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BSG - Entscheidung vom 25.03.2021

B 1 KR 93/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 25.03.2021 - Aktenzeichen B 1 KR 93/20 B

DRsp Nr. 2021/8443

Kosten für eine Krankenhausbehandlung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Oktober 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 824,07 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Dieses führte im Mai 2014 bei einer bei der beklagten Krankenkasse (KK) Versicherten eine stationäre Behandlung durch. Das Krankenhaus stellte der beklagten KK auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis-Related-Group (DRG) K60D (Diabetes mellitus mit schweren CC oder mit multiplen Komplikationen oder Ketoazidose, Alter > 15 Jahre) insgesamt 3127 Euro in Rechnung. Als Hauptdiagnose wurde hierbei nach dem 2014 geltenden ICD-10-GM E10.73 verschlüsselt (Diabetes mellitus, Typ 1: mit multiplen Komplikationen: mit sonstigen multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet). Die KK beglich zunächst die Rechnung. Auf der Grundlage eines beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeholten Gutachtens forderte die KK das Krankenhaus zu einer Rechnungskorrektur auf. Die Abrechnung sei auf Grundlage der DRG K60E (Diabetes mellitus, Alter > 10 Jahre, ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne multiple Komplikationen, ohne Ketoazidose, ohne multimodale Komplexbehandlung bei Diabetes mellitus) vorzunehmen. Als Hauptdiagnose sei ICD-10-GM E10.61 zugrunde zu legen (Diabetes mellitus, Typ 1: mit sonstigen näher bezeichneten Komplikationen, als entgleist bezeichnet). Im Folgenden rechnete die beklagte KK mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses in Höhe eines Betrags von 824,07 Euro auf.

Die auf Auszahlung von 824,07 Euro gerichtete Klage des Krankenhauses ist in erster Instanz erfolgreich gewesen; die dagegen gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass nach der 2014 maßgeblichen Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) 0401H für die Kodierung der richtigen ICD-10-GM-Nummer von Bedeutung sei, wie viele Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus vorlägen und ob diese die Nebendiagnosedefinition erfüllten. Sofern nur eine einzelne Komplikation des Diabetes mellitus vorliege, sei die vierte Stelle "6" (also ICD-10-GM E10.63) zu kodieren. Hier sei die vierte Stelle aber mit "7" (und also ICD-10-GM E10.73) zu verschlüsseln, da bei der Versicherten multiple Komplikationen in Form von Hypoglykämien und Polyneuropathie vorgelegen hätten. Die Hypoglykämien seien zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht mit einem Stern gekennzeichnet seien. Anhand der DKR 2014 ergebe sich nicht, dass grundsätzlich nur Sternkodes Manifestationen sein könnten, sondern lediglich, dass jedenfalls ein Sternkode eine Manifestation darstelle (Urteil vom 12.10.2020).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die KK gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Die beklagte KK formuliert folgende Rechtsfrage:

"Können nur ICD-Kodes, die mit einem Sternkode gekennzeichnete Komplikationskodes sind, Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus im Sinne der DKR 0401H 2012 sein?"

Sie erfüllt jedoch nicht die für das als DRG-basierte Vergütungssystem der Krankenhausfinanzierung geltenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl hierzu ausführlich BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10 ff mwN). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage erwächst daraus, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist. Bei auslaufendem Recht setzt dies grundsätzlich voraus, dass entweder noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des ausgelaufenen Rechts zu entscheiden sind, oder sich die fortwirkende allgemeine Bedeutung aus anderen besonderen Umständen ergibt, etwa, dass an die Stelle der bisherigen Regelung eine inhaltsgleiche getreten ist (vgl etwa BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - juris RdNr 32; BSG vom 11.5.1993 - 12 BK 1/93 - juris RdNr 2).

Im Falle des DRG-basierten Vergütungssystems kommt hinzu, dass es vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes 17b Abs 2 Satz 1 KHG ) und damit als ein "lernendes" System angelegt ist und deswegen bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 11 mwN). Tatbestandsmerkmale einer Einzelvergütungsvorschrift mit einer normativ vorgegebenen kurzen Geltungsdauer und einer rechtstatsächlich stattfindenden fortlaufenden Überprüfung und eventuellen Anpassung haben daher nur bei Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzliche Bedeutung. Im Streit über die Anwendbarkeit einer bestimmten DRG muss der Beschwerdeführer daher darlegen, dass 1. die betroffene Einzelvorschrift (bzw das dort betroffene Tatbestandsmerkmal) im konkreten Fall auf die zur Ermittlung der DRG durchzuführende Groupierung Einfluss hat, 2. die in der kalenderjahresbezogen anzuwendenden Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mitgeregelte betroffene Einzelvorschrift in späteren FPV im Wortlaut unverändert erlöswirksam für die Groupierung fortgilt und 3. ein sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen bereits ergebender und zukünftig zu erwartender Streit von den am Abschluss des FPV mitwirkenden Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich gelöst werden konnte. Alternativ kann sich eine grundsätzliche Bedeutung auch daraus ergeben, dass 4. der Auslegungsstreit über eine Einzelvorschrift eine strukturelle Frage des Vergütungssystems betrifft, deren Beantwortung - ungeachtet der Fortgeltung der konkret betroffenen Vorschrift - über die inhaltliche Bestimmung der Einzelvorschrift hinaus für das Vergütungssystem als Ganzes oder für einzelne Teile zukünftig von struktureller Bedeutung ist.

An entsprechenden Darlegungen fehlt es hier. Die beklagte KK verweist darauf, dass das BSG die Rechtsfrage noch nicht entschieden habe, und behauptet lediglich pauschal, dass die Auslegung der DKR 0401H 2012 (gemeint wohl: 2014) für eine Vielzahl von Krankenhäusern von grundsätzlicher Bedeutung sei, ohne dies näher zu konkretisieren. Auch legt sie nicht dar, dass die aufgezeigte Rechtsfrage sich anhand der in der Rechtsprechung des BSG vorgegebenen gefestigten Auslegungskriterien nicht beantworten lasse. Ihr weiterer Vortrag, dass es insoweit einen Änderungsvorschlag der "DDG" gebe, legt nur dar, dass eine Änderung der vertraglichen Regelung teilweise angestrebt wird. Es fehlen aber Darlegungen dazu, dass sich daraus in einer Vielzahl von Behandlungsfällen ein von den Vertragsparteien bislang nicht einvernehmlich gelöster Streit ergeben hat oder dass eine über die Auslegung der Einzelvorschrift hinausgehende strukturelle Frage des Vergütungssystems betroffen ist. Dass unterschiedliche Auslegungen jeweils eine unterschiedliche Vergütungshöhe zur Folge haben, stellt jedenfalls keine das Vergütungssystem als Ganzes betreffende Frage von struktureller Bedeutung dar (vgl auch BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 7 ff).

Letztlich rügt die Beklagte mit ihrem Vorbringen daher nur eine fehlerhafte Entscheidung des LSG in der Auslegung der Kodierrichtlinie im Einzelfall, die jedoch nicht Gegenstand der Revisionszulassung sein kann (stRspr; vgl zB BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - juris RdNr 7; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § Nr 7 S 10).

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 12.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 KR 571/20
Vorinstanz: SG Heilbronn, vom 22.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen S 9 KR 2272/19