Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 22.06.2021

B 11 AL 5/21 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 22.06.2021 - Aktenzeichen B 11 AL 5/21 B

DRsp Nr. 2021/11517

Anspruch auf Alg Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Beschäftigung in der Schweiz als sogenannter unechter Grenzgänger

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2020 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den von ihm geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat 160a Abs 2 Satz 3 SGG ). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG , § 169 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte die Bewilligung von Alg abgelehnt hat, weil er während einer mehr als dreijährigen Beschäftigung in der Schweiz nicht als sog unechter Grenzgänger anzusehen gewesen sei und deshalb Beschäftigungszeiten in der Schweiz nicht als Anwartschaftszeiten berücksichtigt werden könnten. Als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft er insgesamt sechs Fragen zur Auslegung des Begriffs "Wohnmitgliedsstaat" in Art 65 VO (EG) 883/2004 auf, die an die Dauer der Beschäftigung in der Schweiz, die familiären Bindungen in Deutschland, die Tage des Aufenthalts in Deutschland, die Wohnverhältnisse in der Schweiz, die Dauer der vorhergehenden Beschäftigung in Deutschland, die Motive für die Arbeitsaufnahme in der Schweiz und an die jeweiligen Wiedereingliederungschancen in Deutschland bzw in der Schweiz anknüpfen.

Wenn die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls so umfassend in die Fragestellung einbezogen sind, ist schon fraglich, ob überhaupt abstrakt zu beantwortende Rechtsfragen vorliegen. Unabhängig davon hat der Kläger aber weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Entscheidungserheblichkeit der einzelnen Fragen aufgezeigt. Denn das LSG hat, wie der Kläger vorträgt, ausdrücklich gestützt auf die Entscheidung des Senats vom 12.12.1990 ( 11 RAr 141/90 - BSGE 68, 75 = SozR 3-6050 Art 71 Nr 2), der zuvor den EuGH angerufen hatte (vgl EuGH vom 13.11.1990 - C-216/89 - SozR 3-6050 Art 71 Nr 1), nach deren Maßstäben eine ausführliche Würdigung der tatsächlichen - auch der in den Rechtsfragen angesprochenen - Umstände vorgenommen und nach sorgfältiger Abwägung verneint, dass der Kläger während der Beschäftigung in der Schweiz weiter in Deutschland gewohnt hat. Vor diesem Hintergrund hätte der Kläger darlegen müssen, ob und aus welchen Gründen im Einzelnen die bisherige Rechtsprechung - etwa weil sich die Rechtslage oder die Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum verändert haben - weiterzuentwickeln ist, woran es fehlt. Zu diesem Punkt allein vorzutragen, die konkreten Umstände des vorliegenden Falles würden von den Umständen der schon entschiedenen Fälle abweichen, reicht nicht aus, denn dies ist regelmäßig so, wenn eine Vielzahl von Umständen abzuwägen sind.

Darüber hinaus zeigt die Beschwerde auch nicht schlüssig auf, warum - wie der Kläger meint - "jede einzelne Rechtsfrage für sich genommen streitentscheidend sein könnte und damit entscheidungserheblich ist". Insoweit wäre eine Auseinandersetzung damit erforderlich gewesen, ob und in welcher Weise die im Grundsatz den Tatsacheninstanzen obliegende Würdigung der Umstände des Einzelfalls revisionsrechtlich überhaupt korrigiert werden darf. Daran fehlt es ebenfalls.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 26.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen L 14 AL 72/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 24.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen S 58 AL 269/16