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BSG - Entscheidung vom 28.07.2021

B 5 R 160/21 B

Normen:
SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) § 15 Abs. 1 S. 3
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 28.07.2021 - Aktenzeichen B 5 R 160/21 B

DRsp Nr. 2021/13425

Erstattung von verauslagten Aufwendungen für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. März 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGB IX (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung) § 15 Abs. 1 S. 3; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung der von ihr verauslagten Aufwendungen in Höhe von 12.739,83 Euro für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Die Beklagte bewilligte der Klägerin nach Implantation eines Kardioverters/Defibrillators (ICD) am 25.8.2015 eine dreiwöchige stationäre Maßnahme in einer Rehabilitationsklinik in O und lehnte die Erbringung der Leistung in der von der Klägerin bevorzugten Privatklinik in S1 ab (Bescheid vom 3.9.2015). Dennoch absolvierte die Klägerin die Anschlussheilbehandlung ab dem 5.9.2015 in der Privatklinik, die sie schon bei einer früheren Reha im Jahr 2011 genutzt hatte. Damals hatte die Beklagte die angefallenen Kosten nachträglich erstattet.

Den Antrag der Klägerin von Oktober 2016 auf Erstattung der Kosten für die im Jahr 2015 absolvierte Maßnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.12.2017 ab. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Im Urteil des LSG ist ausgeführt, dass weder die Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Satz 3 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (aF) - Selbstbeschaffung nach Ablauf einer gesetzten Frist - noch die Voraussetzungen des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX aF - Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren oder zu Unrecht abgelehnten Leistung - erfüllt seien. Ein Kostenerstattungsanspruch nach diesen Vorschriften reiche zudem nicht weiter als der Sachleistungsanspruch. Das in § 9 SGB IX aF normierte Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten gelte nur in Bezug auf Einrichtungen iS des § 15 Abs 2 SGB VI aF, die der Träger der Rentenversicherung selbst betreibe oder mit denen ein Vertrag bestehe. Dafür, dass die für die Klägerin erforderliche Maßnahme nicht in einer Vertragsklinik habe erbracht werden können, gebe es keine Anhaltspunkte. Vielmehr habe die Beklagte mit der Klinik in O eine geeignete Einrichtung benannt (Urteil vom 31.3.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht Verfahrensmängel geltend.

II

1. Nach Schließung des 13. Senats zum 1.7.2021 durch Erlass des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 24.6.2021 (vgl § 202 Satz 1 SGG iVm § 130 Abs 1 Satz 2 GVG ) ist nach dem Geschäftsverteilungsplan (Stand 1.7.2021) nunmehr der 5. Senat des BSG für die Entscheidung über die ursprünglich unter dem Aktenzeichen B 13 R 85/21 B erfasste Beschwerde in einer Streitigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuständig.

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne 160 Abs 2 Nr 3 SGG ), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht gerecht.

a) Die Klägerin rügt, das LSG habe notwendige Beweise trotz entsprechender Beweisangebote und deren Entscheidungserheblichkeit nicht eingeholt und damit § 103 SGG verletzt.

Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7; Fichte in Fichte/Jüttner, SGG , 3. Aufl 2020, § 160a RdNr 56). Der Vortrag der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

aa) Sie führt zunächst an, nach ihrer eigenen Rechtsansicht sei es rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht ihren Anspruch deshalb ablehne, weil sie die bereits im Vorfeld feststehende ablehnende Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet habe. Zum Beweis der bereits im Vorfeld feststehenden Ablehnung habe sie das Zeugnis einer Mitarbeiterin der Privatklinik benannt. Diesem Beweisangebot sei das LSG nicht nachgegangen. Dieses Vorbringen der Klägerin erfüllt bereits die Anforderungen des oben genannten Punkts (1) nicht und lässt im Übrigen Punkt (2) außer Acht. Dass ein entsprechender (prozessordnungsgemäßer) Beweisantrag im Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem LSG oder in dessen Urteil wiedergegeben ist, lässt sich den Darlegungen der Klägerin nicht entnehmen (vgl zu diesem Erfordernis zB BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 26.5.2020 - B 1 KR 7/19 B - juris RdNr 11).

