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BSG - Entscheidung vom 05.07.2021

B 1 KR 74/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1
SGB X § 33 Abs. 2 S. 1

BSG, Beschluss vom 05.07.2021 - Aktenzeichen B 1 KR 74/20 B

DRsp Nr. 2021/11777

Kostenerstattung für selbstbeschaffte Liposuktionen Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB V § 13 Abs. 3 S. 1; SGB X § 33 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, ihr die Kosten iH von 18.011,98 Euro für die im November 2018 sowie Februar und November 2019 auf eigene Kosten stationär durchgeführten Liposuktionen zu erstatten, in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung - auch unter Bezugnahme auf die Gründe des SG -Urteils - ausgeführt, dass ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V ausscheide, weil die Beklagte den Antrag auf Versorgung mit Liposuktionen nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Auch ein Anspruch aus § 13 Abs 3a SGB V aufgrund einer Genehmigungsfiktion scheide aus. Die Beklagte habe den mit Schreiben vom 11.8.2019 gestellten Antrag der Klägerin am 1.9.2017 durch einen (fern-)mündlichen Verwaltungsakt abgelehnt und damit die Dreiwochenfrist nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V eingehalten (Urteil vom 23.7.2020).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 14/19 B - juris RdNr 4 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die Klägerin bezeichnet folgende Ausführungen als Rechtsfrage:

"Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird die Verletzung des § 13 Abs. 3 a SGB V gerügt. Die Regelung erfordert auch für S. 1 eine schriftliche Ablehnung und verdrängt insoweit § 33 SGB X als allgemeine Vorschrift, so dass ein mündlicher Verwaltungsakt nicht wirksam zur Einhaltung der 3-Wochen-Frist führt."

a) Die Klägerin zeigt die Klärungsbedürftigkeit dieser in die Form einer Aussage gekleideten Rechtsfrage nicht auf.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rspr und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rspr in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rspr vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN).

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin setzt sich mit der hierzu bereits ergangenen Rspr des BSG nicht auseinander. Das BSG hat bereits entschieden, dass Verwaltungsakte - wie die Entscheidung über einen Leistungsantrag - gemäß § 33 Abs 2 Satz 1 SGB X grundsätzlich in jeder Form - also auch mündlich - erlassen werden können und Abweichendes nur dann gilt, wenn eine bestimmte Form ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl zB BSG vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 20; BSG vom 17.2.2011 - B 10 KG 5/09 R - BSGE 107, 239 = SozR 4-5870 § 2 Nr 1, RdNr 16; BSG vom 10.12.2002 - B 9 VG 6/01 R - juris RdNr ). Es hat weiter entschieden, dass die Regelung des § 13 Abs 3a SGB V kein solches Formerfordernis enthält (vgl BSG vom 20.3.2013 - B 6 KA 27/12 R - BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 20 bis 22). Dazu verhält die Klägerin sich nicht. Sie geht auch nicht auf den vom LSG gegebenen Hinweis auf das Urteil des BSG vom 26.2.2019 ein ( B 1 KR 24/18 R - BSGE 127, 240 = SozR 4-2500 § 13 Nr 46, RdNr 27). Der erkennende Senat hat es dort als selbstverständlich angesehen, dass eine ablehnende Entscheidung der Krankenkasse auch (fern-)mündlich erfolgen kann.

Mit dieser Rspr setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Sie hätte darlegen müssen, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage weiterhin oder erneut klärungsbedürftig sein sollte. Soweit sie sich auf das Senatsurteil vom 26.5.2020 ( B 1 KR 9/18 R - BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53 ) bezieht, legt sie weder dar, dass das BSG seine Rspr zur Maßgeblichkeit des mündlichen Verwaltungsakts aufgegeben habe, noch dass sich daraus zumindest eine erneute Klärungsbedürftigkeit ergebe. Der Senat hat dort unter Aufgabe seiner bisherigen Rspr entschieden, dass eine fingierte Genehmigung nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch begründet, nicht die Qualität eines Verwaltungsakts hat und hierdurch nicht das durch den Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren abgeschlossen wird. Es erschließt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht, weshalb diese Rspr-Änderung zur Wirkung der Genehmigungsfiktion zu einer erneuten Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage geführt haben soll, ob der Eintritt der Genehmigungsfiktion durch einen mündlichen Verwaltungsakt verhindert werden kann. Dies gilt auch, soweit sie vorträgt, dass dem § 13 Abs 3a SGB V eine andere "Gewichtung" zugeführt worden sei, die sich auf die Auslegung des Wortlauts auswirke.

b) Mit ihrem weiteren Vortrag - insbesondere dazu, dass die Ablehnung für sie nicht als mündlicher Verwaltungsakt erkennbar gewesen sei und dass sich die Beklagte selbst der Schriftform "unterworfen" habe - behauptet sie letztlich lediglich eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LSG. Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § Nr 7).

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 23.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 471/19
Vorinstanz: SG Gießen, vom 08.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 7 KR 666/18