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BSG - Entscheidung vom 30.03.2021

B 8 SO 33/20 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 30.03.2021 - Aktenzeichen B 8 SO 33/20 BH

DRsp Nr. 2021/7636

Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII Zuschuss zur Beschaffung von Winterbekleidung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2020 (L 20 SO 666/18) Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Im Streit ist ein Zuschuss zur Beschaffung von Winterbekleidung.

Der Kläger lebt seit Januar 2016 in einer Notunterkunft im Stadtgebiet der Beklagten. Bei einer Zwangsräumung aus der vorangegangenen Unterkunft ist seine persönliche Habe verloren gegangen. Er bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland und erhält von der Beklagten seit März 2016 laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ( SGB XII ). Wegen verschiedener Anträge auf Gewährung von Zuschüssen für Sommer- und Winterbekleidung schlossen die Beteiligten des vorliegenden Verfahrens und der Sozialhilfeträger am Ort der früheren Wohnung vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in den deswegen geführten Berufungsverfahren einen Vergleich, in dessen Ergebnis ein Zuschuss für die Erstausstattung von Sommer- und Winterbekleidung an den Kläger in Höhe von 350 Euro gezahlt wurde (Vergleich vom 5.3.2018). Einen weiteren Antrag auf Gewährung eines Zuschusses für Winterbekleidung lehnte die Beklagte unter Hinweis auf diesen Vergleich ab (Bescheid vom 14.5.2018; Widerspruchsbescheid der Städteregion Aachen vom 10.7.2018). Die Klage hiergegen hat keinen Erfolg gehabt (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Aachen vom 23.10.2018; Urteil des LSG vom 29.6.2020). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 31 Abs 1 Nr 2 SGB XII scheide aus, weil der Kläger nicht behaupte, es habe nach der Zwangsräumung ein weiteres Ereignis zum Verlust seiner Bekleidung geführt, sondern geltend mache, mit dem vergleichsweise bewilligten Betrag könne er seien Bedarf nicht decken. Den Umständen, die zum Abschluss des Vergleichs geführt hätten, lasse sich aber entnehmen, dass eine endgültige und umfassende Einigung über den Anspruch auf Erstausstattung im Anschluss an die Räumung erfolgt sei. Dies stehe dem jetzt geltend gemachten Anspruch entgegen. Einen Anspruch auf die Gewährung eines ergänzenden Darlehens wegen eines unabweisbaren Bedarfs für Kleidung 37 Abs 1 SGB XII ) mache der Kläger ausdrücklich nicht geltend.

Der Kläger beantragt beim Bundessozialgericht ( BSG ) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

II

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Frage der Reichweite eines Vergleichs wirft keine Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Ob mit dem Vergleich eine endgültige Regelung wegen der Erstausstattung für Bekleidung nach deren Verlust zu Beginn des Jahres 2016 geregelt worden ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Übrigen liegt wegen der Frage, wann ein Anspruch auf Erstausstattung besteht, gefestigte Rechtsprechung des BSG zu der für erwerbsfähige Leistungsberechtigte geltenden Parallelvorschrift 24 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <SGB II>) vor (vgl zum Begriff der Erstausstattung nur BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 64/07 R - BSGE 101, 268 = SozR 4-4200 § 23 Nr 2, RdNr 19; BSG vom 23.3.2010 - B 14 AS 81/08 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 8; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 36/09 R - juris RdNr 16; zur Bemessung der Höhe des Anspruchs BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 53/10 R - SozR 4-4200 § 23 Nr 12 RdNr 26 ff). Es ist nicht erkennbar, dass sich im Anwendungsbereich des SGB XII abweichende Fragen stellen könnten (vgl bereits BSG vom 18.7.2019 - B 8 SO 13/18 R - SozR 4-3500 § 31 Nr 1 RdNr ). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nach dem Vorstehenden ebenso wenig.

Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend machen könnte. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG in der Besetzung mit der vom Kläger zu Beginn der mündlichen Verhandlung wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richterin das gestellte Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und sodann in der Sache verhandelt und entschieden hat. Diese Vorgehensweise war zulässig; denn das vom Kläger angebrachte Gesuch, mit dem er sich auf die Behauptung der Voreingenommenheit der Richterin wegen einer Parteizugehörigkeit beschränkt hat, war rechtsmissbräuchlich. Es handelte sich um eine pauschale Ablehnung der Richterin auf Grundlage von Behauptungen ohne jeden sachlichen Kern. Damit konnte in der Besetzung mit der abgelehnten Richterin entschieden werden (vgl BVerfGE 131, 239 , 252 f; BVerfGK 5, 269, 280 f).

Mit der Ablehnung der PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 29.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 SO 666/18
Vorinstanz: SG Aachen, vom 23.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 20 SO 140/18