bb) Auch soweit die Klägerin rügt, das LSG sei ihrem Beweisangebot auf Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes M - ua zur Frage der besonderen Eilbedürftigkeit und Unaufschiebbarkeit sowie zu den bei ihr bestehenden psychischen Beeinträchtigungen - nicht nachgekommen, fehlt jeder Vortrag dazu, dass sie das Berufungsgericht noch in der mündlichen Verhandlung auf die ihrer Ansicht nach insoweit noch nicht vollständige Sachaufklärung hingewiesen habe (vgl dazu BSG Beschluss vom 26.8.2020 - B 12 R 51/19 B - juris RdNr 17). Dies betrifft in gleicher Weise den erwähnten "Vortrag im Schriftsatz vom 05.10.2018 und die dortigen Beweisangebote", zB den Zeugen S2.

cc) Entsprechendes gilt für den Vorhalt, das von ihr beantragte Sachverständigengutachten zu fehlendem geeignetem Personal zur Behandlung psychischer Probleme in der Rehabilitationsklinik in O sei vom LSG nicht eingeholt worden und ebenso wenig ein ergänzend angebotenes Sachverständigengutachten zu allen Tatsachen, die M als Zeuge hätte berichten sollen.

b) Weiterhin rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG ). Dazu finden sich inmitten des umfangreichen Vorbringens zur Verletzung der Sachaufklärungspflicht an zwei Stellen Ausführungen, die hierauf gerichtet sein könnten. Auch diese Darlegungen zeigen einen Gehörsverstoß nicht in schlüssiger Weise auf.

aa) Zum einen trägt die Klägerin vor, das LSG hätte ihr zumindest einen Hinweis geben müssen, dass es ihren Anspruch ablehnen wolle, weil sie vor Antritt der Rehabilitationsmaßnahme in der Privatklinik eine Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet habe (Beschwerdebegründung Seite 2 Abs 4). Daraus erschließt sich jedoch nicht, inwiefern diese Rechtsansicht des LSG (insbesondere auch angesichts des Inhalts des von ihr angefochtenen SG -Urteils) so überraschend sein konnte, dass auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen damit nicht zu rechnen brauchte (vgl zu diesem Aspekt BVerfG <Kammer> Beschluss vom 27.9.2018 - 1 BvR 426/13 - juris RdNr 2 mwN; s auch BSG Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 96/17 B - juris RdNr 10 mwN).

bb) Zum anderen rügt die Klägerin, das LSG habe sich nicht "mit der Recht(s)mäßigkeit der Frage der Rücknahme der Rehamaßnahme" befasst, obwohl sie im Schreiben vom 24.10.2016 und nochmals im Schriftsatz vom 5.10.2018 hierzu Ausführungen gemacht habe (Beschwerdebegründung Seite 8 vorletzter Abs). Ihr Vortrag enthält jedoch keine Darlegungen dazu, inwiefern dies zum Kern ihres Vorbringens zu einer zentralen Frage des Berufungsverfahrens gehörte, sodass das LSG trotz der gebotenen Konzentration auf das Wesentliche hierzu in jedem Fall hätte Stellung nehmen müssen (vgl zum Umfang der Begründungspflicht BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6 mwN). Das erschließt sich auch nicht von selbst, zumal das Berufungsverfahren vor dem LSG erst im Oktober 2020 begann.

c) Letztlich zielen die Ausführungen der Klägerin darauf, mit Hilfe mehrfacher Beweisantritte nach Art einer Berufungsbegründung darzulegen, dass die Entscheidung des LSG in der Sache falsch sei. Hierauf kann eine Nichtzulassungsbeschwerde jedoch von vornherein nicht gestützt werden (vgl BSG Beschluss vom 29.4.2019 - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 25.3.2021 - B 5 R 288/20 B - juris RdNr 14 - jeweils mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 31.03.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 6 R 274/20
Vorinstanz: SG Mainz, vom 28.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 R 237/18