRspr).

2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB BSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6; BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG <Dreierausschuss> vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat. Dies hat der Beschwerdeführer schlüssig darzulegen (vgl zB BSG vom 19.11.2019 - B 1 KR 72/18 B - juris RdNr 8). Daran fehlt es.

Das Krankenhaus führt aus, das LSG habe in Widerspruch zum Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.9.2007 ( GS 1/06 - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10) und zu Urteilen des BGH (ua BGH vom 9.5.1989 - VI ZR 268/88 - juris) entschieden. Es legt nicht dar, das LSG habe bewusst Rechtssätze in Abweichung von diesen Entscheidungen aufgestellt. Es trägt vielmehr vor, das LSG habe die Entscheidung des Großen Senats teilweise selbst zitiert, ohne dabei jedoch die aufgestellten Grundsätze (zutreffend) anzuwenden. Im Kern rügt das Krankenhaus auch hier nur eine - behauptete - fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG. Eine Divergenz liegt aber nicht vor, wenn das Berufungsgericht höchstrichterliche Rechtsprechung im angefochtenen Urteil nicht in Frage gestellt, sondern nur missverstanden oder übersehen und deshalb das Recht fehlerhaft angewandt hat (stRspr; vgl zB BSG vom 8.12.2020 - B 1 KR 58/19 B - juris RdNr 7).

3. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 14/19 B - juris RdNr 4 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Das Krankenhaus fragt,

"inwieweit dem Gericht eine eigene Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die medizinische Frage nach der der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung im Sinne von § 128 Abs 1 SGG zusteht".

Es legt die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dar. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Das BSG hat ua entschieden, dass sich die Beantwortung der Frage, ob einem Versicherten (voll-)stationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, allein nach den medizinischen Erfordernissen richtet (vgl BSG Großer Senat vom 25.9.2007 - GS 1/06 - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 15; BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 24/08 R - BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 29 ff mwN) und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen haben, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist (stRspr; vgl zB BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 20 f; BSG vom 25.10.2016 - B 1 KR 6/16 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 59 RdNr 23). Im Hinblick auf die Würdigung medizinischer Sachverhalte hat das BSG in stRspr entschieden, dass das Tatsachengericht bei fehlender Sachkunde diese nicht selbst medizinisch beurteilen darf, sondern sich regelmäßig sachverständiger Hilfe bedienen muss (vgl zB BSG vom 17.4.2013 - B 9 V 1/12 R - BSGE 113, 205 = SozR 4-3800 § 1 Nr 20, RdNr 45; BSG vom 6.9.2018 - B 2 U 10/17 R - BSGE 126, 244 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 9, RdNr 28). Die Aussagen der Sachverständigen muss das Gericht im Rahmen seiner tatsächlichen Würdigung kritisch nachvollziehen (vgl BSG vom 29.5.2015 - B 13 R 129/15 B - juris RdNr 14; BSG vom 11.7.2018 - B 1 KR 94/17 B - juris RdNr 8; BSG vom 30.10.2019 - B 1 KR 99/18 B - juris RdNr 7; BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 6/07 R - SozR 4-1300 § 41 Nr 1 RdNr 24). Auf eigene medizinische Bewertungen darf es grundsätzlich nur dann zurückgreifen, wenn es über entsprechende Sachkunde verfügt (vgl zB BSG vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 44 f).

Mit dieser Rechtsprechung setzt sich das Krankenhaus nicht hinreichend auseinander. Es erwähnt zwar die Entscheidung des Großen Senats des BSG sowie Entscheidungen des BGH zur richterlichen Beweiswürdigung. Es geht jedoch nicht darauf ein, weshalb sich die aufgeworfene Frage vor dem Hintergrund der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ohne weiteres beantworten lässt.

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 18.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 16 KR 502/19
Vorinstanz: SG Hannover, vom 21.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 86 KR 1635/17