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BSG - Entscheidung vom 15.07.2021

B 12 KR 23/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB V § 240

BSG, Beschluss vom 15.07.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 23/21 B

DRsp Nr. 2021/13413

Heranziehung einer Sofortrente aus einer privaten Rentenversicherung zu Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB V § 240 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Heranziehung einer Sofortrente aus einer privaten Rentenversicherung zu Beiträgen des Klägers zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung ab Juli 2014.

Der bei der beklagten Krankenkasse freiwillig versicherte Kläger bezieht seit 2007 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2012 zahlte er 100.000 Euro in eine private Rentenversicherung ein, aus der ihm seit 2013 eine monatliche Sofortrente gezahlt wird. Die Beklagte setzte ab 1.7.2014 monatliche Beiträge auf die Rente nach dem ermäßigten Beitragssatz (14,9 vH) fest (Bescheide vom 28.1.2015, 17.6.2015, 6.10.2015, 5.11.2015, 13.1.2016, Widerspruchsbescheid vom 3.8.2016, Änderungsbescheide vom 17.8.2016, 4.1.2017, 21.6.2017, 27.6.2018, 20.12.2018 und 13.6.2019).

Die dagegen gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Frankfurt vom 18.3.2019, Urteil des LSG vom 25.3.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe § 240 SGB V und die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler zutreffend angewandt. Es sei die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu erfassen, dazu gehöre auch die Sofortrente. Eine Diskriminierung wegen Alters sei nicht zu erkennen, die einschlägige Vorschrift erfasse alle Altersgruppen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6).

Für die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer verfassungsrechtlichen Frage gilt, dass sich die Begründung nicht auf eine bloße Berufung einer Verletzung von Normen des GG beschränken darf, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG ausführen muss, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden ( BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - juris RdNr 10 mwN).

Der Kläger wirft auf S 4 der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:

"[…] ist nicht ersichtlich wodurch die unterschiedliche Behandlung der klägerischen Sofortrente im Hinblick auf andere Vermögensformen gerechtfertigt sein könnte."

und "[…] ob der Bezug einer sogenannten Sofortrente den Kläger aus der Vergleichsgruppe heraustreten lässt - oder eben nicht."

Mit diesen Ausführungen formuliert der Kläger bereits keine Rechtsfrage. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr mwN). Vielmehr kritisiert er die Subsumtion des LSG unter Art 3 Abs 1 GG im konkreten Einzelfall. Er meint, das LSG habe methodisch unzulässig argumentiert und rügt die unrichtige Einordnung seiner Situation in verfassungsrechtlich relevante Vergleichsgruppen. Damit macht er die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Das kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

Selbst wenn die weiteren Ausführungen, es gehe um Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der freiwillig Versicherten, als Frage nach der Auslegung des Art 3 Abs 1 GG im Hinblick auf die Bildung von Vergleichsgruppen verstanden würde, fehlte es an hinreichenden Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit. Weder berücksichtigt der Kläger die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG noch zeigt er den Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen auf oder erörtert die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung. Seine Ausführungen beschränken sich auf den Hinweis, das BSG habe sich am 10.10.2017 ( B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32) ausführlich mit der Sofortrente auseinandergesetzt. Er erläutert jedoch nicht, inwiefern die verfassungsrechtlichen Fragen in dieser Entscheidung ungeklärt geblieben sind. Auch untersucht er die Rechtsprechung des BVerfG zu Art 3 Abs 1 GG nicht darauf, ob die Frage nach der Bildung von Vergleichsgruppen daraus beantwortet werden kann.

Sofern der Kläger meint, das BSG müsse darüber entscheiden, ob eine eigenständige Zweckbestimmung der Beitragsbemessung entgegenstehe, kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger damit eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Selbst wenn auch insoweit eine solche Rechtsfrage als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt.

Es fehlt an jeglicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Beitragspflichtigkeit von Einnahmen aus privaten Versicherungen und Gewinnen ( BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 16/16 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 32; BSG Urteil vom 18.1.2018 - B 12 KR 22/16 R - BSGE 125, 113 = SozR 4-2500 § 240 Nr 34) und zu den Voraussetzungen einer die Beitragspflichtigkeit nach § 240 SGB V ausschließenden Zweckbestimmung ( BSG Urteil vom 7.6.2018 - B 12 KR 1/17 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 22 f mwN; BSG Urteil vom 24.11.2020 - B 12 KR 31/19 R - juris RdNr 26, auch zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Ausführungen des Klägers beschränken sich auf ein Zitat aus dem Urteil des Senats vom 10.10.2017 (aaO), ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob und inwiefern die aufgeworfenen Fragen anhand dieser Rechtsprechung nicht beantwortet werden können.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 25.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 8 KR 204/19
Vorinstanz: SG Frankfurt am Main, vom 18.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 15 KR 900/15