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BSG - Entscheidung vom 11.05.2021

B 12 KR 4/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 11.05.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 4/21 B

DRsp Nr. 2021/10823

Beitragspflicht auf eine Versicherungsleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Januar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Beitragspflicht auf eine Versicherungsleistung in der gesetzlichen Kranken- (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV).

Für die im Jahr 1955 geborene Klägerin, die bei der beklagten Krankenkasse in der Krankenversicherung der Rentner versichert ist, schloss der Arbeitgeber zum 1.11.1999 eine Versicherung als betriebliche Altersversorgung mit einem privaten Lebensversicherungsunternehmen ab. Nachdem die Klägerin zum 31.12.2005 wegen Berufsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war, führte der Arbeitgeber keine weiteren Beiträge ab. Zum 1.6.2015 trat die Klägerin als Versicherungsnehmerin in das Versicherungsverhältnis ein. Zum 1.11.2015 wurde ihr eine Kapitalleistung von 35.137,17 Euro ausgezahlt, die auf bis zum 1.6.2015 eingezahlten Beiträgen beruhte. Die Beklagte forderte auf 1/120 dieser Summe monatliche Beiträge zur GKV und im Namen der Pflegekasse zur sPV (Bescheid vom 9.12.2015; Widerspruchsbescheid vom 22.2.2017).

Die dagegen gerichtete Klage und Berufung sind erfolglos geblieben ( SG Urteil vom 25.6.2019; LSG Urteil vom 11.1.2021). Die Klägerin habe nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keine eigenen Prämien unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers einbezahlt. Selbst wenn die nach Eintritt der Berufsunfähigkeit eingezahlten Beiträge als eigene Beiträge der Klägerin angesehen würden, fehle es an einem Einrücken in die Stellung als Versicherungsnehmerin.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ). Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin wirft auf S 4 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:

"…ob in einer derartigen, über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Konstellation ebenfalls von einer Verfassungswidrigkeit der Beitragserhebung auszugehen ist".

Selbst unter ergänzender Heranziehung der auf S 2 der Beschwerdebegründung formulierten Frage "nach der korrekten Interpretation und Anwendung der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" und der dazu gegebenen Erläuterung im folgenden Absatz, dass "das Urteil des Bundesverfassungsgerichts" [Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08] "nicht so zu verstehen [ist], dass die Grenzen zulässiger Typisierung nur dann überschritten sind, wenn der Arbeitnehmer in die Stellung des Versicherungsnehmers übergetreten ist" ist eine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) nicht formuliert. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN). Eine Rechtsfrage ist so konkret zu formulieren, dass sie als Grundlage für die Darlegung der weiteren Merkmale der grundsätzlichen Bedeutung (Klärungsbedürftigkeit, Klärungsfähigkeit, Breitenwirkung) geeignet ist (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 1. Aufl 2017, § 160a SGG , RdNr 97). Insoweit reicht es nicht, wenn die Klägerin erklärt, das LSG habe eine Entscheidung des BVerfG unrichtig verstanden. Es muss deutlich werden, welche konkrete Regelung oder Auslegung des einfachen Rechts mit welchen Normen der Verfassung nicht in Einklang stehend erachtet wird ( BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 12 KR 81/19 B - juris RdNr 5). Dies ist hier nicht der Fall.

Selbst wenn aber eine solche Rechtsfrage nach der verfassungskonformen Auslegung der Regeln zur Beitragspflicht auf Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung 229 Abs 1 Satz 1 Nr und Satz 3, § 237 Satz 1 Nr SGB V ) als aufgeworfen unterstellt würde, wäre auch deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG (zuletzt BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25; B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24; BSG Urteil vom 1.4.2019 - B 12 KR 19/18 R - juris; BSG Urteil vom 8.7.2020 - B 12 KR 1/19 R - juris und des BVerfG (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - SozR 4-2500 § 229 Nr 27; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris) zur Beitragspflicht auf Kapitalleistungen der betrieblichen Altersversorgung fehlt. Danach ist es für die Beitragspflicht unerheblich, ob die Kapitalauszahlung auf Leistungen des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers beruht, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts nicht verlassen wird. Die Klägerin legt nicht dar, inwiefern es dennoch klärungsbedürftig ist, ob Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung beitragsfrei bleiben, wenn sie auf Zahlungen einer zu diesem Zweck abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung beruhen.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Sie zeigt keinen Widerspruch im Grundsätzlichen auf, sondern behauptet die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts. Das kann nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Niedersachsen-Bremen, vom 11.01.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 369/19
Vorinstanz: SG Lüneburg, vom 25.06.2019 - Vorinstanzaktenzeichen S 41 KR 118/17