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BSG - Entscheidung vom 13.10.2021

B 5 R 179/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB X § 63 Abs. 3

BSG, Beschluss vom 13.10.2021 - Aktenzeichen B 5 R 179/21 B

DRsp Nr. 2021/17219

Erstattung außergerichtlicher Kosten Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB X § 63 Abs. 3 ;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Erstattung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 1561,28 Euro.

Die Klägerin begehrte im zugrunde liegenden Rechtsstreit eine Erwerbsminderungsrente von der Beklagten. Diese lehnte den Rentenantrag zunächst ab (Bescheid vom 23.3.2020). Dem dagegen gerichteten Widerspruch half sie ab, indem sie der Klägerin mit Bescheid vom 17.4.2020 eine im Dezember 2018 beginnende Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligte. Sie teilte zugleich mit, die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf Antrag zu erstatten und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als erforderlich anzusehen. Die Klägerin ergriff weitere Rechtsbehelfe gegen den Rentenbescheid vom 17.4.2020, zuletzt war eine Klage beim SG Freiburg (S 11 R 2757/20) anhängig. Ihr damaliger Bevollmächtigter übersandte der Beklagten zugleich eine Kostennote über 1561,28 Euro und bat um "Abrechnung". Er vertrat die Auffassung, das Widerspruchsverfahren sei mit Erlass des Rentenbescheids vom 17.4.2020 abgeschlossen worden. Weiter war er der Meinung, die Beklagte habe die erstattungsfähigen Kosten nicht durch Verwaltungsakt festzusetzen, sondern müsse eine "Abrechnung" im Gleichordnungsverhältnis vornehmen. Die Beklagte lehnte eine Kostenfestsetzung ab, solange noch nicht rechtskräftig über die gegen den Bescheid vom 17.4.2020 ergriffenen Rechtsbehelfe entschieden sei.

Das SG hat die auf "Abrechnung" der Kostennote gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.10.2020). Das LSG hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin mit Urteil vom 17.5.2021 zurückgewiesen. Die Klägerin habe ausdrücklich keine auf die Bescheidung eines Kostenfestsetzungsantrags gerichtete Untätigkeitsklage erhoben, sondern eine isolierte Leistungsklage. Diese sei unzulässig. Es könne offenbleiben, ob das Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 23.3.2020 abgeschlossen sei oder in das Klageverfahren S 11 R 2757/20 gemündet habe. Im ersten Fall sei die Leistungsklage nicht statthaft, weil bei einem isolierten Vorverfahren die Kostenfestsetzung durch Verwaltungsakt erfolge. Im zweiten Fall fehle es an der erforderlichen Kostengrundentscheidung zugunsten der Klägerin, denn mit Erhebung der Klage S 11 R 2757/20 habe sich die im Bescheid vom 17.4.2020 getroffene Kostengrundentscheidung erledigt; es sei eine einheitliche Kostenentscheidung im dortigen Gerichtsverfahren zu treffen.

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 23.8.2021 begründet hat. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet worden ist. Sie wird daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG verworfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde mit einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) begründet, muss in der Beschwerdebegründung dargetan werden, dass die Rechtssache eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss zur ordnungsgemäßen Darlegung dieses Revisionszulassungsgrundes daher eine Rechtsfrage benennen und zudem deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4 mwN). Das Vorbringen der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Der Beschwerdebegründung vom 23.8.2021 lässt sich die Frage entnehmen,

"Ist die Beklagte respektive der Sozialleistungsträger überhaupt befugt, bei Kostenerstattungsanträgen nach § 63 SGB X über diese per Verwaltungsakt zu entscheiden?"

