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BSG - Entscheidung vom 08.03.2021

B 13 R 7/20 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 08.03.2021 - Aktenzeichen B 13 R 7/20 B

DRsp Nr. 2021/5968

Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Sich widerstreitende Sachverständigengutachten

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Mit Urteil vom 11.12.2019 hat das Bayerische LSG einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 11.3.2020 begründet hat.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch den ebenfalls geltend gemachten Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet.

a) Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit). In der Beschwerdebegründung ist deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und der Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB BSG Beschluss vom 19.10.2011 - B 13 R 241/11 B - SozR 4-4200 § 25 Nr 1 RdNr 9 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 8.8.2019 - B 13 R 289/18 B - juris RdNr 9; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 14 ff mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung vom 11.3.2020 nicht.

Der Kläger formuliert darin die Frage,

"unter welchen Voraussetzungen bei sich widerstreitenden Sachverständigengutachten (ausnahmsweise doch) ein 'Obergutachten' durch einen Spezialisten (z.B. Sachverständigen an einem Universitätsklinikum) auf dem strittigen Fachgebiet eingeholt werden muss bzw. sich die Unterlassung der Einholung eines solchen als Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG ) darstellt."

Es sei dahingestellt, ob der Kläger damit trotz des starken Einzelfallbezugs eine hinreichend bestimmte abstrakte Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von § 128 SGG mit höherrangigem Recht formuliert hat. Jedenfalls hat er die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht aufgezeigt. Wie der Kläger unter Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des 13. Senats ( BSG Beschluss vom 30.6.2015 - B 13 R 184/15 B) selbst darlegt, ist höchstrichterlich geklärt, dass ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein Obergutachten nicht besteht und das Tatsachengericht, wenn es eines von mehreren Gutachten für überzeugend hält, sich diesem grundsätzlich anschließen darf, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen (vgl dazu zuletzt vor Eingang der Beschwerdebegründung etwa BSG Beschluss vom 22.1.2018 - B 13 R 415/14 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 9.1.2019 - B 9 SB 62/18 B - juris RdNr 7; jeweils mwN). Dem Kläger hätte es daher oblegen, in Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung darzulegen, warum sich daraus seiner Meinung nach keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Frage ergeben (vgl zu diesem Darlegungserfordernis zuletzt etwa BSG Beschluss vom 20.4.2020 - B 13 R 13/19 B - juris RdNr 11 mwN). Diese Anforderung verfehlt die Beschwerdebegründung mit dem lediglich pauschalen Vorbringen, es sei höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärt, wann und unter welchen Voraussetzungen angesichts unterschiedlicher Gutachtenergebnisse ausnahmsweise eine Pflicht zur weiteren Beweiserhebung bestehe. Da bereits die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht dargelegt ist, lässt der Senat dahinstehen, ob ihre Klärungsfähigkeit dargetan ist, obwohl der Kläger keinen Beweisantrag gerichtet auf die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens benennt, und ob der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz der Bezugnahme auf die behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen genügend dargestellt wird.

Mit seinem Vorbringen, das LSG habe das in seinem Parallelverfahren gegen das Versorgungsamt eingeholte Gutachten des dortigen Sachverständigen S nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere die darin gestellte Diagnose "chronisches Überforderungssyndrom", wendet der Kläger sich gegen die Beweiswürdigung des LSG. Mit einem vermeintlichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen die Grundsätze der freien Beweiswürdigung 128 Abs 1 Satz 1 SGG ) lässt sich eine Revisionszulassung indes nicht begründen (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ). Diese Einschränkung kann nicht durch die Berufung auf eine Rechtsfrage von vermeintlich grundsätzlicher Bedeutung umgangen werden. Dass ein Beteiligter das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann von vornherein nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).

b) Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel wird nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne , so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 5; jüngst BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris RdNr ). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 11.3.2020 nicht gerecht.

Der Kläger rügt, das LSG sei seinem in den Schriftsätzen vom 21.6.2019 und vom 27.11.2019 formulierten Antrag nicht gefolgt, im Rahmen des § 109 SGG eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen O, der im erstinstanzlichen Verfahren ein Gutachten nach § 109 SGG erstellt habe, zum Gutachten des im Berufungsverfahren beauftragten Sachverständigen P einzuholen. Damit ist schon kein zulässiger Verfahrensmangel bezeichnet. Auf eine Verletzung des § 109 SGG kann die Nichtzulassungsbeschwerde wie erwähnt nicht gestützt werden (vgl § 160 Abs 2 Halbsatz 2 SGG ). Soweit der Kläger offensichtlich nicht mit der Auswertung und Würdigung der vorliegenden Gutachten und übrigen aktenkundigen Befundberichte durch das LSG einverstanden ist, wendet er sich gegen dessen Beweiswürdigung. Auch auf eine behauptete Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 11.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 770/18
Vorinstanz: SG Landshut, vom 04.09.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 14/16