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BSG - Entscheidung vom 18.03.2021

B 9 SB 8/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 18.03.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 8/21 B

DRsp Nr. 2021/6988

Festsetzung eines Grades der Behinderung Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem oben genannten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Festsetzung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 80 anstatt wie bisher 50. Wie zuvor der Beklagte (Bescheid vom 12.5.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.5.2017) und das SG (Urteil vom 28.2.2019) hat auch das LSG den geltend gemachten Anspruch verneint (Urteil vom 27.10.2020). Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des von der Klägerin begehrten höheren GdB lägen nicht vor. Entscheidungstragend hat sich das LSG dabei auf die Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W vom 30.6.2020, der Ärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie und Chirotherapie Dr. H vom 20.1.2020 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. W vom 9.11.2018 sowie die Berichte der behandelnden Ärzte und die versorgungsärztlichen Stellungnahmen gestützt.

Die Klägerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG erhoben und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beantragt.

II

1. Der Antrag der Klägerin auf PKH ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Zutreffend weist der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung darauf hin, dass ausgehend von der Mitteilung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 19.1.2021, dass ihr das LSG-Urteil am 22.12.2020 zugestellt worden ist, der am 25.1.2021 beim BSG eingegangene PKH-Antrag für die Durchführung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nicht innerhalb der Monatsfrist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde eingegangen 160a Abs 1 Satz 2, § 64 SGG ) und er bereits aus diesem Grunde abzulehnen ist (vgl Senatsbeschluss vom 11.1.2018 - B 9 SB 87/17 B - juris RdNr 3 mwN). Das LSG hatte die Klägerin in der der Entscheidung beigefügten Rechtsmittelbelehrung sowie den Erläuterungen zur PKH zutreffend darüber belehrt, dass sowohl das PKH-Gesuch als auch die formgerechte Erklärung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist beim BSG einzureichen sind. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat aber nach der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung auch in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Offen lässt der Senat deshalb, ob die Klägerin überhaupt die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die die Gewährung von PKH erfüllt.

Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung allein in Betracht kommende Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision 160a SGG ). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 SGG nur zugelassen werden, wenn einer der dort abschließend genannten Revisionszulassungsgründe vorliegt. Das ist hier nach Durchsicht der Akten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin in ihrem Schreiben vom 19.1.2021 nicht der Fall.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein zur Vertretung vor dem BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 2 und 4 SGG ) geltend machen könnte, dass der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) zukommt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der vorgenannten Bestimmung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Solche Rechtsfragen stellen sich im Fall der Klägerin aber nicht. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass der Zulassungsgrund der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) vorliegt. Denn die angefochtene Entscheidung des LSG ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.

Das LSG durfte in Abwesenheit der Klägerin und insbesondere ihres Ehemanns als Prozessbevollmächtigten am 27.10.2020 mündlich verhandeln und entscheiden 126 , § 110 Abs 1 Satz 2 SGG ). Eine Verpflichtung zur Vertagung bestand nicht (vgl hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 126 RdNr 5). Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass ihr Prozessbevollmächtigter Kenntnis von der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hatte. Seinen mit Schreiben vom 28.9.2020 gestellten Antrag auf "Absetzung der mündlichen Verhandlung" hat das LSG mit Schreiben vom 5.10.2020 abgelehnt. In der aktenkundigen Terminmitteilung ist ihr Prozessbevollmächtigter ua darauf hingewiesen worden, dass auch bei seinem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden kann. In dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2020 ist kein Terminverlegungsantrag zu sehen. Zwar weist der Prozessbevollmächtigte dort darauf hin, aus welchen Gründen aus seiner Sicht eine mündliche Verhandlung momentan "keinen Sinn" mache. Er bat in diesem Schreiben jedoch zugleich "um ein Urteil ohne Verhandlung, damit wir in die nächste und letzte Instanz gehen können". Dem LSG blieb es im Rahmen der ihm obliegenden Ermessensentscheidung aber unbenommen, die anberaumte mündliche Verhandlung durchzuführen und aufgrund dieser ein Urteil nach § 132 SGG zu verkünden (vgl Hübschmann in Roos/Wahrendorf/Müller, Beck OKG SGG , § 126 RdNr 26, Stand der Einzelkommentierung 1.1.2021; Bergner in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 1. Aufl 2017, § 126 RdNr 18, Stand der Einzelkommentierung 15.7.2017).

Soweit die Klägerin in ihrem Schreiben vom 19.1.2021 vorträgt, das LSG sei den von ihr mehrfach schriftsätzlich gestellten und aufrechterhaltenen Beweisanträgen "auf Einholung von traumatologischen Gutachten" ohne hinreichende Begründung iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht gefolgt, ist weder substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass sich das LSG ausgehend von seiner hier allein maßgeblichen Rechtsauffassung zur Teilhabebeeinträchtigung nach dem SGB IX , zu einer entsprechenden (weiteren) Beweiserhebung noch hätte gedrängt fühlen müssen (vgl hierzu Senatsbeschluss vom 27.3.2020 - B 9 SB 83/19 B - juris RdNr 10 mwN). Im Kern wendet sich die Klägerin mit ihren umfänglichen Ausführungen gegen die vom LSG vorgenommene und aus ihrer Sicht unzureichende Auswertung und Würdigung der vorliegenden Sachverständigengutachten und sonstigen aktenkundigen medizinischen Befundunterlagen. Mit diesem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung des LSG kann sie jedoch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG nicht gehört werden. Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden. Soweit die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 19.1.2021 darüber hinaus eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG in ihrem Einzelfall rügen wollte, kann sie auch damit keine Revisionszulassung erreichen (vgl stRspr; zB Senatsbeschluss vom 27.12.2018 - B 9 SB 3/18 BH - juris RdNr 18; Senatsbeschluss vom 1.6.2017 - B 9 SB 19/17 B - juris RdNr 6).

Da der Klägerin nach alledem keine PKH für die Durchführung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die von der Klägerin selbst erhobene Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sie kann eine Prozesshandlung selbst nicht rechtswirksam vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet und fristgemäß eingereicht sein. Auch hierauf hat das LSG in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen.

3. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 27.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 45/19
Vorinstanz: SG Augsburg, vom 28.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 19 SB 199/17