Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 02.02.2021

B 9 SB 55/20 B

Normen:
SGG § 202 S. 1
ZPO § 78b Abs. 1

BSG, Beschluss vom 02.02.2021 - Aktenzeichen B 9 SB 55/20 B

DRsp Nr. 2021/5254

Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts Feststellung einer Verfahrensunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Notanwalts für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. Juli 2020 wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts sowie ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 202 S. 1; ZPO § 78b Abs. 1 ;

Gründe

I

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung einer aus ihrer Sicht bestehenden Verfahrens- und Verhandlungsunfähigkeit aufgrund situativen Hör- und Sprachverlustes sowie eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 50. Diesen Anspruch hat das LSG verneint. Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin bestünden nicht. In keinem der Befundberichte seien gravierende psychiatrische Beeinträchtigungen in einem für die Annahme einer Prozessunfähigkeit relevanten Umfang beschrieben worden. Hinsichtlich des Begehrens auf Anerkennung einer Verfahrens- und Verhandlungsunfähigkeit wegen situativen Hör- und Sprachverlustes als Merkzeichen sei die Klage unzulässig, weil der Beklagte hierüber keine Verwaltungsentscheidung getroffen habe, so dass es insoweit an einem anfechtbaren Verwaltungsakt fehle. Im Übrigen sei die Klage aber auch unbegründet. Denn die Klägerin begehre die Feststellung eines Nachteilsausgleichs, der gesetzlich nicht vorgesehen sei. Im Übrigen habe die Klägerin keinen Anspruch auf einen GdB von mehr als bisher 50. Insoweit sei den überzeugenden Ausführungen des vor dem SG als Sachverständigen gehörten Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F. in seinem Gutachten vom 17.2.2020 zu folgen (Urteil vom 30.7.2020).

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 15.10.2020 gegen das ihr am 9.10.2020 zugestellte Urteil des LSG "Rechtsmittel" eingelegt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Beiordnung eines Notanwalts beantragt.

II

1. Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Notanwalts ist abzulehnen.

Nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, wenn er einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin hinreichend dargetan hat, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht finden konnte (allgemein zu den Anforderungen s Senatsbeschluss vom 28.10.2020 - B 9 V 37/20 B - juris RdNr 5 mwN). Jedenfalls wäre die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als das einzige hier in Betracht kommende Rechtsmittel gegen das Urteil des LSG aussichtslos, weil nicht ersichtlich ist, dass von einem Rechtsanwalt einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ).

Es stellen sich im vorliegenden Verfahren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen ebenso wenig. Nach Aktenlage liegt auch kein Verfahrensmangel 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) vor. Insbesondere durfte das LSG durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung auch in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, weil sie auf diese Möglichkeit in der Terminsladung vom 22.6.2020 und nochmals im Schreiben vom 14.7.2020 hingewiesen worden ist (vgl § 110 Abs 1 Satz 2, § 126 SGG ). Im zuletzt genannten Schreiben ist zudem aufgrund des Antrags der Klägerin ihr ursprünglich angeordnetes persönliches Erscheinen zum Termin aufgehoben worden. Auch musste der Vorsitzende für die Klägerin keinen besonderen Vertreter bestellen 72 Abs 1 SGG ). Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit der Klägerin (vgl § 71 Abs 1 SGG iVm § 104 Nr 2 BGB ) bestehen nach den aktenkundigen Befund- und Behandlungsberichten der behandelnden Ärzte sowie des vorliegenden psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht.

2. Die sinngemäß von der Klägerin erhobene Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Die Klägerin muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Sie kann eine Prozesshandlung selbst nicht rechtswirksam vornehmen, folglich auch nicht selbst Beschwerde einlegen. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das LSG in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen.

3. Der von der Klägerin vorsorglich gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist ebenfalls unzulässig. Auch ein solcher Antrag unterliegt dem Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG und kann deshalb wirksam nur von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten gestellt werden (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 73 RdNr 41).

4. Die Beschwerde ist ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 30.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 SB 36/20
Vorinstanz: SG Landshut, vom 30.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen S 1 SB 151/19