Der Klägerin geht es offensichtlich darum, bei ausbleibender Kostenfestsetzung unmittelbar auf Kostenerstattung klagen zu können, ohne insbesondere das Verstreichen der Fristen des § 88 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 SGB X abwarten zu müssen. Sie legt aber schon die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht anforderungsgerecht dar (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 6 mwN). Die Klägerin behauptet nicht das Fehlen höchstrichterlicher Entscheidungen zur Rechtsqualität von Kostenfestsetzungsentscheidungen nach § 63 Abs 3 SGB X . Obgleich sie nicht im Einzelnen auf die hierzu ergangene Rechtsprechung eingeht (grundlegend BSG Urteil vom 14.11.1984 - 1 RJ 54/84 - RdNr 11; aus jüngerer Zeit zB BSG Urteil vom 20.2.2020 - B 14 AS 17/19 R - juris RdNr 9), räumt sie ein, dass nach allgemeiner Meinung bei isolierten Vorverfahren die erstattungsfähigen Aufwendungen durch einen Kostenfestsetzungsverwaltungsakt festgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund kommt die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage einzig unter dem Gesichtspunkt einer erneuten Klärungsbedürftigkeit in Betracht. Aber auch den insoweit bestehenden Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

Eine höchstrichterlich bereits geklärte Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer Vorschrift des Bundesrechts kann iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG erneut klärungsbedürftig werden, wenn den bisherigen Entscheidungen in nicht geringem Umfang in Rechtsprechung oder Schrifttum widersprochen wird und keineswegs von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden ( BSG Beschluss vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19; BSG Beschluss vom 17.9.2013 - B 1 KR 63/13 B - juris RdNr 6 mwN). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ist in der Beschwerdebegründung näher darzulegen. Hierzu muss substantiiert aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der bisherigen Rechtsprechung widersprochen wird bzw inwiefern die Beantwortung der Rechtsfrage weiterhin umstritten ist oder welche neuen erheblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die zu einer Neubetrachtung der bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und eine anderweitige Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (zB BSG Beschluss vom 28.2.2017 - B 5 RS 42/16 B - juris RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 6.4.2021 - B 5 RE 16/20 B - juris RdNr 12 mwN). Hieran richtet die Klägerin ihr Vorbringen nicht aus.

Sie bringt vor, nach einhelliger Meinung stelle die Kostenerstattung keine Sozialleistung dar. Sie schließt hieraus, dass ein Widerspruchsführer im Grunde einen Schadensersatzanspruch geltend mache, wenn er die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen verlange. Hierüber sei im Gleichordnungsverhältnis "abzurechnen". Andernfalls würde die zum Schadensersatz verpflichtete Stelle selbst über die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes entscheiden. Die Klägerin benennt damit weder (instanzgerichtliche) Entscheidungen noch (wissenschaftliches) Schrifttum, in denen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verwaltungsaktqualität der Kostenfestsetzung widersprochen wird. Sie bezieht sich zwar auf ein Urteil des BSG vom 24.7.1986 (B 7 RAr 86/84 R), wonach Kostenerstattungsansprüche keine Ansprüche auf Geldleistung iS von § 44 Abs 1 SGB I darstellen würden, sowie auf Urteile des Hessischen LSG vom 29.10.2012 (L 9 AS 601/10) und des LSG Sachsen-Anhalt vom 28.2.2017 (L 2 AS 390/15), denen zufolge Kostenerstattungsansprüche keine Ansprüche auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iS des § 43 Abs 1 SGB II bzw auf einmalige Geldleistungen iS des § 54 Abs 2 SGB II seien. Damit stützt die Klägerin jedoch bloß ihr Vorbringen, die von einem Widerspruchsführer zu beanspruchende Kostenerstattung stelle keine Sozialleistung dar. Sie versäumt es hingegen aufzuzeigen, dass und inwiefern im Zusammenhang mit der angeführten Rechtsprechung vertreten werde, über Kostenfestsetzungsanträge nach § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGG sei anders als durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Die Klägerin stellt letztlich ihre eigene Auffassung der Rechtsprechung des BSG entgegen. Das reicht an dieser Stelle nicht aus. Es begründet keinen weiteren höchstrichterlichen Klärungsbedarf, dass die Klägerin mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verwaltungsaktqualität von Kostenfestsetzungsentscheidungen und den daraus erwachsenden Konsequenzen für die statthafte Klageart nicht einverstanden ist.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 17.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 3586/20
Vorinstanz: SG Freiburg, vom 22.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 11 R 2243/20