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BSG - Entscheidung vom 31.08.2021

B 8 SO 11/21 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 31.08.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 11/21 BH

DRsp Nr. 2021/15558

Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Berücksichtigung von Zahlungen aus einer Erbschaft Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Im Streit steht die Weiterbewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ) für die Zeit von März 2014 bis Juli 2015 und hierbei insbesondere die Berücksichtigung von Zahlungen aus einer Erbschaft.

Der voll erwerbsgeminderte 1976 geborene Kläger bezog Grundsicherungsleistungen bis Dezember 2013. Im Oktober 2012 verstarb seine Großtante, deren Erbe er zu einem Zwölftel wurde. Nach Überweisung eines Betrages aus dem Erbe in Höhe von 13.016,63 Euro am 21.3.2014 gewährte der Beklagte für die Monate Januar und Februar 2014 Grundsicherungsleistungen (Bescheid vom 27.3.2014), lehnte eine weitere Leistungsgewährung ab März 2014 aber ab, weil der ausgezahlte Betrag als Einkommen bedarfsdeckend und auf einen Zeitraum von 19 Monaten zu verteilen sei. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 17.7.2014; Gerichtsbescheid vom 5.8.2016). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Bescheide geändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 13. bis 31.7.2015 Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Höhe von 405,90 Euro zu gewähren, im Übrigen die Berufung jedoch zurückgewiesen. Der Kläger sei in der Zeit von März 2014 bis zum 12.7.2015 nicht hilfebedürftig gewesen. Der durch den Testamentsvollstrecker überwiesene Geldbetrag in Höhe von 13.016,63 Euro sei zunächst als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend sei insoweit der Zufluss während des Leistungsbezugs. Als einmalige Einnahme sei der Betrag von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem er zufließe und auf mehrere Monate aufzuteilen. Der Beklagte habe den Verteilzeitraum aber zu Unrecht auf die Zeit von März 2014 bis Juli 2015 und damit auf 17 Monate erstreckt. Bei nicht ganz außergewöhnlich hohen Summen sei es vielmehr gerechtfertigt, an den nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII maßgeblichen regelmäßigen Bewilligungszeitraum von 12 Monaten anzuknüpfen, woraus sich ein Anrechnungszeitraum von März 2014 bis Februar 2015 errechne. Die Regelung über die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen erst im Monat nach dem Zufluss bei einem Verteilzeitraum von sechs Monaten existiere im SGB XII mit § 82 Abs 4 Satz 2 SGB XII erst seit dem 1.1.2016. Rückschlüsse daraus könne der Kläger für die zuvor geltende Rechtslage nicht ziehen. Nach Ablauf des Verteilzeitraums im Februar 2015 sei eine Berücksichtigung eines noch zur Verfügung stehenden Betrags ausschließlich als Vermögen zulässig. Dieses Vermögen habe erst am 13.7.2015 den Freibetrag unterschritten, weshalb ab dann eine erneute Leistungsbewilligung gerechtfertigt gewesen sei.

Der Kläger hat bei dem Bundessozialgericht ( BSG ) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Er macht geltend, dass aus der Entscheidung nicht klar werde, inwieweit die Neuregelungen das alte Regelwerk ersetzten.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.

Im Zusammenhang mit dem Begehren des Klägers auf Nichtberücksichtigung der Zahlungen des Testamentsvollstreckers als Einkommen ist nicht ersichtlich, dass eine grundsätzliche Bedeutung mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte. Insofern entspricht es der ständigen Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG , dass Einnahmen aus einer Erbschaft während des Leistungsbezugs Einkommen sind und ab dem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind, in dem sie als "bereite Mittel" zur Verfügung stehen (vgl nur BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 21 ff mwN).

Die fehlende Aussicht der erfolgreichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer diesbezüglichen Rechtsfrage gilt auch für den seitens des LSG zugrunde gelegten Verteilzeitraum. Dieser wird inzwischen gesetzlich in § 82 Abs 4 SGB XII idF des Gesetzes vom 21.12.2015 (BGBl I 2557) normativ mit einem Zeitraum von 6 Monaten vorgegeben. Ist ausgelaufenes Recht betroffen, scheidet eine grundsätzliche Bedeutung - von hier erkennbar nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - aus. Im Übrigen existiert Rechtsprechung zur vor dem 1.1.2016 bestehenden Rechtslage sowohl zu § 82 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung ( BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5 RdNr 21; BSG vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R - BSGE 121, 283 = SozR 4-3500 § 82 Nr 11, RdNr 33) als auch zur Vorgängernorm § 76 Bundessozialhilfegesetz ( BSHG ), derzufolge die Berechnung des angemessenen Verteilzeitraums von zwölf Monaten nicht zu beanstanden war (BVerwG vom 28.5.2003 - 5 C 41/02 - juris RdNr 15).

Nach dem Vorstehenden ist auch nicht erkennbar, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.

Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte, weil das LSG trotz erstinstanzlichen Gerichtsbescheids ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Der Kläger hat der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf Anfrage des Gerichts nämlich zugestimmt 124 Abs 2 SGG ). Eine unzureichende Begründung, die einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 2 SGG bedeuten könnte, ist nicht erkennbar.

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 26.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 SO 268/16
Vorinstanz: SG Osnabrück, vom 05.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 4 SO 167/14