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BSG - Entscheidung vom 17.11.2021

B 3 KS 3/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 17.11.2021 - Aktenzeichen B 3 KS 3/21 B

DRsp Nr. 2022/825

Beendigung einer Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung der Künstlersozialversicherung Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I

Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 12.5.2021 die Beendigung der Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung der Künstlersozialversicherung (KSV) zum 31.8.2014 bestätigt, weil die beklagte Künstlersozialkasse (KSK) ihre im Jahr 2003 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers wegen Änderung der Verhältnisse rechtmäßig aufgehoben hat 8 Abs 2 KSVG idF des Gesetzes vom 13.6.2001, BGBl I 1027, iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ).

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG ).

II

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig, da das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und einer Rechtsprechungsabweichung den gesetzlichen Anforderungen entsprechend nicht hinreichend dargetan sind 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam,

"a) ob bei der Gewinnermittlung für Zwecke der Künstlersozialkasse die Gewerbesteuer als Betriebsausgabe weiterhin anzuerkennen ist (Seite 20 des LSG-Urteils);

b) ob das Landessozialgericht die Anforderungen an den für eine Prognose der Beklagten erforderlichen Tatsachenvortrag des Klägers zu hoch angesetzt hat."

In der unter b) aufgeworfenen Frage sieht der Kläger zugleich eine Abweichung vom Urteil des BSG vom 2.4.2014 (B 3 KS 4/13 R - SozR 4-5425 § 3 Nr 3).

Hierzu führt er aus, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2008 die Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe durch Einführung eines Absatzes 5b in § 5 EStG beendet worden sei. Dadurch habe sich die Situation für in der KSK Versicherte verschlechtert. Für viele Künstler sei es dadurch zu höheren gewerblichen Nebeneinkünften und dadurch zum Verlust der Mitgliedschaft in der KSK bei der Kranken- und Pflegeversicherung gekommen. Diese vom Gesetzgeber wahrscheinlich nicht beabsichtigte Folge der Gesetzesänderung bedürfe der Prüfung durch das BSG .

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger hinreichend abstrakte Rechtsfragen aufgeworfen hat. Die zu a) gestellte Frage bezieht er konkret auf Seite 20 des LSG-Urteils, ohne dass aufgezeigt wird, was das LSG in diesem Zusammenhang festgestellt und entschieden hat. Auch fehlt es an einer Bezeichnung oder zumindest Bezugnahme einer Norm des Bundesrechts 162 SGG ), deren Überprüfung bzw Auslegung der Kläger im angestrebten Revisionsverfahren begehrt. Es mangelt aber auch an hinreichenden Darlegungen sowohl zur Klärungsbedürftigkeit als auch zur Klärungsfähigkeit einer abstrakten Rechtsfrage. Der Kläger setzt sich schon nicht mit der von ihm selbst zitierten Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von Arbeitseinkommen aus einer erwerbsmäßigen nicht künstlerischen anderweitigen selbstständig ausgeübten Tätigkeit auseinander ( BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 3 KS 4/13 R - SozR 4-5425 § 3 Nr 3). Ausführungen wären aber erforderlich gewesen, aus welchem rechtlichen Grund Betriebsausgaben, die - dem Vortrag des Klägers entsprechend - nach dem Einkommensteuerrecht als nicht mehr abzugsfähig gelten, in der KSV aber als abziehbar gelten sollten. Hierzu reicht es jedenfalls nicht aus, lediglich vorzutragen, dass die Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe in der KSV erforderlich sei, weil viele Künstler über das mittlerweile sogenannte "Merchandising" erhöhte gewerbliche Nebeneinkünfte erzielten. Vielmehr wären zumindest eine ansatzweise Auseinandersetzung mit dem vom BSG aufgestellten Grundsatz der Parallelität von Einkommensteuer- und Sozialversicherungsrecht bei der Gewinnermittlung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erforderlich gewesen (vgl nur BSG aaO mwN) und Ausführungen dazu, welcher rechtliche Anknüpfungspunkt im KSVG für eine Ausnahme hiervon in Betracht kommen könnte.

Im Übrigen fehlen aber auch substantiierte Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Hierzu reicht es nicht aus, lediglich vorzutragen, dass die Entscheidung des LSG aufzuheben sei, falls das BSG die Abziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe weiterhin zulasse. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, in der Beschwerdebegründung die Feststellungen des LSG zum streitgegenständlichen Sachverhalt und die maßgeblichen Entscheidungsgründe zumindest insoweit zu umreißen, dass dem Senat eine Einschätzung möglich wäre, ob die aufgeworfene Frage im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt einer Klärung zugeführt werden könnte.

Die zu b) als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage ist keine abstrakte Rechtsfrage. Der Kläger hinterfragt damit die konkrete Rechtsanwendung des LSG und die an ihn gestellten Darlegungsanforderungen im Tatsachenvortrag. Hierbei handelt es sich aber um eine auf seinen Einzelfall zugeschnittene Frage und nicht um eine Frage, die für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle in abstrakter Weise Geltung beanspruchen kann.

2. Der Kläger hat auch keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG formgerecht bezeichnet. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; vgl zum Ganzen nur BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff).

Der Kläger führt aus, das LSG-Urteil weiche vom Urteil des BSG vom 2.4.2014 ab (B 3 KS 4/13 R - SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 26 und 27):

"Insgesamt haben für eine vorausschauende Betrachtung regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung als die weiter zurückliegende Vergangenheit, und Einkommensentwicklungen ist angemessen Rechnung zu tragen.

cc) Eine von den Verhältnissen der Vergangenheit abweichende Einschätzung ist aber geboten, wenn Verhältnisse dargelegt werden, die das Erzielen hiervon abweichender Einkünfte nahelegen. Dabei sind grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Hierbei wird von der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage gefordert, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können (…) nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen."

Demgegenüber stellt der Kläger in Frage:

"Hat das Landessozialgericht die Anforderungen an den für eine Prognose der Beklagten erforderlichen Tatsachenvortrag des Klägers zu hoch angesetzt?"

Allein aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich schon, dass der Kläger nicht zwei sich einander widersprechende Rechtssätze aus einem Urteil des BSG und aus dem Urteil des LSG gegenübergestellt hat. Es handelt sich zum einen um die auf den Einzelfall des Klägers zugeschnittene Fragestellung zur Rechtsanwendung (s auch oben 1.), die er den Ausführungen des BSG entgegenhält. Im Übrigen wird auch nicht deutlich, auf welchen abstrakten Rechtssatz aus den zitierten Passagen des vorgenannten BSG -Urteils der Kläger maßgeblich Bezug nimmt. Aus seinen weiteren Ausführungen dazu ergibt sich aber, dass das LSG keinen divergierenden Rechtssatz aufgestellt hat, sondern dass es die Maßgaben aus der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. Wenn der Kläger diese Anforderungen an seinen Tatsachenvortrag für überzogen hält, so macht er damit die Unrichtigkeit des LSG-Urteils geltend, die im Beschwerdeverfahren aber keinen Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG darstellt.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 12.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen L 9 KR 534/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 17.10.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 122 KR 3827/15