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BSG - Entscheidung vom 28.06.2021

B 1 KR 24/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 28.06.2021 - Aktenzeichen B 1 KR 24/20 B

DRsp Nr. 2021/13734

Kosten der Versorgung mit dem Arzneimittel Diovan mit dem Wirkstoff Valsartan Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger leidet seit Jahren an Hypertonie. Seinen Antrag, mit dem er unter Vorlage eines Attests seines Hausarztes begehrte, ihm die über dem Festbetrag liegenden Kosten der Versorgung mit dem Arzneimittel Diovan (Wirkstoff Valsartan) für die Vergangenheit zu erstatten und zukünftig zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.7.2014; Widerspruchsbescheid vom 17.11.2014). Sein Begehren hatte vor dem SG Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG -Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der den Festbetrag übersteigenden Kosten. Sei für ein Arzneimittel ein Festbetrag wirksam festgesetzt, erfülle die KK ihre Leistungspflicht grundsätzlich mit dem Festbetrag. Nur in atypischen Fällen, in denen aufgrund der ungewöhnlichen Individualverhältnisse keine ausreichende Versorgung zum Festbetrag möglich sei, greife diese Leistungsbeschränkung nicht ein. Dies sei der Fall, wenn die zum Festbetrag erhältlichen Arzneimittel - im Gegensatz zu dem begehrten, nicht zum Festbetrag verfügbaren Arzneimittel - unerwünschte Nebenwirkungen verursachten, die die Qualität einer behandlungsbedürftigen Krankheit erreichten. Der Anspruch des Klägers scheitere jedenfalls daran, dass die Voraussetzung einer ihm zumutbaren erschöpfenden Testung der alternativ anwendbaren, preislich den Festbetrag nicht überschreitenden Arzneimittel der Festbetragsgruppe nicht erfüllt sei (Urteil vom 13.2.2020).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 14/19 B - juris RdNr 4 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

a) Der Kläger formuliert zunächst als Rechtsfrage,

"ob es tatsächlich einer Testung sämtlicher auf dem Markt befindlicher Arzneimittel, die einer Festbetragsgruppe zugehören, bedarf, wenn bereits aufgrund einer Testung von Präparaten dieser Liste eine nicht unerhebliche Unverträglichkeit ärztlich festgestellt wurde und aus ärztlicher Sicht von weiteren Testungen abgeraten wird".

Ungeachtet dessen, ob es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, zeigt der Kläger jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht auf.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger verweist in seiner Beschwerdebegründung zwar selbst auf das Urteil des Senats vom 3.7.2012 ( B 1 KR 22/11 R - BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6, RdNr 25) und gibt Rechtssätze dieses Urteils wieder. Er geht aber nicht darauf ein, inwieweit diese Rspr die Frage nach der Notwendigkeit einer Testung aller Arzneimittel der Festbetragsgruppe bereits beantwortet. Soweit er sich maßgeblich dagegen wendet, dass das LSG in seinem Fall trotz seiner konkreten gesundheitlichen Umstände ein weiteres Austesten für erforderlich und für ihm zumutbar gehalten hat, greift er nur die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung an. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - SozR 4-2600 § 43 Nr 19 RdNr 21).

Die Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage legt der Kläger ebenfalls nicht dar. Insoweit wäre darzustellen gewesen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Dies ist nicht der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt (vgl hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 9g mwN), ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG 163 SGG ) festgestellt hat. Dem wird der Kläger nicht gerecht.

Der Kläger zeigt nicht auf, dass den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG zu entnehmen sei, dass er an einer nicht unerheblichen Unverträglichkeit im Hinblick auf die in der Festbetragsgruppe verbliebenen, bei ihm noch nicht getesteten Wirkstoffe leide oder ihm jedenfalls deren Testung nicht zumutbar sei. Der Kläger legt auch nicht dar, dass das LSG dahingehende Feststellungen zumindest offengelassen hat.

b) Soweit der Kläger die Rechtsfrage formuliert,

"ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein bereits erkrankter Mensch durch die gesetzliche Krankenkasse zur Feststellung, ob ein Betrag zur Vollversorgung in Abweichung zur Festbetragsregelung vorgenommen werden kann, zur Testung (ggf. wie vieler?) von Medikamenten aus dem Festbetragsbereich über sich ergehen lassen muss, bevor eine Feststellung 'ungewöhnlicher Individualverhältnisse' angenommen werden kann"

fehlt es auch hier aus den zu 1.a) genannten Gründen an der hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 13.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 672/16
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 10.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 16 KR 301/14