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BSG - Entscheidung vom 23.07.2021

B 12 R 10/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3
SGG § 103

BSG, Beschluss vom 23.07.2021 - Aktenzeichen B 12 R 10/21 B

DRsp Nr. 2021/15617

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 6316,55 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ; SGG § 103 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 6316,55 Euro für die Tätigkeit der zu 1., 2. und 5. beigeladenen Haushaltshilfen in der Zeit vom 1.2.2012 bis 30.9.2012.

Der Kläger ist Alleinerbe der am 1.11.2012 verstorbenen S, zu deren Betreuer er im streitigen Zeitraum bestellt war. Der Kläger schloss für S einen "Betreuungs- und Pflegevertrag mit freier Kost und Logis" mit den Beigeladenen zu 1., 2. und 5., die jeweils ihren Hauptwohnsitz in Polen haben. Danach wurden sie nacheinander für S in deren Grund- und Haushaltspflege tätig. Sie erhielten freie Kost und Logis in der Wohnung der S und monatlich 1250 Euro, die Kosten für die Fahrt zu S trugen sie selbst. Eine Bescheinigung A1/E101 der polnischen Sozialversicherung legten sie jeweils nicht vor, eine Anmeldung zur Sozialversicherung in Deutschland erfolgte nicht.

In Folge von Ermittlungen des Hauptzollamts prüfte die beklagte Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund die S als Arbeitgeberin nach den Vorschriften des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und forderte vom Kläger 6316,55 Euro nach (Betriebsprüfungsbescheid vom 28.12.2015, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2016).

Die Klage ist insofern erfolgreich gewesen als das SG die darüber hinaus erfolgte Festsetzung von Säumniszuschlägen aufgehoben hat (Urteil des SG Reutlingen vom 10.5.2019). Sie ist im Übrigen ebenso wie die Berufung erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom 23.2.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe die Forderung zu Recht an den Kläger als Alleinerben gerichtet. Deutsches Recht sei gemäß § 3 Nr 1, § 6 SGB IV iVm den Vorschriften der EGV 883/2004 und 987/2009 anwendbar, die Beigeladenen hätten keine Entsendebescheinigungen vorgelegt. Die Beklagte habe auch bei der S bzw dem Kläger prüfen dürfen, eine Geringfügigkeit habe nicht vorgelegen (§ 28p Abs 10 , § 8a SGB IV ). Die Beigeladenen zu 1., 2. und 5. seien sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie seien nach dem Gesamtbild der tatsächlich durchgeführten Tätigkeit weisungsgebunden und in die Haushaltsabläufe der S eingebunden gewesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) nicht hinreichend bezeichnet.

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 , 82; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 , 172 = SozR Nr zu § 52 SGG ). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht 103 SGG ) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - juris RdNr 11 mwN).

Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger bezeichnet bereits keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Er behauptet zwar einen solchen, legt aber nicht dar, wann er ihn gestellt haben will und was Beweisthema und Beweismittel gewesen sein soll und inwiefern er prozessordnungsgemäß gestellt worden ist. Er behauptet, "den" Beweisantrag aufrechterhalten zu haben (Seite 3 der Beschwerdebegründung), zeigt aber nicht auf, dass er einen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellt hätte oder welchen Antrag er wann aufrechterhalten haben will.

Sofern der Kläger rügt, das LSG habe die Haushaltshilfen "lediglich als Beigeladene im Verfahren bestimmt statt als Zeugen", wird nicht deutlich, welchen Verfahrensmangel des LSG der Kläger damit zu bezeichnen beabsichtigt. Das wäre aber schon deshalb angezeigt gewesen, weil nicht das LSG, sondern bereits das SG die betroffenen Haushaltshilfen beigeladen hat. Er erklärt auch nicht, inwiefern das LSG angesichts des klaren Wortlauts des § 75 Abs 2 SGG durch die Beteiligung als Beigeladene gegen Prozessrecht verstoßen haben soll. Sofern der Kläger meint, dadurch habe das LSG sie nicht als Zeugen hören können, wird - auch vor dem Hintergrund des § 106 Abs 3 Nr 6 und 7 SGG - nicht deutlich, gegen welche Norm das LSG verstoßen haben soll.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 2, § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 , § 162 Abs 3 VwGO .

5. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 1 und Abs 3 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 23.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 9 BA 1700/19
Vorinstanz: SG Reutlingen, vom 10.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 R 2446/16