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BSG - Entscheidung vom 29.04.2021

B 12 KR 1/21 BH

Normen:
SGG § 73 Abs. 1

BSG, Beschluss vom 29.04.2021 - Aktenzeichen B 12 KR 1/21 BH

DRsp Nr. 2021/8606

Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. November 2020 - L 1 KR 91/18 - Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73 Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um Auskunft über Verwaltungsanweisungen zum Erlass von Schulden nach § 256a SGB V .

Die Klägerin beantragte im November 2014 bei der beklagten Krankenkasse die Übersendung von Durchführungshinweisen der "Spitzenverbände der Krankenkassen" für "bis Juni 2013". Die Beklagte übersandte ihr darauf hin zwei Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes betreffend die Ermäßigung und den Erlass von Beitragsschulden. Die Klage, mit der die Klägerin Auskunft über eigene Verwaltungs- und Durchführungshinweise zur Verfahrensweise zur Niederschlagung von Beitragsschulden oder die Bestätigung des Fehlens derselben durch die Beklagte begehrt, ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG Hamburg vom 23.8.2018). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte auf Aufforderung des LSG eine interne Arbeitsanleitung übersandt und mitgeteilt, dass es darüber hinaus nichts Entscheidungserhebliches gebe. Das LSG hat die dennoch mit dem ursprünglichen Klageantrag aufrechterhaltene Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26.11.2020), einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts hat es abgelehnt (Beschluss vom 24.11.2020).

Die Klägerin hat für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 9.1.2021 zugestellten Urteil die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

II

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, denn auch eine formgerechte, durch einen Rechtsanwalt 73 Abs 4 SGG ) eingelegte und begründete 160a Abs 1 und 2 SGG ) Beschwerde würde voraussichtlich nicht zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG führen.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens der Klägerin in den Schreiben vom 7. und 8.1.2021 sowie in dem am 6.4.2021 beim BSG eingegangenen Schreiben vom 24.11.2020 haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines der vorgenannten Revisionszulassungsgründe ergeben.

1. Eine grundsätzliche Bedeutung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist nicht ersichtlich. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das LSG in seiner Behandlung ihrer Auskunftsklage von der Rechtsprechung des BVerwG abweiche. Unter Berücksichtigung dieses Vorbringens der Klägerin und unter ergänzender Berücksichtigung des Akteninhalts sind keine Anhaltspunkte für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ersichtlich, die ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darlegen könnte. Das LSG ist von einer Erfüllung des Auskunftsanspruchs ausgegangen, über die Prüfungsschritte des BVerwG hat es nicht entschieden. Sofern die Klägerin dem LSG in seiner Einschätzung der Erfüllung des Anspruchs widerspricht, macht sie die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung geltend. Das kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.

2. Hinweise darauf, dass das Berufungsurteil iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht, sind ebenfalls nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

3. Aus dem Vortrag der Klägerin und aus den Akten ist ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens nicht ersichtlich, der nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

a) Die Klägerin beanstandet, das LSG habe ihr einen Notanwalt beiordnen müssen. Ein Verfahrensfehler ist unter Berücksichtigung dieses Vortrags nicht ersichtlich. Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Beteiligten auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht finden kann. Diese Voraussetzungen haben im Berufungsverfahren nicht vorgelegen. Vor dem LSG besteht kein Anwaltszwang 73 Abs 1 SGG ), eines Notanwalts bedarf es insofern nicht. Sofern die Klägerin vorträgt, sie habe sich einen Rechtsanwalt nicht leisten können, begründet das allenfalls einen Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Rechtsanwalts 73a SGG , § 121 Abs 2 ZPO ), wenn - anders als hier - die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

b) Ein Verstoß gegen den Anspruch auf mündliche Verhandlung ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin meint, das LSG habe nicht nach Lage der Akten entscheiden dürfen, geht dieser Vortrag ins Leere, § 126 SGG hat keine Anwendung gefunden. Am 4.6.2020 und 26.11.2020 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, auf deren Grundlage das LSG seine Entscheidung getroffen hat 124 Abs 1 SGG ). Soweit die Klägerin die mündliche Verhandlung bezweifelt, weil die Beklagte nicht vertreten gewesen sei, ist kein Verfahrensfehler erkennbar. Macht ein Beteiligter von seinem Recht auf Äußerung in der mündlichen Verhandlung nicht Gebrauch, besteht keine Pflicht des Gerichts, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen (Bergner in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , § 124 RdNr 27 f f).

c) Sofern die Klägerin sinngemäß vorträgt, das LSG habe das persönliche Erscheinen der Beklagten anordnen müssen, um sie zur Erklärung zum Bestehen weiterer Verwaltungsregeln und Vorschriften zu veranlassen, ist ein Verfahrensfehler nicht ersichtlich. Die Klägerin macht damit wiederum nur die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend, dass die Beklagte bereits erklärt habe, dass es keine weiteren internen Regeln gebe.

Ein Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht ergibt sich unter Berücksichtigung des Akteninhalts ebenso wenig. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertreten war, ist ein - auch laienhafter - Beweisantrag nicht erkennbar. Die Anregung, den Datenschutzbeauftragten des Bundes beizuziehen, stellt keinen - auch laienhaften - Beweisantrag dar. Die Anregung zielte nicht auf Sachverhaltsaufklärung, der Datenschutzbeauftragte sollte vielmehr die Rechtslage nach der Rechtsprechung des BVerwG erläutern. Das kann nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen.

d) Auch unter ergänzender Berücksichtigung des Akteninhalts sind im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung keine Anhaltspunkte für entscheidungserhebliche Verfahrensmängel ersichtlich, die ein Prozessbevollmächtigter im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnen könnte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab.

Vorinstanz: LSG Hamburg, vom 26.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 91/18
Vorinstanz: SG Hamburg, vom 23.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen S 48 KR 2460/16