Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 12.01.2021

B 14 AS 54/20 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3

BSG, Beschluss vom 12.01.2021 - Aktenzeichen B 14 AS 54/20 BH

DRsp Nr. 2021/4351

Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2020 - L 12 AS 1753/18 - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 ;

Gründe

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg böte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten 73 Abs 4 SGG ) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen.

Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Von diesen Zulassungsgründen kann nach Aktenlage unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers keiner mit Erfolg im Beschwerdeverfahren geltend gemacht werden.

Es ist nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein solcher Verfahrensmangel liegt insbesondere nicht darin begründet, dass das LSG die Berufung im Termin zur mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen hat 158 Satz 2 SGG ), anstatt in der Sache zu entscheiden (Prozessurteil statt Sachurteil, vgl nur BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 272/07 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 19 RdNr 6 mwN). Ob das LSG den Berufungsschriftsatz des Klägers zutreffend dahin ausgelegt hat, dass er sich mit seiner Berufung (Schriftsatz vom 25.10.2018) gegen den Gerichtsbescheid vom 10.10.2018 im Verfahren S 35 AS 3652/17 ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des SG wendet, wonach der Beklagte die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe, oder ob der Kläger nicht vielmehr auch eine gerichtliche Entscheidung über die Erstattung seiner Reisekosten oder die Frage der Erledigung der Untätigkeitsklage begehrt hat (vgl insoweit sein Vorbringen auch in Bezug auf den Bescheid vom 18.1.2018, dazu später), kann dabei offenbleiben. Hätte sich der Kläger nur gegen die Kostenentscheidung des SG gewandt, war die Berufung bereits nach § 144 Abs 4 SGG als unzulässig zu verwerfen, wovon das LSG auch ausgegangen ist. Doch selbst wenn im Berufungsvorbringen eine Umstellung des Klagebegehrens (Klageänderung <§ 99 SGG> in eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bzw Anfechtungs- und Leistungsklage) gesehen werden könnte, mit dem die Zahlung höherer Reisekosten verlangt wird und alle Zulässigkeitsvoraussetzungen hierfür erfüllt wären (vgl dazu nur Guttenberger in jurisPK- SGG , 2017, § 99 RdNr 47 und 55 f) oder nur über die Frage hätte entschieden werden müssen, ob sich das Klagebegehren durch die Auszahlung erledigt hat (zum Beschwerdewert in diesen Fällen BSG vom 19.3.2020 - B 4 AS 4/20 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 10), hätte das LSG zu Recht ebenfalls durch Prozessurteil entschieden. Denn in der Sache macht der Kläger lediglich die Erstattung von Reisekosten in Höhe von 14,80 Euro geltend, sodass der für jedes dieser Verfahren maßgebliche Beschwerdewert nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG von 750 Euro nicht erreicht war.

Soweit der Kläger auch Einwendungen gegen den Bescheid vom 18.1.2018 erhebt, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn der Verfügungssatz des Bescheids (Versagung von Leistungen zur Förderung aus dem Vermittlungsbudget, § 16 SGB II iVm § 44 SGB III ) betrifft nicht den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Insoweit hat sich im Vortrag des Klägers lediglich die unrichtige inhaltliche Zuordnung dieses Bescheids durch das SG und das LSG fortgesetzt (vgl Schriftsatz des Beklagten vom 26.1.2018), ohne dass dieser damit tatsächlich zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht und einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen worden wäre.

Anhaltspunkte dafür, dass das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden wäre, wie er geltend macht, liegen nicht vor. Gemäß § 62 Halbsatz 1 SGG , der dem schon in Art 103 Abs 1 GG verankerten prozessualen Grundrecht entspricht (vgl Neumann in Hennig, SGG , § 62 RdNr 6 ff, Stand Juni 2015), ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung des Gerichts rechtliches Gehör zu gewähren. Die richterliche Hinweispflicht 106 Abs 1 SGG ) konkretisiert den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Hauck in Hennig, SGG , § 106 RdNr 10, Stand September 2010) und zielt mit dieser Funktion insbesondere auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen (vgl BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 34). Eine den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung liegt allerdings nur vor, wenn das Urteil auf Gesichtspunkte gestützt wird, die bisher nicht erörtert worden sind, und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl nur BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 62 RdNr 8b). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Kläger ist ordnungsgemäß zum Termin geladen und ihm ist im Vorfeld mitgeteilt worden, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung bestünden (zu den Anhörungspflichten insoweit vgl nur Senatsbeschluss vom 12.7.2012 - B 14 AS 158/11 B). Dass der zur Begründung gegebene Verweis auf § 144 Abs 4 SGG ggf inhaltlich unrichtig war, ist für die Frage der Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht entscheidend. Eine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern, gibt es nicht. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 Satz 2 SGG ) begründet. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl BSG vom 11.4.2019 - B 13 R 74/18 B; BSG vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B; BSG vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R).

Soweit der Kläger schließlich geltend macht, dass ihm Reisekosten zum Termin vor dem LSG nicht erstattet würden und dadurch sein rechtliches Gehör verletzt worden sei, wird ein Rechtsanwalt einen Verfahrensfehler ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen können. Das Übergehen eines Antrags auf Bewilligung einer Reiseentschädigung zur - anders nicht möglichen - Teilnahme an der mündlichen Verhandlung mag zwar bei einem mittellosen und nicht rechtskundig vertretenen Kläger eine Versagung rechtlichen Gehörs darstellen können (vgl BSG vom 11.2.2015 - B 13 R 329/13 B - juris RdNr 11). Doch hat der Kläger nach Erhalt der Terminsmitteilung weder einen entsprechenden Antrag gestellt noch anderweitig zum Ausdruck gebracht, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen und dies wegen fehlender finanzieller Mittel nicht zu können.

Im Übrigen erscheint die Rechtssache weder von grundsätzlicher Bedeutung 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), noch enthält die Entscheidung des LSG eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG .

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 29.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 AS 1753/18
Vorinstanz: SG Düsseldorf, vom 10.10.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 35 AS 3652/17